Wahlkampf am Vatertag

Der Wahlkampf auf Facebook zwischen den beiden mutmaßlich aussichtsreichsten Bürgermeisterkandidaten für Bickenbach hat recht flott Fahrt aufgenommen.

Keine Frage, als Bickenbacher hat Markus Hennemann (SPD) sehr gute Aussichten, den Kampf ums Rathaus für sich zu entscheiden. Der Heimvorteil kommt ihm auch auf Facebook zugute.

Noch hat René Kirch, der Kandidat der CDU mehr Fans auf Facebook (270 vs. 195 von Markus Hennemann). Allerdings hat er sicher nicht die meisten Fans aus Bickenbach – und zudem ist seine Seite schon länger am Netz. Aber auf die Bickenbacher kommt es schließlich an, wenn am 24. September der Nachfolger von Günter Martini (CDU) gewählt wird.

Kirch gibt sich zusammen mit seinen Unterstützern und Parteifreunden der CDU in Bickenbach große Mühe, sich bekannt zu machen und die Kommune besser kennen zu lernen. Das dokumentiert er auch ausführlich auf Facebook. Spaziergang durch die Kommune, Fotoshooting an Bickenbacher Orten, Besuch des Repaircafés, Lob der Arbeit der Feuerwehr. Ein bunter Strauß an Themen, die zeigen, dass Kirch sich intensiv mit „seiner“ Kommune auseinandersetzt. Das ganze wirkt aber noch nicht sehr befreit. Aber es ist ja noch Zeit, um dieser Beziehung mehr Wärme und Echtheit zu verleihen.

Markus Hennemann hingegen wirkt derzeit etwas authentischer – klar, er ist Bickenbacher und mit den neuralgischen Punkten und Fragen, die Bickenbach und die Bickenbacher beschäftigen, bestens vertraut. Er hat dem Bahnhof einen Besuch abgestattet und einige Worte zum Umbau der Bahnsteige verloren. Er spricht über die Aufwertung der Pfungstädter Straße durch die Eisdiele „Da Massimo“ und die Bäckerei Liebig (übrigens zwei Pfungstadt-Exporte) und setzt eine Bildergalerie in Facebook, die ihn Eis essend im Kreise seiner SPD-Freunde zeigt.

An Christi Himmelfahrt, vulgo Vatertag, haben beide Kandidaten die Gelegenheit genutzt, sich als Vater und Familienmensch zu präsentieren. Gemeinsame Aktivitäten bzw. das Verbringen von Zeit mit der Familie/den Kindern stand hier im Fokus. Das wirkt auf mich insgesamt ganz sympathisch. Klar, ich arbeite mit Vätern, bin selber Vater und habe klare Vorstellungen davon, was Vatersein bedeuten sollte.

Interessant sind die unterschiedlichen Herangehensweisen. Während Hennemann (2 Kinder) sich zusammen mit Frau und Kindern gut erkennbar zeigt – gibt es bei Kirch (4 Kinder) die Kinder nur von hinten zu sehen. Ob sich das die ganze Zeit so durchhalten lässt?

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Blick in die Medienwelt: Entwicklung von echo-online.de

Vor einiger Zeit wurde das Webangebot vom Darmstädter Echo relauncht und an das Layout der Verlagsgruppe Rhein-Main angeglichen. Das alte Angebot war veraltet und sicher nicht optimal. Dass das neue Angebot aber nicht so recht funktioniert (trotz responsive design), zeigen die IVW-Zahlen recht eindrucksvoll. Im Vergleich zum September 2014 sanken die Page Impressions im vergangenen Monat um 42 Prozent. Bei den Visits wurden gar rund 47 Prozent eingebüßt. Ein Grund ist sicher, dass die Hürde für die freie Nutzung des Angebots (ohne Registrierung und Kosten) von zehn auf fünf Artikel reduziert wurde. Zudem wurde das Verfahren sicherer gemacht, um eine übermäßige Nutzung von einem Rechner aus zu verhindern. Man darf gespannt sein, welche Maßnahmen ergriffen werden, um den Reichweitenverlust auszugleichen.

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Wenn die Schulturnhalle zur Aufnahmestelle für Flüchtlinge wird

Mit diesem Beitrag kehre ich mal wieder auf meine Scholle zurück.

Unser großer Sohn besucht Klasse 6 der kooperativen Gesamtschule Schuldorf Bergstraße in Seeheim-Jugenheim. Am Freitag sickerte langsam, aber in der Rezeption umso heftiger ausfallend, durch, dass zwei von drei Schulsporthallen ab sofort nicht mehr für den Schulbetrieb genutzt werden können, weil sie als Notunterkünfte für die Erstaufnahme von Flüchtlingen („Überlaufeinrichtung“) genutzt werden müssen. So hat es der Landkreis Darmstadt-Dieburg verfügt.

Die Erstinformation erfolgte über die Schulleiterin. Ab sofort, so heißt es in dem Schreiben, werden sich die Klassen 1 bis 9 (es ist am Schuldorf auch eine Grundschule vorhanden) zum Sportunterricht am Klassenraum mit ihrer Sportlehrkraft treffen, um dann die Entscheidung entgegenzunehmen, wie der Schulsport an diesem Tag stattfindet. Auch die Oberstufenschülerinnen und -schüler treffen sich zunächst, um über das weitere Vorgehen an dem entsprechenden Tag zu entscheiden. Viele der Sport-AGs, die an der Schule mit einem Sportschwerpunkt angeboten werden, entfallen ab sofort ersatzlos. Die Turnhallen werden mit einem Bauzaun von der Umwelt abgeschottet. Ein Sicherheitsdienst werde engagiert, um das Gelände zu sichern.

Das sind die Fakten, die die Schulgemeinde erreicht hat. Der zugehörige Beitrag in der regionalen Tageszeitung Darmstädter Echo (auch online verfügbar) liest sich da ein wenig anders. Dort wird der Landrat zitiert, dass vorerst zwei andere auserwählte Sporthallen im Landkreis belegt werden. Bei Bedarf werden dann auch die Hallen im Schuldorf Bergstraße vorbereitet und belegt. Die beiden Hallen werden bis auf Weiteres vom Schulsport nutzbar sein, heißt es dort.

Wieder einmal stellt sich die Frage, wie es zu solch unterschiedlichen Aussagen kommen kann. Ganz anschaulich zeigt sich hier die Überforderung von Politik und Verwaltung. Die Schulleitung hat mit Sicherheit nur das weitergegeben, was ihr aufgetragen wurde. Nun ist die Frage, ob der Landrat zu einem späteren Zeitpunkt die Presse mit bewusst anderen Informationen versorgt hat, oder ob sich innerhalb von Stunden oder Tagen die Planung tatsächlich geändert hat. In beiden Fällen ist Kritik angebracht. Gelungene Informationspolitik sieht anders aus.

Selbstverständlich handelt es sich hier nämlich um ein extrem sensibles Thema, das mehr als kontrovers diskutiert wird. Das zeigt sich in den noch spärlichen Kommentaren unter dem Beitrag auf echo-online.de, aber noch deutlicher ist es auf Facebook (was zu erwarten ist).

Um noch einige konstruktiv-kritische Anmerkungen hinzuzufügen: Auch der Beitrag in der Zeitung hat mit Qualitätsjournalismus nur wenig zu tun. Nur ein Bürgermeister wurde gehört, obwohl zwei Kommunen betroffen sind. Die Schulleitungen hätten zu Wort kommen sollen – und vielleicht auch Schüler- und Elternvertreter. Mir diesem ungaren Artikel sorgt auch das Darmstädter Echo nur für unvollständige Informationen, wobei gerade hier besonders genau berichtet werden sollte, um Gerüchten nicht noch weitere Nahrung zu geben.

Das Thema wird den Landkreis weiter beschäftigen, die Stimmung spannt sich an – wie an vielen anderen Stellen des Landes auch, an denen bereits ähnliche Entwicklungen vollzogen wurden. Mein Appell: Politik und Medien, nehmt die Menschen mit. Sorgt für eine optimale Kommunikationsstrategie. Die Kommentar-Threads auf Facebook sollten nicht die einzige Informationsquelle der Menschen vor Ort sein.

Update vom 13. Oktober 2015: Das Darmstädter Echo hat die Geschichte ein wenig weitergedreht, hat den Fokus aber stark auf die betroffenen Sportvereine gelenkt. Ein bisschen Stellungnahme einer Schulleitung dazu – und schon soll ein vernünftiger journalistischer Text fertig sein. Aus meiner Sicht fehlen immer noch Stimmen der Elternvertretungen, der Schüler.

Und wenn wirklich stimmt, was in dem Text steht, habe ich noch einen Tipp: Sportverbände, Ihr solltet jetzt auch langsam auf den Trichter kommen, dass Ihr Regeln für den Fall braucht, dass Wettkämpfe wegen der Flüchltingsunterbringung in Sporthallen nicht stattfinden können. Es kann wohl kaum sein, dass Sportvereine dafür bestraft werden, wenn Sie einen Wettkampf aufgrund der besonderen Situation nicht ausrichten können.

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Elton John vs. D&G: Was bleibt nach der Schlammschlacht?

Manchmal werden die aufregendsten Geschichten in der Fashion-Branche neben dem Laufsteg geschrieben. In dieser Woche ist ein Streit zwischen Elton John und Domenico Dolce – von Dolce&Gabbana – hochgekocht. Dabei geht es im ersten Moment gar nicht um Mode. Dolce hat sich in einem Zeitschrifteninterview gegen künstliche Befruchtung, Leihmutterschaft und “synthetische Babys” ausgesprochen. Der britische Barde fühlte sich dadurch persönlich und auch allgemein gekränkt und rief sofort zum Boykott von Mode aus dem Hause des italienischen Designer-Duos auf.

Selbstverständlich hat er auch umgehend prominente Mitstreiter gefunden. Ricky Martn, Courtney Love und Victoria Beckham sind nur einige von ihnen. Dolce, ebenso homosexuell wie Gabbana und John, hat die “klassische” Familienkonstellation – Vater, Mutter, Kinder – als eine Art Normalzustand bezeichnet und verfügt damit nun eher über ein konservatives Familienbild – und das passt nun gar nicht in das libertäre Menschenbild moderner Zeitgenossen. Er stamme aus einer traditionellen Familie – und das sei auch gut so, hat Dolce in etwa dazu gesagt. Er hat also seine Meinung und Einstellung kund getan.

Dolce und Gabbana sind geschäftlich ein Paar und waren es vor geraumer Zeit auch privat. Diese Verbindung ist kinderlos geblieben. Elton John und sein Lebensgefährte David Furnish haben zwei Söhne, die mittels künstlicher Befruchtung und Leihmutterschafft zur Welt gekommen sind. John warf Dolce und Gabbana in einem ersten Einwurf via Instagram vor, die beiden seien in ihren Einsichten so von gestern wie ihre Mode. D&G sei für ihn auf ewig tabu – und so sollten es doch bitte auch alle anderen handhaben (#boycottdolcegabbana). In den sozialen Netzwerken hat sich umgehend eine Kampagne gegen D&G aufgebaut, angeführt von Elton John und seinen prominenten Mitstreitern.

Die eine Seite des Kampfes auf Instagram.
Die eine Seite des Kampfes auf Instagram.

Der Empörung in der Promi-Gemeinde stellt sich nun die Gruppe derer entgegen, die Dolces Aussagen unterstützen oder zumindest gewisse Sympathien dafür hegen. Auf citizengo.org läuft eine Online-Petition unter dem Namen “Du wirst geboren und hast eine Mutter und einen Vater”, die bereits über 125.000 Unterstützer gefunden hat. Darin heißt es unter anderem: “Es ist jetzt von höchster Wichtigkeit, dass Personen des öffentlichen Lebens wie Domenico Dolce und Stefano Gabbana unsere Unterstützung und Solidarität für die Familie spüren und sich nicht von jenen alleingelassen und entmutigt fühlen, die ähnliche Werte teilen.”

Aber die Designer selbst wollen den Boykott-Aufruf so auch nicht stehen lassen und sind in die Schlammschlacht eingestiegen. Auch sie kreierten ein Hashtag mit #boycotteltonjohn. Und so findet der Streit mit zahlreichen Unterstützern nun in den sozialen Netzwerken statt. Noch haben die Elton John-Sympathisanten im Instagram-Hashtag-Slam klar die Nase vorn. Fortsetzung folgt.

Und die zweite des Kampfes auf Instagram.
Und die zweite des Kampfes auf Instagram.

Spannend ist wie immer die Frage: Was bleibt? Inhaltlich sind diese emotional aufgeladenen Themen natürlich Dauerbrenner und für die Sozialen Netzwerken das Schmiermittel, das sie am Laufen hält. Doch was wird aus der Mode von D&G, die bei Homosexuellen bisher äußerst hoch im Kurs stand? Vielleicht muss D&G davon abrücken, in den eigenen Werbelinien immer wieder vor allem die homosexuelle Kundschaft durch die verwendeten Motive anzusprechen. Möglicherweise stoßen in die vielleicht entstehende Lücke aber auch wieder neue Zielgruppen. Auf Dauer bleibt sicher nichts zurück. Das ist wie mit jeder übermäßigen Empörung, auch Shitstorm genannt. D&G und Elton John werden bleiben, das ändern auch Hashtags nicht.

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Journalismus der Zukunft: The Guardian liefert einen Ansatz

Der britische Guardian ist in Sachen Online-Journalismus ein Innovationstreiber – schon seit Jahren. Auf der Insel wird vorgemacht, wie es gehen kann. Ein herausragendes Beispiel für multimediales Storytelling ist ihm mit der Darstellung der Problematik rund um das Palmöl gelungen. Da bleibt beim Nutzer ordentlich was hängen. Es werden alle Register gezogen. Für alle Medienschaffenden und selbstverständlich alle anderen lohnt sich ein Blick auf diese Story.

Ein Ausschnitt aus der Story über Palmöl.
Ein Ausschnitt aus der Story über Palmöl.

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Zeitungsmarkt – Die Todesspirale dreht sich weiter

Ein älteres Exemplar des Darmstädter Echo.
Ein älteres Exemplar des Darmstädter Echo.

Natürlich muss ich an diesem denkwürdigen Tag in die Tasten greifen. Vergange Woche hat die FAZ ihre Streichliste vorgelegt. Heute war dann die Echo Medien GmbH an der Reihe. Der Verlag, der das Darmstädter Echo herausgibt. Die Zeitung, bei der ich zum Journalisten und Redakteur ausgebildet wurde. Es ist ein trauriger Tag. Die Tränen allerdings, die ich für diesen Tag aufgehoben habe, sammle ich schon seit fast 20 Jahren.

Rückblende: Anfang der 90er Jahre habe ich als freier Mitarbeiter für ein kümmerliches Zeilengeld beim Echo angeheuert. Das Publizistikstudium allein nutzt nichts, wenn man in den Journalismus gehen will. Das war so und das ist so. Damals waren die Arbeitsstationen, in denen Texte eingegeben wurden, noch keine Computer. Es gab in den Dingern 5,25 Zoll-Floppy-Disc-Laufwerke. Wahnsinn, Steinzeit. Einige Jahre später kamen Computer. Meine Güte, wie schwer war es, die alten Haudegen auf Computer umzuschulen. Das Internet gab es auch schon, aber der damalige Chefredakteur hat das Internet als eine Laune der Nerds (dieses Wort gab es damals noch nicht) abgetan. Irgendwann war doch klar: Das Internet geht nicht mehr weg. Zähneknirschend wurde eine technikfeindliche Gruppe von Redakteuren/Mitarbeitern zur Entwicklung des Webangebots im Interesse von Chefredakteur und Verleger installiert. Wer sich outete als jemand, der das Medium interessant und herausfordernd fand, wurde ausgebootet. Ich gebe zu, dass ich darunter war. Ich bin dann eben nach der Ausbildung zu RP-Online gegangen. Ende der 90er war das für den Bereich der regionalen Medien im Netz eine Referenz.

Jahrelang dümpelte das unterdurchschnittliche Internet-Angebot des Echos vor sich hin. Der Druck auf die Print-Redaktion wuchs. Die Fotografen wurden outgesourct. Aus Fotoredakteuren wurden Freie. Das Internet-Angebot wurde dann tatsächlich nach eingen Jahren überarbeitet, vor nicht allzu langer Zeit gab es dann auch noch mal ein Rebrush. Das Angebot ist unterdurchschnittlich geblieben. Eine neue Redaktionsleitung kam. Ein Kollege, den ich noch von früher kenne. Seit vielleicht drei Jahren gibt es auch so etwas wie Social Media. Gestartet ist man damit, nachdem der zwischenzeitliche Chefredakteur sich mit diffamierenden und lächerlichen Aussagen über Twitter und dessen Nutzer lustig gemacht hat.

Parallel dazu ging es mit dem Hauptprodukt, der Echo-Zeitung mit ihren fünf Kopfblättern (neben dem Darmstädter Echo), rasant bergab. Schwindende Auflage, sterbender Kleinanzeigenmarkt usw. Irgendeine Beratungsfirma hatte den armen und gutgläubigen Verlagen eingeredet, sie könnten mit ihrer Logistik der Post Konkurrenz machen. Ein lächerlicher Gedanke. Irgendwann wurde dann auch die eigene Druckerei geschlossen. Jetzt betreibt man eine Druckerei gemeinsam mit der Rhein-Main-Presse in Rüsselsheim mit wahnsinnig weiten Wegen in den Odenwald, in dem es eine relativ treue Leserschaft gibt.

Im Juni wurde bekannt gegeben, dass jetzt nur noch ein Kahlschlag helfen kann. Heute wurden die Mitarbeiter darüber informiert. Von 300 Vollzeitstellen sollen noch 140 übrig bleiben. Den Redaktionen soll es nicht so stark an den Kragen gehen. IT und Rechnungswesen sollen unter anderem outgesourct werden. Die Redakteure im Mantel werden an dieser Stelle wohl nicht mehr gebraucht. Der Mantel soll zugekauft werden. Unter uns: Das ist ein Konzept, das sich an einem Nachmittag auf einem Bierdeckel entwickeln lässt. Noch nicht einmal in der Krise gibt es in dieser Branche eine Innovation.

Nach und nach hat man sich im Kernprodukt vom Qualitätsjournalismus verabschiedet. Die Online-Aktivitäten kamen nie recht in Gang. Mit dem Post-Klon Maximail hat man auf das falsche Pferd gesetzt. Und über die wichtigsten Personalien der vergangenen 20 Jahre will ich gar nicht reden. Man kann als Verlag überleben, ein Selbstläufer ist das nicht. Die veränderten Gewohnheiten, Medien zu nutzen, hätte man antizipieren können.

Es mag sein, dass dies der letzte Versuch ist, einen Käufer für das einstmals stolze Familienunternehmen zu finden. Ich habe eher das Gefühl, dass an diesem Torso keiner mehr Interesse haben wird. Es sieht schlecht aus in der Holzhofallee. Jetzt können all die Tränen raus. Nein, Stopp, ein paar von ihnen kann man noch aufheben und in vielleicht fünf Jahren vergießen.

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FR – oder ein Niedergang in Raten

Selbstverständlich muss ich ein paar Zeilen zu der Pleite der Frankfurter Rundschau schreiben. Irgendwie hat man es ja vermutet bzw. gewusst, dass es schlecht um das Traditionsblatt bestellt ist. Negativer Höhepunkt war zuletzt die Zusammenlegung der Mantelredaktionen von Berliner Zeitung und FR in Berlin. Damit hat man die überregionale Kompetenz und Linie gänzlich an den Nagel gehängt. Und als Lokalblatt taugt die FR offensichtlich dann doch nicht.

Dabei gibt es ja richtige Ansätze. Die iPad-Ausgabe ist sehr ordentlich, bis auf die Bildunterschriften der Bilder des Tages, die offensichtlich vom Redaktionspraktikanten geschrieben werden. Eine Umstellung, bei gleichbedeutenden Kosten für die Redaktion auf eine iPad-Edition, ist eben nicht möglich. Schließlich können die 100.000 Abonnenten der Printausgabe nicht einfach auf Digital umgestellt werden, da es da doch ein kleines Zugangsproblem gibt. Sogar mein achtjähriger Sohn sagte zuletzt, nachdem er den Sportteil des Darmstädter Echo angeschaut hat, dass Papier ganz gut sei, da ja nicht jeder ein iPad hat.

In der Erklärung des Frankfurter Verlags heißt es, dass vor allem die sinkenden Anzeigenerlöse und die zu schlechte Auftragslage in der eigenen Druckerei die Hauptschuld an der angespannten finanziellen Situation tragen. Der Betrieb von Druckmaschinen wird in spätestens fünf Jahren ganz sicher bei keinem Zeitungsverlag mehreine Rolle spielen. Auch der physische Vertrieb von Zeitungsstapeln wird sich in den kommenden Jahren drastisch reduzieren. Das könnte die Verlage eigentlich freuen, denn auch die Logistik ist ein nicht unerheblicher Kostenfaktor.

Tragisch ist nur, dass diese Reduktion mit dem Schwund der Leserschaft und vor allem der so wichtigen Abonnenten zusammenhängen wird. Die Verlage haben die Entwicklung der vergangenen Jahre weitgehend verschlafen. Lamentieren statt Agieren oder eben blinder Aktionismus mit den entsprechenden Fehlentwicklungen waren und sind weitgehend zu beobachten. Zu Letzterem gehört das Ausdünnen und Auslagern der Redaktionen und der damit einhergehende Qualitätsverlust der Blätter.

Heute haben sich die Nachrichten aus der Medienlandschaft geballt. Der Jahreszeitenverlag hat angekündigt, die Print-Ausgabe des Prinz einzustellen. Im Prinzip bleibt nur die Online-Plattform erhalten. Auch das renommierte Stadtmagazin Meier aus Mannheim erscheint im Dezember zum letzten Mal. Kürzlich musste die Nachrichtenagentur dapd Insolvenz anmelden. Und bei meinem Ausbildungsverlag, dem Medienhaus Südhessen in Darmstadt mit dem Darmstädter Echo, sind auch drastische Einschnitte geplant. Gerade musste Chefredakteur Jörg Riebartsch das Haus verlassen.

Welche Möglichkeiten hat eine Tageszeitung heute noch? Wie lange werden sich vor allem die regionalen Gazetten noch halten? Welche Wandlung steht bevor? Wie ist Journalismus im Lokalen möglich? In den kommenden Jahren werden wir einige Antworten auf diese Fragen sehen. Leider werden sie in den wenigsten Fällen von einer vorausschauenden Strategie getragen sein. Das lässt die jüngere Vergangenheit befürchten.

Einige Ansätze: Die Tageszeitung muss Relevanz haben, sonst wird sie nicht gelesen – das ist das A und O. Ich glaube eine lokale Tageszeitung kann heute gar nicht mehr täglich Relevanz haben, zumindest keine, die irgendwie finanzierbar wäre. Selbstverständlich müssen die digitalen Vertriebswege gestärkt werden. Selbstverständlich muss es aber auch eine Übergangsphase geben, bis wir davon ausgehen können, dass Inhalte ausschließlich über technische Endgeräte konsumiert werden können. Drei gedruckte Ausgaben pro Woche reichen – Dienstag, Donnerstag, Samstag. Die Zeitungen müssen weg vom Terminjournalismus und dem Berichten über Ereignisse. Die Menschen wollen und müssen vorher wissen, wenn etwas ansteht. Nach Ereignissen braucht es Hintergründe, Analysen und Einordnung. Die Berichterstattung selbst muss online, am besten live erfolgen. Am Wochenende darf es dann etwas unterhaltender sein. Die einzelnen Ausgaben müssen inhaltliche Schwerpunkte aufweisen, noch besser wäre es, wenn man den Lesern bieten könnte, was sie wollen. Ich habe hier schon einmal von der Auflösung der Zeitungsbücher geschrieben. So etwas halte ich noch immer für sinnvoll.

Redakteure müssen sich und ihre Aufgaben neu definieren. Sie werden gebraucht als Spezialisten, die erklären und einordnen kann. Das geht nur mit viel Leidenschaft un Know-how. Diese Eigenschaften bringen zahlreiche Blogger mit. Überhaupt hat man weitgehend das gefühl, dass diese ihre Berufung häufig mehr leiben, als der gemeine Journalist seinen einigermaßen festen Job. Der Redakteur braucht Zeit für seine Top-Storys – noch ein Argument gegen den Terminwahn. Draußen sollen sich Reporter bewegen. Diese brauchen auch keinen festen Arbeitsplatz. Sie sollen unterwegs sein bei den Menschen, Präsenz zeigen. Wenn die Leser spüren, dass das lokale Medium bei ihnen und für sie da ist, dann klappt das auch mit der Relevanz. Und wenn die Relevanz da ist, dann haben auch die Werbetreibenden noch den einen oder anderen Cent für die Zeitung übrig.

Es gibt also viel zu tun. Ich bis sehr gespannt. Es braucht ein neues Denken, mehr Innovation. Der Wandel jedoch ist nicht zu stoppen. Allerdings geht es heute mehr denn je ums Agieren und nicht ums Reagieren.

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Und wieder versagen die Medien

Ein Kreuzfahrtschiff musste auf Grund laufen, mindestens elf Menschen mussten sterben und in Kapitän Schettino musste ein neuer Sündenbock für alle Probleme der Welt gefunden werden – bis die Medien die Causa Wulff aus den Augen verloren haben.

Dieses Beispiel zeigt mal wieder, dass das Mediensystem und damit die Gesellschaft ein zutiefst internales, immanentes Problem hat. Die Sache entgleitet im Tsunami der Emotionen all zu leicht. Wenn sich ein neues Thema aufbaut, das die Gefühle hochkochen lässt, ist ein anderes vermeintlich weltbewegendes Thema schnell beim Agenda Setting auf einen der hinteren Plätze verbannt. Und dann sind die Medien schnell in der Gefahr, sich lächerlich zu machen. So wurde heute in den Radionachrichten berichtet, das berichtet wurde, Frau Wulff hätte ein Auto zu Sonderkonditionen geleast. Selbst wenn es so wäre. Ein solches Nachtreten ist peinlich und schadet dem Image der Medien und der Journalisten.

Das Thema Wulff sollten sie als Ganzes zur Seite legen. Der Rücktritt würde auch nichts bringen. Er hat sich und dem Amt, das er bekleidet, schwer geschadet. Das weiß heute fast jeder – und morgen? So hat jeder seine persönliche Entscheidung zu treffen. Und manche haben eben ein besseres Gedächtnis als andere. Und das weiß auch Wulff.

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Eine Mediengeschichte zum Jahresstart

Die Causa Wulff ist von Beginn an auch eine Mediengeschichte gewesen. Nicht in dem Sinne, wie es einige Politiker dargestellt haben. Die Medien sind nicht Schuld am Verhalten des Bundespräsidenten. Den Schuh muss einzig und allein er sich anziehen. Mittlerweile ist wohl klar, dass seine Tage gezählt sind. Wenn selbst die Freunde nicht mehr zu einem halten, dann ist wohl alles vorbei.

Wie so oft bei den ganz großen Scoops spielt die Bild-Zeitung eine ganz wichtige Rolle (es ist übrigens ganz lustig wie der Spiegel darstellt, dass seine investigativen Kräfte auch an der Geschichte mit dem Privatkredit dran gewesen sind). Ein Geschenk des Himmels war es dann am Ende noch, dass Wulff – nicht mehr ganz Herr seiner Emotionen – einen Wutanruf auf der Mobilbox von Bild-Chefredakteur Kai Diekmann hinterlassen hat.

Aber nochmal der Reihe nach. Am 13. Dezember hat sich die Welle in Bewegung gesetzt. Zu Anfang gab es noch reichlich Rückendeckung für den Bundespräsidenten. Nicht nur bei den Politikern. Auch in der Bevölkerung war alles noch ganz in Ordnung. Die Salamitaktik, das Rausschmeißen seines Sprechers und die unvollständige Transparenz haben die Skepsis und die Kritik angefeuert. Dass der letzte Kreditvertrag zu Normal-Mensch-Konditionen dann doch erst kurz vor Weihnachten unterzeichnet wurde, hat das Fass bis an den Rand der vollständigen Füllung gebracht. Sowohl die klassischen Medien als auch die Netzgemeinde waren zu diesem Zeitpunkt eher klar und sachlich. Für viele steht sowieso schon lange fest, das Christian Wulff nicht in seinem Amt bleiben kann. Das wurde auch unverblümt so dargestellt. Doch blieb die Häme weitgehend außen vor.

Doch dann kam es zur Instrumentalisierung von der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung und der Süddeutschen Zeitung durch die Bild-Zeitung. Am Wochenende wurde also bekannt, dass Wulff Diekmann angerufen hat, um ihm Drohungen auf das digitale Band zu diktieren. Seine Meinung zur Pressefreiheit hat Wulff implizit damit auch kundgetan. Das war eine nachhaltige Dummheit. Die Bild-Zeitung hat die Geschichte ausnahmsweise nicht selbst gebracht, sondern so genannte Qualitätsmedien mit der Information versorgt. Ein Geniestreich von Diekmann.

Spätestens jetzt war auch die Netzgemeinde in höchstem Maße aktiviert. Neben sachlicher Auseinandersetzung mit dem Thema kam nun noch ein riesiger Schwall Häme hinzu (dafür steht beispielhaft das hashtag #wulffilme auf Twitter). Das macht deutlich, dass das Amt beschädigt ist, der Respekt ist dahin – und es darf bezweifelt werden, das Christian Wulff der Mann ist, der diesen Respekt als Person und Amtsträger wieder herstellen kann.

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