Vor einiger Zeit wurde das Webangebot vom Darmstädter Echo relauncht und an das Layout der Verlagsgruppe Rhein-Main angeglichen. Das alte Angebot war veraltet und sicher nicht optimal. Dass das neue Angebot aber nicht so recht funktioniert (trotz responsive design), zeigen die IVW-Zahlen recht eindrucksvoll. Im Vergleich zum September 2014 sanken die Page Impressions im vergangenen Monat um 42 Prozent. Bei den Visits wurden gar rund 47 Prozent eingebüßt. Ein Grund ist sicher, dass die Hürde für die freie Nutzung des Angebots (ohne Registrierung und Kosten) von zehn auf fünf Artikel reduziert wurde. Zudem wurde das Verfahren sicherer gemacht, um eine übermäßige Nutzung von einem Rechner aus zu verhindern. Man darf gespannt sein, welche Maßnahmen ergriffen werden, um den Reichweitenverlust auszugleichen.
Schlagwort: Medien
Journalismus der Zukunft: The Guardian liefert einen Ansatz
Der britische Guardian ist in Sachen Online-Journalismus ein Innovationstreiber – schon seit Jahren. Auf der Insel wird vorgemacht, wie es gehen kann. Ein herausragendes Beispiel für multimediales Storytelling ist ihm mit der Darstellung der Problematik rund um das Palmöl gelungen. Da bleibt beim Nutzer ordentlich was hängen. Es werden alle Register gezogen. Für alle Medienschaffenden und selbstverständlich alle anderen lohnt sich ein Blick auf diese Story.
Stoppt die Ökonomisierung von Kindern und Familien!
In diesen Wochen und Monaten ist viel Schwachsinn über Familienpolitik, vor allem in ihrer vermeintlich modernen Form, zu lesen und zu hören. Die Modernen meinen, dass Familienpolitik nur dann gut ist, wenn Eltern möglichst wenig Zeit mit ihren Kindern verbringen und dafür umso mehr Zeit haben, der Volkswirtschaft etwas Gutes zu tun. Wir hören davon, dass professionelle Kindererzieher besser für unsere Kinder sind als wir Eltern. Den schlechten Familienpolitikern wird an Stellen vorgeworfen, dass sie schlecht sind, an denen sie gerade noch gut sind und tatsächlich Politik für Familien machen. Dabei geht es um finanzielle Zuwendungen, die der Staat übrigens mehrfach verzinst wieder bekommt. Ohne Familien übrigens wäre unser Sozialsystem tot, Generationenverträge wären hinfällig.
Diese „modernen Familienpolitiker“ glauben, dass die Menschen den innigen Wunsch haben Kinder in die Welt zu setzen, um sich später nicht mehr um sie kümmern zu müssen. Tatsächlich gibt es solche Menschen. Hier werden Kinder zu Status Symbolen, Dingen, Gadgets. Hier handelt es sich zum Glück um die Minderheit. Uns soll aber vorgegaukelt werden, dass dies die Regel ist. Eine Menge Protagonisten sind hier am Start – ja, ich darf auch die Medien erwähnen. Es gibt „Eltern“-Magazine, die Tipps geben, welche Urlaubsorte sich eignen, um die Kinder den ganzen Tag nicht sehen und hören zu müssen. Die Journalisten und Medienmacher sagen uns, dass wir unbedingt Zeit ohne unsere Kinder verbringen sollten. Nur dann sind wir glücklich. Unfug.
Bei allen Diskussionen geht es in den seltensten Fällen um das Wohl der Kinder. Es geht immer nur um die Selbstverwirklichung der Erwachsenen. Und wirtschaftliche Interessen. Die Politik lässt sich von den Lobbyisten vorführen. Besonders schockierend ist das beispielhaft an den Sozialdemokraten zu beobachten. Welch ein Geschrei kommt aus ihrer Ecke. Gegen Betreuungsgeld, für die flächendeckende Betreuung von Kindern unter drei Jahren, am besten kostenlos für alle. Ganztagsschulen auch schon in der Primarstufe. Voller Durchgriff des Staates auf die Kinder. Sozialdemokratie wird hier zu Sozialismus. Ich hätte nie gedacht, dass ich diesen Satz einmal schreiben würde. Diese Geisteshaltung macht die Sozialdemokraten für jeden unwählbar, dem Freiheit und Demokratie am Herzen liegen. Allerdings ist nicht ganz klar: Ist die Sozialdemokratie der verlängerte Arm der Wirtschaft oder ist das Ziel Sozialismus, also das Einbläuen von Staatsräson in die noch jungen Kinderköpfe. Beides ist eine Katastrophe für Menschen, die aus Überzeugung sozialdemokratisch denken und handeln wollen.
Ich pfeife auf die „moderne Familienpolitik“ dieser Machart. Interessant ist auch die Beobachtung, dass „moderne Familienpolitik“ immer mit „moderner Frauenpolitik“ in einem Zuge genannt wird. Es ist aber auch Zeit für moderne Männerpolitik. Und das heißt, dass unsere verbohrte Gesellschaft endlich akzeptieren sollte, dass Männer eine Chance bekommen müssen, ihre Vaterrolle so leben zu können, wie diese es möchten. Wenn Männer mehr Väter sein dürften, dann könnten Mütter auch wieder mehr Frauen sein. Damit wäre allen gedient. In erster Linie den Kindern und dann auch Frauen und Männern. Schlimm ist, dass vor allem Männern dieser Gedanke so gut wie gar nicht in den Sinn kommt. Sie meinen immer, sich für Frauen stark machen zu müssen. Die Männer müssen noch viel lernen. In Wirklichkeit haben viele von den Mächtigen in Politik und Wirtschaft Angst, sich mit ihrer Männerrolle und vor allem Vaterrolle auseinanderzusetzen. Hier warten die Herausforderungen des Lebens. Im Beruf kann man sich schön verstecken und die Arbeit den Frauen oder noch schlimmer dem Staat überlassen, sich um die Kinder und deren Wohl zu kümmern.
Also Männer, kommt aus euren Bequemlichkeitsnischen. Setzt euch für das Wohl von Kindern und Familien ein. Ihr dürft dabei sogar an euch selber denken.
PS: An alle Kritiker dieser Zeilen: Ja, ich habe das Für und Wider für alle Aspekte, über die ich hier meine Meinung äußere, bedacht. Ja, es gibt Kinder, für deren Wohl es besser ist, nicht zu viel Zeit mit den eigenen Eltern zu verbringen. Zum Glück ist das aber noch nicht die Regel. Diesen Kindern sollen und müssen andere Möglichkeiten geboten werden. Übrigens ist das umso einfacher und zielorientierter möglich, je stärker präventive Familienbildung gefördert wird. Hierzu hört man von den selbsternannten „modernen Familienpolitikern“ nichts. Warum? Weil sie gar nicht wissen, dass es so etwas gibt. Dann wissen sie leider auch nicht, dass diese Arbeit furchtbar schlecht finanziell ausgestattet ist. Der Familienbildung fehlt leider die Lobby, auch hier gibt es noch reichlich zu tun.
Website dilettantisch
Wie lange werden regional verwurzelte Medienhäuser noch mit ihren dilettantischen Websites bestehen können?
FR – oder ein Niedergang in Raten
Selbstverständlich muss ich ein paar Zeilen zu der Pleite der Frankfurter Rundschau schreiben. Irgendwie hat man es ja vermutet bzw. gewusst, dass es schlecht um das Traditionsblatt bestellt ist. Negativer Höhepunkt war zuletzt die Zusammenlegung der Mantelredaktionen von Berliner Zeitung und FR in Berlin. Damit hat man die überregionale Kompetenz und Linie gänzlich an den Nagel gehängt. Und als Lokalblatt taugt die FR offensichtlich dann doch nicht.
Dabei gibt es ja richtige Ansätze. Die iPad-Ausgabe ist sehr ordentlich, bis auf die Bildunterschriften der Bilder des Tages, die offensichtlich vom Redaktionspraktikanten geschrieben werden. Eine Umstellung, bei gleichbedeutenden Kosten für die Redaktion auf eine iPad-Edition, ist eben nicht möglich. Schließlich können die 100.000 Abonnenten der Printausgabe nicht einfach auf Digital umgestellt werden, da es da doch ein kleines Zugangsproblem gibt. Sogar mein achtjähriger Sohn sagte zuletzt, nachdem er den Sportteil des Darmstädter Echo angeschaut hat, dass Papier ganz gut sei, da ja nicht jeder ein iPad hat.
In der Erklärung des Frankfurter Verlags heißt es, dass vor allem die sinkenden Anzeigenerlöse und die zu schlechte Auftragslage in der eigenen Druckerei die Hauptschuld an der angespannten finanziellen Situation tragen. Der Betrieb von Druckmaschinen wird in spätestens fünf Jahren ganz sicher bei keinem Zeitungsverlag mehreine Rolle spielen. Auch der physische Vertrieb von Zeitungsstapeln wird sich in den kommenden Jahren drastisch reduzieren. Das könnte die Verlage eigentlich freuen, denn auch die Logistik ist ein nicht unerheblicher Kostenfaktor.
Tragisch ist nur, dass diese Reduktion mit dem Schwund der Leserschaft und vor allem der so wichtigen Abonnenten zusammenhängen wird. Die Verlage haben die Entwicklung der vergangenen Jahre weitgehend verschlafen. Lamentieren statt Agieren oder eben blinder Aktionismus mit den entsprechenden Fehlentwicklungen waren und sind weitgehend zu beobachten. Zu Letzterem gehört das Ausdünnen und Auslagern der Redaktionen und der damit einhergehende Qualitätsverlust der Blätter.
Heute haben sich die Nachrichten aus der Medienlandschaft geballt. Der Jahreszeitenverlag hat angekündigt, die Print-Ausgabe des Prinz einzustellen. Im Prinzip bleibt nur die Online-Plattform erhalten. Auch das renommierte Stadtmagazin Meier aus Mannheim erscheint im Dezember zum letzten Mal. Kürzlich musste die Nachrichtenagentur dapd Insolvenz anmelden. Und bei meinem Ausbildungsverlag, dem Medienhaus Südhessen in Darmstadt mit dem Darmstädter Echo, sind auch drastische Einschnitte geplant. Gerade musste Chefredakteur Jörg Riebartsch das Haus verlassen.
Welche Möglichkeiten hat eine Tageszeitung heute noch? Wie lange werden sich vor allem die regionalen Gazetten noch halten? Welche Wandlung steht bevor? Wie ist Journalismus im Lokalen möglich? In den kommenden Jahren werden wir einige Antworten auf diese Fragen sehen. Leider werden sie in den wenigsten Fällen von einer vorausschauenden Strategie getragen sein. Das lässt die jüngere Vergangenheit befürchten.
Einige Ansätze: Die Tageszeitung muss Relevanz haben, sonst wird sie nicht gelesen – das ist das A und O. Ich glaube eine lokale Tageszeitung kann heute gar nicht mehr täglich Relevanz haben, zumindest keine, die irgendwie finanzierbar wäre. Selbstverständlich müssen die digitalen Vertriebswege gestärkt werden. Selbstverständlich muss es aber auch eine Übergangsphase geben, bis wir davon ausgehen können, dass Inhalte ausschließlich über technische Endgeräte konsumiert werden können. Drei gedruckte Ausgaben pro Woche reichen – Dienstag, Donnerstag, Samstag. Die Zeitungen müssen weg vom Terminjournalismus und dem Berichten über Ereignisse. Die Menschen wollen und müssen vorher wissen, wenn etwas ansteht. Nach Ereignissen braucht es Hintergründe, Analysen und Einordnung. Die Berichterstattung selbst muss online, am besten live erfolgen. Am Wochenende darf es dann etwas unterhaltender sein. Die einzelnen Ausgaben müssen inhaltliche Schwerpunkte aufweisen, noch besser wäre es, wenn man den Lesern bieten könnte, was sie wollen. Ich habe hier schon einmal von der Auflösung der Zeitungsbücher geschrieben. So etwas halte ich noch immer für sinnvoll.
Redakteure müssen sich und ihre Aufgaben neu definieren. Sie werden gebraucht als Spezialisten, die erklären und einordnen kann. Das geht nur mit viel Leidenschaft un Know-how. Diese Eigenschaften bringen zahlreiche Blogger mit. Überhaupt hat man weitgehend das gefühl, dass diese ihre Berufung häufig mehr leiben, als der gemeine Journalist seinen einigermaßen festen Job. Der Redakteur braucht Zeit für seine Top-Storys – noch ein Argument gegen den Terminwahn. Draußen sollen sich Reporter bewegen. Diese brauchen auch keinen festen Arbeitsplatz. Sie sollen unterwegs sein bei den Menschen, Präsenz zeigen. Wenn die Leser spüren, dass das lokale Medium bei ihnen und für sie da ist, dann klappt das auch mit der Relevanz. Und wenn die Relevanz da ist, dann haben auch die Werbetreibenden noch den einen oder anderen Cent für die Zeitung übrig.
Es gibt also viel zu tun. Ich bis sehr gespannt. Es braucht ein neues Denken, mehr Innovation. Der Wandel jedoch ist nicht zu stoppen. Allerdings geht es heute mehr denn je ums Agieren und nicht ums Reagieren.
Und wieder versagen die Medien
Ein Kreuzfahrtschiff musste auf Grund laufen, mindestens elf Menschen mussten sterben und in Kapitän Schettino musste ein neuer Sündenbock für alle Probleme der Welt gefunden werden – bis die Medien die Causa Wulff aus den Augen verloren haben.
Dieses Beispiel zeigt mal wieder, dass das Mediensystem und damit die Gesellschaft ein zutiefst internales, immanentes Problem hat. Die Sache entgleitet im Tsunami der Emotionen all zu leicht. Wenn sich ein neues Thema aufbaut, das die Gefühle hochkochen lässt, ist ein anderes vermeintlich weltbewegendes Thema schnell beim Agenda Setting auf einen der hinteren Plätze verbannt. Und dann sind die Medien schnell in der Gefahr, sich lächerlich zu machen. So wurde heute in den Radionachrichten berichtet, das berichtet wurde, Frau Wulff hätte ein Auto zu Sonderkonditionen geleast. Selbst wenn es so wäre. Ein solches Nachtreten ist peinlich und schadet dem Image der Medien und der Journalisten.
Das Thema Wulff sollten sie als Ganzes zur Seite legen. Der Rücktritt würde auch nichts bringen. Er hat sich und dem Amt, das er bekleidet, schwer geschadet. Das weiß heute fast jeder – und morgen? So hat jeder seine persönliche Entscheidung zu treffen. Und manche haben eben ein besseres Gedächtnis als andere. Und das weiß auch Wulff.
Eine Mediengeschichte zum Jahresstart
Die Causa Wulff ist von Beginn an auch eine Mediengeschichte gewesen. Nicht in dem Sinne, wie es einige Politiker dargestellt haben. Die Medien sind nicht Schuld am Verhalten des Bundespräsidenten. Den Schuh muss einzig und allein er sich anziehen. Mittlerweile ist wohl klar, dass seine Tage gezählt sind. Wenn selbst die Freunde nicht mehr zu einem halten, dann ist wohl alles vorbei.
Wie so oft bei den ganz großen Scoops spielt die Bild-Zeitung eine ganz wichtige Rolle (es ist übrigens ganz lustig wie der Spiegel darstellt, dass seine investigativen Kräfte auch an der Geschichte mit dem Privatkredit dran gewesen sind). Ein Geschenk des Himmels war es dann am Ende noch, dass Wulff – nicht mehr ganz Herr seiner Emotionen – einen Wutanruf auf der Mobilbox von Bild-Chefredakteur Kai Diekmann hinterlassen hat.
Aber nochmal der Reihe nach. Am 13. Dezember hat sich die Welle in Bewegung gesetzt. Zu Anfang gab es noch reichlich Rückendeckung für den Bundespräsidenten. Nicht nur bei den Politikern. Auch in der Bevölkerung war alles noch ganz in Ordnung. Die Salamitaktik, das Rausschmeißen seines Sprechers und die unvollständige Transparenz haben die Skepsis und die Kritik angefeuert. Dass der letzte Kreditvertrag zu Normal-Mensch-Konditionen dann doch erst kurz vor Weihnachten unterzeichnet wurde, hat das Fass bis an den Rand der vollständigen Füllung gebracht. Sowohl die klassischen Medien als auch die Netzgemeinde waren zu diesem Zeitpunkt eher klar und sachlich. Für viele steht sowieso schon lange fest, das Christian Wulff nicht in seinem Amt bleiben kann. Das wurde auch unverblümt so dargestellt. Doch blieb die Häme weitgehend außen vor.
Doch dann kam es zur Instrumentalisierung von der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung und der Süddeutschen Zeitung durch die Bild-Zeitung. Am Wochenende wurde also bekannt, dass Wulff Diekmann angerufen hat, um ihm Drohungen auf das digitale Band zu diktieren. Seine Meinung zur Pressefreiheit hat Wulff implizit damit auch kundgetan. Das war eine nachhaltige Dummheit. Die Bild-Zeitung hat die Geschichte ausnahmsweise nicht selbst gebracht, sondern so genannte Qualitätsmedien mit der Information versorgt. Ein Geniestreich von Diekmann.
Spätestens jetzt war auch die Netzgemeinde in höchstem Maße aktiviert. Neben sachlicher Auseinandersetzung mit dem Thema kam nun noch ein riesiger Schwall Häme hinzu (dafür steht beispielhaft das hashtag #wulffilme auf Twitter). Das macht deutlich, dass das Amt beschädigt ist, der Respekt ist dahin – und es darf bezweifelt werden, das Christian Wulff der Mann ist, der diesen Respekt als Person und Amtsträger wieder herstellen kann.
Copygate und seine Folgen
Jetzt muss ich abschließend doch einmal zum Thema Copygate in die Tasten greifen. Zu Guttenberg hat nun getan, was unvermeidbar war. Er hat seinen Hut genommen. Die Ära als Verteidigungsminister ist beendet.
Natürlich kann er seine Schuld nicht eingestehen – dafür ist er zu sehr Politiker. Er war in den vergangenen Wochen schlecht beraten. Im Moment steht er wahnsinnig schlecht da – auch wenn ein Großteil der verbohrten Bevölkerung noch immer zu ihm hält. Was muss man – wenn man ganz genau darüber nachdenkt – von einer Gesellschaft halten, die ihm diesen Betrug durchgehen lassen will. Die deutsche Bevölkerung erwartet von Politiker und Staatslenkern offensichtlich nichts anderes als betrügerisches, verbrecherisches und unglaubwürdiges Verhalten. Das ist das Ende politischer Kultur. Es ist das Ende von Kultur, Gesellschaft und eigentlich allem, was eine Wertegemeinschaft, ein Gemeinwesen, einen Staat ausmacht. Eigentlich bin ich sprachlos – aber offensichtlich bin ich das nie wirklich.
Eigentlich ist nicht er schuld an den Ereignissen der vergangenen Wochen und Jahre. Es war die Mehrfachbelastung als Politiker, Familienmensch und Doktorand. Eigentlich war seine Doktorarbeit schuld. Die Familie war eines der Probleme. Und die Medien, die bösen. Die Medien sind schuld, endlich mal wieder. „Kümmert Euch doch um andere Themen, Ihr blöden Medien. Außenpolitisch ist so viel Musik drin. Lasst mich in Frieden sowie in Lug und Trug leben, Ihr blöden Medien“, hört man es rufen vom Schloss.
Leute, seid froh, dass es noch in Ansätzen so etwas wie Medien gibt, denen Kultur, Gesellschaft und Staat am Herzen liegen. Ihnen ist es zu verdanken, dass mafiöse und verbrecherische und korrupte Strukturen nicht noch mehr Raum greifen in diesem, unserem Land. Für Politikverdrossenheit und Desillusionierung sorgen Politiker schon selbst – die Medien haben hier nur teilweise ihren Anteil. Letzter Nebensatz bezieht sich auf die Bild-Zeitung und ähnliche Organe. Das muss ich leider so deutlich sagen.
Es gibt so viele Dinge in dieser Situation, die man sagen und/oder schreiben müsste. Ich will ein Thema herausheben. Angela Merkel ist so richtig froh, diesen für sie so arg gefährlichen Mann losgeworden zu sein. Sie steht jetzt noch nicht einmal als die da, die für zu Guttenbergs politische Pause gesorgt hat. damit hat sie eine reine Weste für die Zukunft gerettet. Es stimmt, dass der Ex-Verteidigungsminster ob seiner positiven Wirkung auf das Wahlvolk ein gewisses Grad an Wichtigkeit für die christlich orientierten Parteien gehabt hat. Die Bedeutung zu Guttenbergs für die anstehenden Wahlen wird jedoch deutlich überbewertet. Das politische Gedächtnis der gemeinen Bevölkerung ist extrem kurz. Sinnlose Wahlforschung – Entschuldigung, Ihr Statistiker da draußen, die Ihr zu meinem Bedauern Mittel der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten kassiert – hat zu dieser Überbewertung einen wichtigen Teil beigetragen. Merkel kann natürlich sehr gut damit leben, dass zu Guttenberg vorerst von der Bildfläche verschwunden ist. Jetzt ist die Bahn frei. Keiner kann ihr in der Union das Wasser reichen.
Zu Guttenberg-Anhänger mögen heute in Tränen ausbrechen. Ihnen rufe ich zu: Grämt Euch nicht, er wird wieder kommen. Wie gesagt, das politische Gedächtnis des Wahlpublikums ist zu nicht viel Vernünftigem zu gebrauchen. Wenn die Zeit Merkels vorbei ist, wird Karl-Theodor wieder aus der Box herausspringen. Mangels Alternativen. Nach den Ereignissen der vergangenen Stunden und Tage ist es kaum vorstellbar. Das kollektive Gedächtnis wird versagen. Das ist sicher.
Sorgen um Nido
Nido, das Familienmagazin aus dem Hause Gruner+Jahr, macht mir Sorgen. Also, eigentlich keine echten Sorgen. Aber es ist noch ein vergleichsweise junges Pflänzchen, das an die Magazine Stern und Neon angedockt ist. Eigentlich braucht es noch Zeit. Die Frage ist nur, wie viel Zeit es noch hat.
Inhaltlich bietet es die Spannung zwischen Zustimmung und totaler Ablehnung. Das ist ein Grund, warum ich es ganz gern in Händen halte. Manchmal reibe ich mich an den Inhalten (bis zu einer bestimmten Grenze) und manchmal will man lesen, dass andere der gleichen Meinung sind wie man selbst.
In der aktuellen Ausgabe habe ich mit Erschrecken festgestellt, dass das Anzeigenaufkommen erschütternd ist. 17 ganzseitige und zwei halbseitige Anzeigen verlieren sich auf 140 Seiten Gesamtumfang. Nur zwei von den ganzseitigen und die beiden halbseitigen Anzeigen dürften richtig bezahlt worden sein. Vier Seiten haben Vereine bzw. die öffentliche Hand gebucht. Auf elf Seiten finden sich Eígenanzeigen. Im Mai 2010 wurde das Magazin auf eine monatliche Erscheinungsweise umgestellt. Die Druckauflage liegt bei 150000.
Ich bezweifle ja, dass sich das Ganze rechnet. Möglicherweise trägt die Eigenwerbung vor allem für die anderen Titel von Gruner+Jahr von Brigitte über Schöner Wohnen bis hin zu Art zur Abonnentengewinnung dieser Zeitschriften bei. Wenn meine Vermutung richtig ist, frage ich mich, wie man auf Dauer die Finanzierung hin bekommen will. Eigentlich würde ich mich gern noch etwas länger an den Inhalten reiben, und das Pflänzchen länger wachsen sehen.
Alle Kanäle und vieles anders
Mich wie viele andere der Szene umtreibt die Frage, wie der Journalismus der Zukunft aussieht. Welche herkömmlichen Medien werden die Zeiten überstehen, für wen ist kein Platz mehr? Wie ändert sich die Art der Rezeption? Was wollen die Medienkonsumenten der Zukunft? Wie heißen die Meinungsführer von morgen? Welche Möglichkeiten der Refinanzierung von Informations- und Lebenshilfeangeboten wird es geben. Ist herkömmlicher Journalismus überhaupt finanzierbar? Was ist Journalismus überhaupt? Und, und, und…
Der Prognosen gibt es viele, immer wieder muss man aber auch den Status Quo in Frage stellen und seine einmal erstellte Prognose hinterfragen. Clive Thompson hat mit seinem Beitrag in der aktuellen Wired meine Gehirnzellen angeregt. Er versucht mit dem Vorurteil aufzuräumen, das Twitter-Nachrichten und Status-Updates dafür gesorgt haben, dass die neuen Leser weder dazu bereit noch in der Lage sind, sich mit tiefgehenden und ausführlichen Texten und Analysen auseinanderzusetzen.
Er zeigt, wie sich das Microblogging auf das herkömmliche Bloggen auswirkt. Früher war es wichtig, dass der Blogger am besten mehrmals täglich eher kürzere Beiträge gepostet hat. Durchaus mit analytischem, aber nicht gerade sehr tief greifendem Ansatz. Heute sei es üblich, tiefer gehende und ausrecherchierte Beiträge zu bloggen. Die Aktualität und Frequenz spiele dabei nicht die ganz große Rolle. Für die USA sieht er diesen Prozess schon recht weit fortgeschritten. Er zitiert einen anerkannten Blogger, der ganz klar sagt, das die schnelle Nachricht/Information über Twitter raus geht. Blogbeiträge entstehen nur dann, wenn er wirklich etwas zu sagen hat. Und das muss keinesfalls täglich der Fall sein.
Ich teile diese Einschätzung. Die Nutzung aller Kanäle sind der Königsweg, heute zumindest. Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Tweet von Thomas Knüwer vom 5. Januar 2010 („5 neue Volontäre an einer Journalistenschule – keiner hat ein Blog, keiner ist bei Twitter. Viel Glück – Ihr werdet es verdammt nötig haben“).
Clive Thompson bringt natürlich auch das Thema Long Tail auf den Tisch. Die Nachhaltigkeit von im Internet publizierten Beiträgen ist durchaus vorhanden. Selbst ich merke mit meinen noch bescheidenen Blog-Projekten, dass bestimmte Themen ein lange Karriere haben und immer wieder alte Beiträge über Google aufgerufen werden.
Aus seiner Sicht wären die Verlierer dieser Entwicklung die Wochenmagazine wie Time und Newsweek (und natürlich die Entsprechungen auf anderen Märkten), die versuchen in kürzester Zeit mit mitteltiefgehenden Analysen auf aktuelle Ereignisse zu reagieren. Andere – ich meine vor allem hiesige – Stimmen sagen, dass gerade diese Medien vor allem im Vergleich zur Tageszeitung eine „rosige“ Zukunft vor sich haben. Das dachte ich bislang auch. Allerdings sind die Aussagen von Thompson wirklich stichhaltig. Abschließende Analysen sind aus dessen Sicht nicht mehr nur den Buchschreibern vorbehalten. Auch im Netz ist Tiefgang möglich – auch das sehe ich genau so.