Eine Mediengeschichte zum Jahresstart

Die Causa Wulff ist von Beginn an auch eine Mediengeschichte gewesen. Nicht in dem Sinne, wie es einige Politiker dargestellt haben. Die Medien sind nicht Schuld am Verhalten des Bundespräsidenten. Den Schuh muss einzig und allein er sich anziehen. Mittlerweile ist wohl klar, dass seine Tage gezählt sind. Wenn selbst die Freunde nicht mehr zu einem halten, dann ist wohl alles vorbei.

Wie so oft bei den ganz großen Scoops spielt die Bild-Zeitung eine ganz wichtige Rolle (es ist übrigens ganz lustig wie der Spiegel darstellt, dass seine investigativen Kräfte auch an der Geschichte mit dem Privatkredit dran gewesen sind). Ein Geschenk des Himmels war es dann am Ende noch, dass Wulff – nicht mehr ganz Herr seiner Emotionen – einen Wutanruf auf der Mobilbox von Bild-Chefredakteur Kai Diekmann hinterlassen hat.

Aber nochmal der Reihe nach. Am 13. Dezember hat sich die Welle in Bewegung gesetzt. Zu Anfang gab es noch reichlich Rückendeckung für den Bundespräsidenten. Nicht nur bei den Politikern. Auch in der Bevölkerung war alles noch ganz in Ordnung. Die Salamitaktik, das Rausschmeißen seines Sprechers und die unvollständige Transparenz haben die Skepsis und die Kritik angefeuert. Dass der letzte Kreditvertrag zu Normal-Mensch-Konditionen dann doch erst kurz vor Weihnachten unterzeichnet wurde, hat das Fass bis an den Rand der vollständigen Füllung gebracht. Sowohl die klassischen Medien als auch die Netzgemeinde waren zu diesem Zeitpunkt eher klar und sachlich. Für viele steht sowieso schon lange fest, das Christian Wulff nicht in seinem Amt bleiben kann. Das wurde auch unverblümt so dargestellt. Doch blieb die Häme weitgehend außen vor.

Doch dann kam es zur Instrumentalisierung von der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung und der Süddeutschen Zeitung durch die Bild-Zeitung. Am Wochenende wurde also bekannt, dass Wulff Diekmann angerufen hat, um ihm Drohungen auf das digitale Band zu diktieren. Seine Meinung zur Pressefreiheit hat Wulff implizit damit auch kundgetan. Das war eine nachhaltige Dummheit. Die Bild-Zeitung hat die Geschichte ausnahmsweise nicht selbst gebracht, sondern so genannte Qualitätsmedien mit der Information versorgt. Ein Geniestreich von Diekmann.

Spätestens jetzt war auch die Netzgemeinde in höchstem Maße aktiviert. Neben sachlicher Auseinandersetzung mit dem Thema kam nun noch ein riesiger Schwall Häme hinzu (dafür steht beispielhaft das hashtag #wulffilme auf Twitter). Das macht deutlich, dass das Amt beschädigt ist, der Respekt ist dahin – und es darf bezweifelt werden, das Christian Wulff der Mann ist, der diesen Respekt als Person und Amtsträger wieder herstellen kann.

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Markwort für gute Bezahlung und noch besseren Journalismus

Helmut Markwort ist diese Woche mit dem Hessischen Journalistenpreis für sein bisheriges Lebenswerk ausgezeichnet worden. Der Preis wird von der Sparda-Bank Hessen (meinem Arbeitgeber) in Zusammenarbeit mit dem DJV Hessen verleihen. Es wurden neben Markwort noch fünf weitere Journalisten für ihre Arbeiten zum Thema „Hessen bilden“ ausgezeichnet.

Markwort hat eine Lanze für den Qualitätsjournalismus gebrochen. Natürlich ging es auch um das Thema Online und das überbordende Engagement der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten im Internet. Zwischen den Zeilen hörte man schon heraus, dass aus seiner Sicht einige Regeln dem ganzen Geschäft von Verlagen zuträglich wären.

Ganz besonders interessant war aber, dass Markwort betont hat, dass auch junge Journalistenkollegen ordentlich entlohnt werden sollten. In den kürzlich zu Ende gegangenen Tarifverhandlungen hatten die Arbeitgeber gerade Einschnitte bei den Einstiegsgehältern gefordert, um schließlich eine insgesamt schlankere Tarifstaffelung zu erreichen. Dem hat auch Markwort ein klare Absage erteilt. Der Medienmanager mit Darmstädter Wurzeln (dessen großes Vorbild Georg Hensel [ehedem beim Darmstädter Echo, meiner Volontariats-Zeitung, tätig uns später Feuilleton-Chef bei der FAZ] ist) will kluge Köpfe im Journalismus sehen – und nicht nur in den Unternehmen jenseits der Medienbranche.

Gerade für jüngere Kollegen war es auch eine Mutmach-Ansprache. Sein Medienalphabet – zu fast jedem Buchstaben hat Markwort – einen für ihn bedeutsamen Begriff identifziert und diesen dann ausgeführt wirkte in teilen auch wie eine Motivationsspritze. Markwort ist ein Journalist aus Leidenschaft, das hat man gespürt, im besten Sinne. er bezeichnete sich selbst als „lebenslangen Volontär“ – ein bisschen Koketterie ist dabei, das tut dem Ganzen keinen Abbruch. Als Volontär ist die Leidenschaft für den Beruf besonders groß. Es kann sich jeder glücklich schätzen, der sich diese Leidenschaft das ganze Berufsleben über bewahrt.

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Gelesen 22: Totentanz

Zwischendrin muss es auch mal wieder ein Buch zur Entspannung sein. Die Laurenti-Krimis von Veit Heinichen bilden eine Reihe, die mir sehr ans Herz gewachsen ist. Diesmal habe ich mir den fünften Fall des Ermittlers aus Triest vorgenommen: „Totentanz“.

Lange vor der Lektüre habe ich die Verfilmung dieses Teils im Fernsehen geschaut – und tatsächlich habe dies zum ersten Mal als störend und abträglich empfunden. Zu stark waren meine vorgefertigten Bilder im Kopf. Und dann weicht das Drehbuch auch noch erheblich von der Vorlage ab. Das ist ja grundsätzlich kein Problem. Allerdings hat es mich hier ganz stark gestört.

Die TV-Filme mit Henry Hübchen in der Hauptrolle sind durchweg hervorragend gelungen – leider hat sich die ARD wegen Erfolglosigkeit gegen eine Fortsetzung entschieden. Auch die Bücher sind großartig – und das mag auch für „Totentanz“ gelten.

Wieder einmal befindet sich Proteo Laurenti darin im Clinch mit den Drakic-Geschwistern. Im Vergleich zu den anderen Büchern geht es in dieser Folge allerdings wahrhaftig um Leben und Tod. Über eine sehr gewagte Wendung steigert sich das Buch zu einem Finale Furioso. Die Umsetzung ist sehr gut gelungen – das gilt auch für die Umsetzung im Film. Diese ist zwar ein wenig anders, passt aber trotzdem sehr gut.

Bei allen lobenden Worten: Ich bin in die Lektüre nicht so entspannt hineingekommen, wie ich mir das gewünscht hätte. Die Bilder im Kopf waren zu stark. Die Enttäuschungen durch die Dissonanzen zu groß. Ist vielleicht ungerecht, allerdings sind für „Totentanz“ nicht mehr als 6 von 10 Punkten drin.

Veit Heinichen, Totentanz, 2009 (Taschenbuchausgabe), dtv, 320 Seiten

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Gelesen 21: Social Media im Kulturmanagement

socmedia kulturWer notorisch an Geldmangel leidet ist und kaum Mittel für Marketingmaßnahmen zur Verfügung hat, hat es in heutiger Zeit deutlich einfacher als noch vor einigen Jahren. Social Media ist das Stichwort. Eigentlich war es noch nie so einfach, einen Buzz für seine Sache zu erzeugen wie in Zeiten von Facebook, Twitter, Soundcloud und Co.

NGOs aber auch Kultureinrichtungen haben entsprechend einen großen Bedarf an Know-how-Transfer. Denn: Die Zugangshürde in die Welt sozialer Netzwerke ist vielleicht niedrig – doch die Social-Media-Klaviatur erfolgreich beherrschen, will gekonnt sein.

Einen sehr wichtigen Beitrag für den erfolgversprechenden Einsatz von Social Media im Kulturmanagement hat die zweite Start Conference im vergangenen Jahr in Duisburg geleistet. Und die Fortsetzung erfährt sie nun in Form eines Tagungsbandes, der im mitp Verlag erschienen ist.

„Social Media im Kulturmangement“, herausgegeben von Karin Janner, Christian Holst und Axel Kopp, ist die perfekte Einstiegsliteratur für alle, die für ihre Kultureinrichtung oder kulturelle Veranstaltung Social Media-Aktivitäten starten wollen. Vor allem die praktischen Grundlagen und die Fallbeispiele aus der Praxis geben einen schönen Überblick über die Möglichkeiten, die sich durch den Einsatz von Blogs, bewertungsportalen, Facebook und Twitter ergeben. Das Buch ist sehr klar und gut strukturiert. Allenfalls die theoretischen Grundlagen stellen sich als etwas zäher Lesestoff heraus.

Die Spannbreite der Fallbeispiele ist sehr weit. Von sehr einfachen und zeitbudgetfreundlichen Lösungen bis hin zum professionellen, intensiveren Ansatz ist alles vertreten. Sehr spannend ist das Kapitel über Crowdfunding. Selbst Social Media-Experten können hier noch einiges über die Möglichkeiten lernen, wie man viele für die Finanzierung von Kulturprojekten gewinnen kann.

Wer sich selbst noch als Rookie im Bereich Social Media betrachtet, kann auch unabhängig von dem spitzen Thema eine Menge aus der Lektüre herausziehen. „Social Media im Kulturmangement“ bekommt von mir 8 von 10 möglichen Punkten. Abstriche gibt es für den etwas zu ausführlichen und zähen theoretischen Teil (allerdings hat auch er absolut seine Berechtigung, dieser Aspekt gehört in ein solches Buch).

Karin Janner, Christian Holst, Axel Kopp, Social Media im Kulturmanagement, 2011, mitp, 456 Seiten, 29,95 Euro

Ich habe eine Kulturliste auf Twitter. Vielleicht mag ja jemand dieser Liste folgen 😉

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Gelesen 20: The Story of Stuff

Cover von "The Story of Stuff"Es gibt einfach Bücher, die hinterlassen ein ganz schlechtes Gefühl. Manche Bücher strapazieren die Nerven des Lesers während der Lektüre aufs Äußerste. Manche Bücher sind einfach nur anstrengend und gnadenlos. „The Story of Stuff“ von Annie Leonard ist so ein Buch. Einschränkend muss ich sagen, dass die erste Aussage nicht so ganz richtig ist – und damit wird das Werk mit dem Untertitel „Wie wir die Erde zumüllen“ zu einem ganz wertvollen Sachbuch.

Ja, wir verschwenden Ressourcen. Ja, wir produzieren zu viel Müll. Ja, die Globalisierung hat ihre ganz miesen Seiten. Ja, unsere Wirtschaft ist auf Konsum ausgelegt. Ja, die Werbung hat ihre Schattenseiten. Man hat kaum eine Möglichkeit einmal durchzuatmen. Die 400 Seiten sind dicht gepackt mit Fakten, Daten und Beispielen. Immer wieder deutet die Autorin an, dass es auch Hoffnungsschimmer gibt. Es gibt einen Ausweg. Die Erde muss nicht bis aufs Letzte ausgebeutet werden, Konsum allein macht nicht glücklich.

Annie Leonard zeichnet den Weg der Wertstoffe und Giftstoffe anhand einer Kette von Rohstoffgewinnung über Produktion, Distribution und Konsum bis hin zur Entsorgung nach. Bekannt wurde die Expertin Umwelt und Gesundheitsfragen durch den Internet-Film „The Story of Stuff“, der auch die Grundlage für dieses sehr amerikanische Buch bildet. Der US-Fokus wird allerdings geschickt durch zahlreiche Beispiele und Zahlen aus Europa und vor allem Deutschland ergänzt. Dabei wird auch immer wieder deutlich, dass die Kulturen sich klar unterscheiden – was aber nichts daran ändert, dass die Welt zugemüllt wird, Giftstoffe freigesetzt werden und die Konsumgesellschaft mit ihren geplanten Obsoleszenzen vor allem im Elektronikbereich nicht nur ein Segen ist.

Sehr deutlich arbeitet sie die globalen Zusammenhänge heraus. Sie zeigt, warum die Preise für Produkte niedrig sein können, wenn man Kosten externalisiert. Die Umweltverschmutzung findet mehr und mehr in der kaum entwickelten Welt statt. Und von dieser Verschiebung profitieren die entwickelten Staaten – zumindest kurzfristig.

Bei aller bedrückender Darstellung bekommt die Autorin am Schluss sehr gut die Kurve, um den Leser nicht hilflos und suizidgefährdet aus dem Buch zu entlassen. Sie zeigt am Ende, inwieweit auf politischer Ebene Einfluss genommen werden kann. Und schließlich gibt sie Tipps dafür, wie man in seinem persönlichen Umfeld dazu beitragen kann, dass ein Kollabieren der Erde am Schluss vielleicht doch noch abgewendet werden kann.

„The Story of Stuff“ erhält 8 von 10 möglichen Punkten. Abstriche gibt es für den Anstrengungsgrad und die etwas langatmigeren Passagen. Das Buch verändert. Im Bekannten- und Kolleginnenkreis habe ich davon erzählt – und es werden demnächst einige von ihnen lesen. Verhaltensänderungen haben sie sogar schon nach meinen Darstellungen und der ersten Beschäftigung mit diesem Thema angekündigt.

Annie Leonard, The Story of Stuff, 2010, Econ, 400 Seiten 18 Euro. In Kürze (15.4.2011) erscheint der Titel auch als Taschenbuch bei Ullstein für 9,99 Euro.

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Gelesen 19: Die Intelligenz des Schwarms

Peter Miller Die Intelligenz des Schwarms
Peter Miller Die Intelligenz des Schwarms

„In jedem Falle dienen wir der Gruppe am besten, wenn wir uns selbst treu bleiben.“ Diese Zitat aus dem Buch „Die Intelligenz des Schwarms“ von Peter Miller wird bei mir über den Tag hinaus wirken. Ich bin ein großer Freund des Schwarmtheorie-Ansatzes. Ich glaube, dass es tatsächlich so etwas wie Schwarmintelligenz auch beim Menschen geben kann. Manchmal funktioniert das Ganze automatisch. Manches Mal müssen aber auch die Bedingungen geschaffen werden, um das Potenzial des Schwarms entfalten zu können.

Miller gelingt es recht gut, Phänomene aus der Tierwelt – er fokussiert vor allem auf Ameisen, Bienen und Termiten – in den Alltag und das Wirtschaftsleben zu übertragen. Einige seiner Beispiele sind allerdings nicht unbedingt zwingend. Das Nutzen der Schwarmintelligenz bei Boeing zur Entwicklung des Dreamliners ist offensichtlich ein Versuch gewesen, der nicht zum Erfolg geführt hat.

Der Autor, der für den National Geographic arbeitet, zeigt zum Teil gewollt und zum Teil ungewollt, dass Schwarmintelligenz auch zu falschen Entscheidungen einer Gruppe führt. Sehr schön sind die Beispiele von Fischschwärmen, die sich von gefakten Fischen in die Irre leiten lassen. Auch die verheerenden Auswirkungen durch überbordende Heuschreckenpopulationen sind sehr anschaulich. Manchmal vergleicht er aber auch Phänomene, die meiner Ansicht nach nicht immer zusammenpassen. Er vermengt teilweise auch Erkenntnisse der klassischen Sozialpsychologie mit den neueren Ansätzen. Dadurch gehen manchmal die klare Linie und das eigentliche Thema unter. Andererseits zeigt es, dass natürlich auch der Schwarmintelligenz viel davon enthält, was in der Wissenschaft schon unter anderen Namen auf der Agenda steht oder stand.

Ich habe in jedem Fall sehr viel über staatenbildende Insekten gelernt. Besonders beeindruckt hat mich der Tanz der Bienen, der Voraussetzung für die Entscheidung für einen bestimmten Nestbauplatz ist.

„Die Intelligenz des Schwarms“ bekommt von mir 7 von 10 Punkten. Das Buch ist in jedem Fall unterhaltsam und lehrreich. Wer allerdings erwartet, konkrete Handlungsanweisungen für Alltag und Beruf zu erhalten wird enttäuscht sein. Ich habe übrigens die Variante der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Darmstadt gelesen. Es handelt sich um eine Lizenzausgabe des Buches aus dem Campus Verlag.

Peter Miller, Die Intelligenz des Schwarms, 2010, WBG, 271 Seiten, 15,90 Euro (Das Original aus dem Campus Verlag kostet 19,90 Euro)

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Copygate und seine Folgen

Jetzt muss ich abschließend doch einmal zum Thema Copygate in die Tasten greifen. Zu Guttenberg hat nun getan, was unvermeidbar war. Er hat seinen Hut genommen. Die Ära als Verteidigungsminister ist beendet.

Natürlich kann er seine Schuld nicht eingestehen – dafür ist er zu sehr Politiker. Er war in den vergangenen Wochen schlecht beraten. Im Moment steht er wahnsinnig schlecht da – auch wenn ein Großteil der verbohrten Bevölkerung noch immer zu ihm hält. Was muss man – wenn man ganz genau darüber nachdenkt – von einer Gesellschaft halten, die ihm diesen Betrug durchgehen lassen will. Die deutsche Bevölkerung erwartet von Politiker und Staatslenkern offensichtlich nichts anderes als betrügerisches, verbrecherisches und unglaubwürdiges Verhalten. Das ist das Ende politischer Kultur. Es ist das Ende von Kultur, Gesellschaft und eigentlich allem, was eine Wertegemeinschaft, ein Gemeinwesen, einen Staat ausmacht. Eigentlich bin ich sprachlos – aber offensichtlich bin ich das nie wirklich.

Eigentlich ist nicht er schuld an den Ereignissen der vergangenen Wochen und Jahre. Es war die Mehrfachbelastung als Politiker, Familienmensch und Doktorand. Eigentlich war seine Doktorarbeit schuld. Die Familie war eines der Probleme. Und die Medien, die bösen. Die Medien sind schuld, endlich mal wieder. „Kümmert Euch doch um andere Themen, Ihr blöden Medien. Außenpolitisch ist so viel Musik drin. Lasst mich in Frieden sowie in Lug und Trug leben, Ihr blöden Medien“, hört man es rufen vom Schloss.

Leute, seid froh, dass es noch in Ansätzen so etwas wie Medien gibt, denen Kultur, Gesellschaft und Staat am Herzen liegen. Ihnen ist es zu verdanken, dass mafiöse und verbrecherische und korrupte Strukturen nicht noch mehr Raum greifen in diesem, unserem Land. Für Politikverdrossenheit und Desillusionierung sorgen Politiker schon selbst – die Medien haben hier nur teilweise ihren Anteil. Letzter Nebensatz bezieht sich auf die Bild-Zeitung und ähnliche Organe. Das muss ich leider so deutlich sagen.

Es gibt so viele Dinge in dieser Situation, die man sagen und/oder schreiben müsste. Ich will ein Thema herausheben. Angela Merkel ist so richtig froh, diesen für sie so arg gefährlichen Mann losgeworden zu sein. Sie steht jetzt noch nicht einmal als die da, die für zu Guttenbergs politische Pause gesorgt hat. damit hat sie eine reine Weste für die Zukunft gerettet. Es stimmt, dass der Ex-Verteidigungsminster ob seiner positiven Wirkung auf das Wahlvolk ein gewisses Grad an Wichtigkeit für die christlich orientierten Parteien gehabt hat. Die Bedeutung zu Guttenbergs für die anstehenden Wahlen wird jedoch deutlich überbewertet. Das politische Gedächtnis der gemeinen Bevölkerung ist extrem kurz. Sinnlose Wahlforschung – Entschuldigung, Ihr Statistiker da draußen, die Ihr zu meinem Bedauern Mittel der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten kassiert – hat zu dieser Überbewertung einen wichtigen Teil beigetragen. Merkel kann natürlich sehr gut damit leben, dass zu Guttenberg vorerst von der Bildfläche verschwunden ist. Jetzt ist die Bahn frei. Keiner kann ihr in der Union das Wasser reichen.

Zu Guttenberg-Anhänger mögen heute in Tränen ausbrechen. Ihnen rufe ich zu: Grämt Euch nicht, er wird wieder kommen. Wie gesagt, das politische Gedächtnis des Wahlpublikums ist zu nicht viel Vernünftigem zu gebrauchen. Wenn die Zeit Merkels vorbei ist, wird Karl-Theodor wieder aus der Box herausspringen. Mangels Alternativen. Nach den Ereignissen der vergangenen Stunden und Tage ist es kaum vorstellbar. Das kollektive Gedächtnis wird versagen. Das ist sicher.

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Das ZDF macht ernst

Noch im März soll die erste, natürlich kostenlose, ZDF-Applikation den App-Store und den Android-Market erreichen. Das hat heute ZDF-Intendant Markus Schächter bekanntgegeben. Den Anfang macht die Mediathek-App. In naher Zukunft, noch im Sommer 2011, sollen die Portale www.zdf.de, heute.de und die tivi-Mediathek an den Start gehen. An der App zu sport.zdf.de wird noch bis zum Frühjahr 2012 geschraubt.

Rundfunkrechtlich sei es unbedenklich, dass das ZDF eigene Applikationen anbietet, da sie im genehmigten Telemedienkonzept des ZDF enthalten seien, heißt es. Darin sei die technische Aufbereitung der Inhalte für PC und mobile Endgeräte besonders hervorgehoben. Natürlich müssten die Applikationen kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Es wird aber nicht versäumt zu erwähnen, dass die gewerbliche Tochter ZDF Enterprises natürlich auch kostenpflichtige Programme produzieren und verbreiten dürfe. Als Beispiel wird eine Applikation angeführt, die Rezepte aus der Sendung „Lanz kocht“ enthält. Solche Inhalte dürften laut Telemedienkonzept nicht mehr im Online-Angebot vom ZDF vorgehalten werden. Ergo: Alles, was online bei den Öffentlich-Rechtlichen okay ist, ist auch als kostenlose App okay. Und während andere Inhalte, die im Web nicht verfügbar gemacht werden dürfen, dort auch niemals verkauft werden könnten, weil dafür schlichtweg keiner bezahlen würde, kann nun auch hier in gelernten Kanälen Reibach gemacht werden.

Die Nachricht von der ersten ZDF-App (die ARD hat ja bereits mit der Tagesschau-App einen ersten Vorstoß in diese Richtung gemacht) kommt natürlich nicht überraschend. Allerdings versetzt das den privatwirtschaftlich betriebenen Medien doch wieder einen ordentlichen Dämpfer. Der schöne Paid Content kann schlecht an Mann und Frau gebracht werden, wenn es gleichwertige Inhalte per Gesetz verordnet in den neuen Kanälen kostenlos gibt. Von der Aufbruchstimmung durch iPad und Smartphone-Applikationen ist nicht mehr viel übrig. Ganz schwer hat die Medienbetreiber ja schon die rücksichtslose Haltung von Apple getroffen, Inhalte ausschließlich mit Vertriebseinnahmen-Beteiligung an die Nutzer zu bringen. Und jetzt formiert sich auch noch das öffentlich-rechtliche Fernsehen. Medienmacher haben es schwer, und entgegen der Hoffnung vieler, wird es wohl auch so bleiben.

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Gelesen 18: Porträtfotografie Style Guide

Porträtfotografie Styleguide
Porträtfotografie Style Guide

Das Fotografieren von Menschen – allein oder in ihrer Umwelt – ist die Königsklasse der Fotografie. In der Porträtfotografie geht es immer auch um die Beziehung von Fotograf und Model – um Kommunikation. Und das Foto ist schließlich das Ergebnis dieses Zusammenspiels. Wer als ambitionierter Fotograf Menschen nicht nur einfach ablichten möchte, sondern wirklich gute oder gar perfekte Porträts machen möchte, muss erfahrenen Fotografen (nicht unbedingt Profis) über die Schulter und auf die Displays schauen oder das eine oder andere Buch studieren.

Mit dem „Porträtfotografie Style Guide“ von Peter Travers und James Cheadle aus dem mitp Verlag ist jetzt ein Rezeptbuch erschienen, das verschiedene Porträtstile vorstellt und für insgesamt 60 Porträts beschreibt, wie sie entstanden sind, welche Bedingungen herrschten und welche Einstellungen an der Kamera vorgenommen wurden. 3D-Skizzen geben den Set-Aufbau wieder.

Das Buch ist in der Edition Profifoto erschienen. Das macht auch den Anspruch deutlich. Es können durchaus auch Profis noch etwas lernen – vor allem hinsichtlich des Themas Beleuchtung. Cheadle arbeitet gern mit Kunstlicht. Neben seinen Fotos sind u.a. auch Bilder von Bronia Stewart, Daniel Milnor, Ben Brain und Joe Giron vertreten – dann kommt auch mal die Freunde von Available Light zu ihrem Recht. Ambitionierte Hobby-Fotografen, die bereits über eine kleine Studioausrüstung (Blitzanlage, Leuchten und Hintergünde) verfügen oder bereit sind, sich in ein Studio einzumieten, finden in diesem Buch reichlich Inspiration. Eins-zu-eins kann man die Vorgaben dennoch nicht übernehmen, da die konkrete Einstellung von Blitzen und Leuchten nicht verraten wird. Das muss dann jeder individuell ausprobieren.

portraet23
Eine Doppelseite aus dem Buch Porträtfotografie Style Guide, Thema Fashion.

Die Fotos zeigen mehr oder weniger prominente Menschen. Es handelt sich in der Regel um konkrete Auftragsarbeiten. Obwohl die Texte sehr knapp gehalten sind, werden interessante Details zu den Bedingungen offen gelegt. Das bringt einem näher, wie es sich anfühlt, wenn man als Profi-Fotograf unterwegs ist. Cheadle vermittelt recht gut, wie er seine Erfahrung einsetzt und trotz aller widrigen Umstände zu einem perfekten Ergebnis kommt. Davon kann man auch als Hobby-Fotograf profitieren.

Den Abschluss des Buches bilden dann noch einige How-to-Kapitel, in denen es um Themen wie Belichtung, Schärfe, Messung, Studiobeleuchtung und auch die Auftragsvergabe geht. Einige Worte werden auch noch hinsichtlich der optimalen Ausrüstung verloren. Auch in den abschließenden Kapiteln sind die Texte kurz gehalten. Das führt dazu, dass es inhaltlich etwas oberflächlich bleibt.

Eine Doppelseite aus dem Buch Porträtfotografie Styleguide, Thema Fashion.
Eine Doppelseite aus dem Buch Porträtfotografie Style Guide, Thema Klassik.

„Porträtfotografie Style Guide“ von Peter Travers und James Cheadle bekommt von mir 8 von 10 möglichen Punkten. Manchmal wären etwas konkretere Informationen einfach doch noch besser für ein Rezeptbuch. Dennoch wird ein Füllhorn an Inspiration über den Leser des Buches ausgeschüttet. Anregungen zum Ausprobieren gibt es reichlich.

Peter Travers und James Cheadle, Porträtfotografie Style Guide – Rezepte für professionelle Porträt-Techniken, 2011, mitp, 176 Seiten, 34,95 Euro

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Vernetztes Spielen in der digitalen Welt

Wer Bücher lesen kann, kann auch Videospiele spielen. Wer Videospiele spielen kann, kann auch lesen.

Gestern Abend habe ich eine wunderbare neue Erfahrung gemacht (und es ist mir ein bisschen peinlich, dass es so lange gedauert hat). Ich bin mit der Playstation 3 in die Welt des Multiplayer-Online-Gaming eingetaucht. Klar hat man auch schon vor Urzeiten (in der digitalen Zeitrechnung) das eine oder andere Fernduell bestritten. Aber die Konsolen der neuesten Generation haben zusammen mit dem Breitband-Internet die Tür in eine neue Dimension aufgestoßen.

Ganz frisch in den Läden ist das Jump’n’Run-Spiel Little Big Planet 2 von Sony gelandet. Dieses Spiel ist großartig – und jeder vom Hardcore Gamer bis zum Videospiele-Rookie kann sich dort hinein finden.

Weil so schön ist, verbreite ich diesen wunderbaren Trailer, der viel über das Spiel verrät auch noch hier:

Was also ist gestern passiert? Ich habe mit zwei Kollegen ganz spontan ein kooperatives Multiplayer-Game gespielt. Wir haben uns zufällig in der digitalen getroffen. Dann sind wir zusammen durch die Gegend gehüpft und haben gemeinsam in Teamwork ohne jedwede Absprache einige Levels bewältigt. Ich habe öfter lauthals gelacht – und ich denke, dass ging den anderen beiden (sie haben zusammen an einer Konsole gesessen) ähnlich.

Es gibt Spiele, die die Kommunikation via Headset ermöglichen. Wir hatten nur einen Text-Chat zur Verfügung. Zu Anfang war der Wunsch sehr groß, miteinander zu kommunizieren. Im Spielverlauf hat sich das Team gefunden. Allenfalls an ganz kniffligen Punkten kam der Wunsch nach Kommunikation auf. In diesem Moment habe ich das Handy gezückt und den einen Kollegen um seine Handynummer gebeten. Allerdings war ein Anruf nicht nötig. Der Moment, in dem man feststellt, dass man sich versteht und aufeinander vertrauen, ist großartig und bringt einem auch im Leben viel. Da muss man nicht unbedingt in Hochseilgärten umherirren.

Videospiele sind etwas Großartiges. Natürlich haben sie auch ihre Schattenseiten. Das trifft aber auch auf andere Hobbys zu. Ich bin der Meinung, das der Film, vor allem der Unterhaltungsfilm, deutlich überbewertet ist. Die Storys in einem Großteil der Spiel sind mindestens so durchdacht, verschachtelt und innovativ wie in den meisten Spielfilmen. Drehbuchschreiber von Spielen haben aus meiner Sicht noch mehr auf dem Kasten, weil die Geschichten alternative Verläufe haben können. Vor 15 Jahren haben wir im Studium über die kommende Ära des interaktiven Fernsehens philosophiert. Daraus wird nichts. Diesen Platz haben sich die Videospiele erobert. Allen Skeptikern sei gesagt: Wer sich nicht mit dem Thema Videospiele aktiv auseinandersetzt, ist zumindest so rückständig wie jemand, der noch nie im Kino war oder ein Buch (Prosa) gelesen hat.

Es gibt also einiges zu tun, um da noch vor allem in der älteren Generation Bewusstsein zu bilden. Ich habe ein kleines Blog zum Thema Videospiele gestartet, dass sich auch an die Skeptiker richtet. Ein bisschen Videospiele-Kultur möchte ich dort vermitteln – und so das Image aufpolieren.

Und hier kommt noch der offizielle Trailer zu Little Big Planet 2. Viel Spaß dabei.

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