Wenn die Schulturnhalle zur Aufnahmestelle für Flüchtlinge wird

Mit diesem Beitrag kehre ich mal wieder auf meine Scholle zurück.

Unser großer Sohn besucht Klasse 6 der kooperativen Gesamtschule Schuldorf Bergstraße in Seeheim-Jugenheim. Am Freitag sickerte langsam, aber in der Rezeption umso heftiger ausfallend, durch, dass zwei von drei Schulsporthallen ab sofort nicht mehr für den Schulbetrieb genutzt werden können, weil sie als Notunterkünfte für die Erstaufnahme von Flüchtlingen („Überlaufeinrichtung“) genutzt werden müssen. So hat es der Landkreis Darmstadt-Dieburg verfügt.

Die Erstinformation erfolgte über die Schulleiterin. Ab sofort, so heißt es in dem Schreiben, werden sich die Klassen 1 bis 9 (es ist am Schuldorf auch eine Grundschule vorhanden) zum Sportunterricht am Klassenraum mit ihrer Sportlehrkraft treffen, um dann die Entscheidung entgegenzunehmen, wie der Schulsport an diesem Tag stattfindet. Auch die Oberstufenschülerinnen und -schüler treffen sich zunächst, um über das weitere Vorgehen an dem entsprechenden Tag zu entscheiden. Viele der Sport-AGs, die an der Schule mit einem Sportschwerpunkt angeboten werden, entfallen ab sofort ersatzlos. Die Turnhallen werden mit einem Bauzaun von der Umwelt abgeschottet. Ein Sicherheitsdienst werde engagiert, um das Gelände zu sichern.

Das sind die Fakten, die die Schulgemeinde erreicht hat. Der zugehörige Beitrag in der regionalen Tageszeitung Darmstädter Echo (auch online verfügbar) liest sich da ein wenig anders. Dort wird der Landrat zitiert, dass vorerst zwei andere auserwählte Sporthallen im Landkreis belegt werden. Bei Bedarf werden dann auch die Hallen im Schuldorf Bergstraße vorbereitet und belegt. Die beiden Hallen werden bis auf Weiteres vom Schulsport nutzbar sein, heißt es dort.

Wieder einmal stellt sich die Frage, wie es zu solch unterschiedlichen Aussagen kommen kann. Ganz anschaulich zeigt sich hier die Überforderung von Politik und Verwaltung. Die Schulleitung hat mit Sicherheit nur das weitergegeben, was ihr aufgetragen wurde. Nun ist die Frage, ob der Landrat zu einem späteren Zeitpunkt die Presse mit bewusst anderen Informationen versorgt hat, oder ob sich innerhalb von Stunden oder Tagen die Planung tatsächlich geändert hat. In beiden Fällen ist Kritik angebracht. Gelungene Informationspolitik sieht anders aus.

Selbstverständlich handelt es sich hier nämlich um ein extrem sensibles Thema, das mehr als kontrovers diskutiert wird. Das zeigt sich in den noch spärlichen Kommentaren unter dem Beitrag auf echo-online.de, aber noch deutlicher ist es auf Facebook (was zu erwarten ist).

Um noch einige konstruktiv-kritische Anmerkungen hinzuzufügen: Auch der Beitrag in der Zeitung hat mit Qualitätsjournalismus nur wenig zu tun. Nur ein Bürgermeister wurde gehört, obwohl zwei Kommunen betroffen sind. Die Schulleitungen hätten zu Wort kommen sollen – und vielleicht auch Schüler- und Elternvertreter. Mir diesem ungaren Artikel sorgt auch das Darmstädter Echo nur für unvollständige Informationen, wobei gerade hier besonders genau berichtet werden sollte, um Gerüchten nicht noch weitere Nahrung zu geben.

Das Thema wird den Landkreis weiter beschäftigen, die Stimmung spannt sich an – wie an vielen anderen Stellen des Landes auch, an denen bereits ähnliche Entwicklungen vollzogen wurden. Mein Appell: Politik und Medien, nehmt die Menschen mit. Sorgt für eine optimale Kommunikationsstrategie. Die Kommentar-Threads auf Facebook sollten nicht die einzige Informationsquelle der Menschen vor Ort sein.

Update vom 13. Oktober 2015: Das Darmstädter Echo hat die Geschichte ein wenig weitergedreht, hat den Fokus aber stark auf die betroffenen Sportvereine gelenkt. Ein bisschen Stellungnahme einer Schulleitung dazu – und schon soll ein vernünftiger journalistischer Text fertig sein. Aus meiner Sicht fehlen immer noch Stimmen der Elternvertretungen, der Schüler.

Und wenn wirklich stimmt, was in dem Text steht, habe ich noch einen Tipp: Sportverbände, Ihr solltet jetzt auch langsam auf den Trichter kommen, dass Ihr Regeln für den Fall braucht, dass Wettkämpfe wegen der Flüchltingsunterbringung in Sporthallen nicht stattfinden können. Es kann wohl kaum sein, dass Sportvereine dafür bestraft werden, wenn Sie einen Wettkampf aufgrund der besonderen Situation nicht ausrichten können.

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Zeitungsmarkt – Die Todesspirale dreht sich weiter

Ein älteres Exemplar des Darmstädter Echo.
Ein älteres Exemplar des Darmstädter Echo.

Natürlich muss ich an diesem denkwürdigen Tag in die Tasten greifen. Vergange Woche hat die FAZ ihre Streichliste vorgelegt. Heute war dann die Echo Medien GmbH an der Reihe. Der Verlag, der das Darmstädter Echo herausgibt. Die Zeitung, bei der ich zum Journalisten und Redakteur ausgebildet wurde. Es ist ein trauriger Tag. Die Tränen allerdings, die ich für diesen Tag aufgehoben habe, sammle ich schon seit fast 20 Jahren.

Rückblende: Anfang der 90er Jahre habe ich als freier Mitarbeiter für ein kümmerliches Zeilengeld beim Echo angeheuert. Das Publizistikstudium allein nutzt nichts, wenn man in den Journalismus gehen will. Das war so und das ist so. Damals waren die Arbeitsstationen, in denen Texte eingegeben wurden, noch keine Computer. Es gab in den Dingern 5,25 Zoll-Floppy-Disc-Laufwerke. Wahnsinn, Steinzeit. Einige Jahre später kamen Computer. Meine Güte, wie schwer war es, die alten Haudegen auf Computer umzuschulen. Das Internet gab es auch schon, aber der damalige Chefredakteur hat das Internet als eine Laune der Nerds (dieses Wort gab es damals noch nicht) abgetan. Irgendwann war doch klar: Das Internet geht nicht mehr weg. Zähneknirschend wurde eine technikfeindliche Gruppe von Redakteuren/Mitarbeitern zur Entwicklung des Webangebots im Interesse von Chefredakteur und Verleger installiert. Wer sich outete als jemand, der das Medium interessant und herausfordernd fand, wurde ausgebootet. Ich gebe zu, dass ich darunter war. Ich bin dann eben nach der Ausbildung zu RP-Online gegangen. Ende der 90er war das für den Bereich der regionalen Medien im Netz eine Referenz.

Jahrelang dümpelte das unterdurchschnittliche Internet-Angebot des Echos vor sich hin. Der Druck auf die Print-Redaktion wuchs. Die Fotografen wurden outgesourct. Aus Fotoredakteuren wurden Freie. Das Internet-Angebot wurde dann tatsächlich nach eingen Jahren überarbeitet, vor nicht allzu langer Zeit gab es dann auch noch mal ein Rebrush. Das Angebot ist unterdurchschnittlich geblieben. Eine neue Redaktionsleitung kam. Ein Kollege, den ich noch von früher kenne. Seit vielleicht drei Jahren gibt es auch so etwas wie Social Media. Gestartet ist man damit, nachdem der zwischenzeitliche Chefredakteur sich mit diffamierenden und lächerlichen Aussagen über Twitter und dessen Nutzer lustig gemacht hat.

Parallel dazu ging es mit dem Hauptprodukt, der Echo-Zeitung mit ihren fünf Kopfblättern (neben dem Darmstädter Echo), rasant bergab. Schwindende Auflage, sterbender Kleinanzeigenmarkt usw. Irgendeine Beratungsfirma hatte den armen und gutgläubigen Verlagen eingeredet, sie könnten mit ihrer Logistik der Post Konkurrenz machen. Ein lächerlicher Gedanke. Irgendwann wurde dann auch die eigene Druckerei geschlossen. Jetzt betreibt man eine Druckerei gemeinsam mit der Rhein-Main-Presse in Rüsselsheim mit wahnsinnig weiten Wegen in den Odenwald, in dem es eine relativ treue Leserschaft gibt.

Im Juni wurde bekannt gegeben, dass jetzt nur noch ein Kahlschlag helfen kann. Heute wurden die Mitarbeiter darüber informiert. Von 300 Vollzeitstellen sollen noch 140 übrig bleiben. Den Redaktionen soll es nicht so stark an den Kragen gehen. IT und Rechnungswesen sollen unter anderem outgesourct werden. Die Redakteure im Mantel werden an dieser Stelle wohl nicht mehr gebraucht. Der Mantel soll zugekauft werden. Unter uns: Das ist ein Konzept, das sich an einem Nachmittag auf einem Bierdeckel entwickeln lässt. Noch nicht einmal in der Krise gibt es in dieser Branche eine Innovation.

Nach und nach hat man sich im Kernprodukt vom Qualitätsjournalismus verabschiedet. Die Online-Aktivitäten kamen nie recht in Gang. Mit dem Post-Klon Maximail hat man auf das falsche Pferd gesetzt. Und über die wichtigsten Personalien der vergangenen 20 Jahre will ich gar nicht reden. Man kann als Verlag überleben, ein Selbstläufer ist das nicht. Die veränderten Gewohnheiten, Medien zu nutzen, hätte man antizipieren können.

Es mag sein, dass dies der letzte Versuch ist, einen Käufer für das einstmals stolze Familienunternehmen zu finden. Ich habe eher das Gefühl, dass an diesem Torso keiner mehr Interesse haben wird. Es sieht schlecht aus in der Holzhofallee. Jetzt können all die Tränen raus. Nein, Stopp, ein paar von ihnen kann man noch aufheben und in vielleicht fünf Jahren vergießen.

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FR – oder ein Niedergang in Raten

Selbstverständlich muss ich ein paar Zeilen zu der Pleite der Frankfurter Rundschau schreiben. Irgendwie hat man es ja vermutet bzw. gewusst, dass es schlecht um das Traditionsblatt bestellt ist. Negativer Höhepunkt war zuletzt die Zusammenlegung der Mantelredaktionen von Berliner Zeitung und FR in Berlin. Damit hat man die überregionale Kompetenz und Linie gänzlich an den Nagel gehängt. Und als Lokalblatt taugt die FR offensichtlich dann doch nicht.

Dabei gibt es ja richtige Ansätze. Die iPad-Ausgabe ist sehr ordentlich, bis auf die Bildunterschriften der Bilder des Tages, die offensichtlich vom Redaktionspraktikanten geschrieben werden. Eine Umstellung, bei gleichbedeutenden Kosten für die Redaktion auf eine iPad-Edition, ist eben nicht möglich. Schließlich können die 100.000 Abonnenten der Printausgabe nicht einfach auf Digital umgestellt werden, da es da doch ein kleines Zugangsproblem gibt. Sogar mein achtjähriger Sohn sagte zuletzt, nachdem er den Sportteil des Darmstädter Echo angeschaut hat, dass Papier ganz gut sei, da ja nicht jeder ein iPad hat.

In der Erklärung des Frankfurter Verlags heißt es, dass vor allem die sinkenden Anzeigenerlöse und die zu schlechte Auftragslage in der eigenen Druckerei die Hauptschuld an der angespannten finanziellen Situation tragen. Der Betrieb von Druckmaschinen wird in spätestens fünf Jahren ganz sicher bei keinem Zeitungsverlag mehreine Rolle spielen. Auch der physische Vertrieb von Zeitungsstapeln wird sich in den kommenden Jahren drastisch reduzieren. Das könnte die Verlage eigentlich freuen, denn auch die Logistik ist ein nicht unerheblicher Kostenfaktor.

Tragisch ist nur, dass diese Reduktion mit dem Schwund der Leserschaft und vor allem der so wichtigen Abonnenten zusammenhängen wird. Die Verlage haben die Entwicklung der vergangenen Jahre weitgehend verschlafen. Lamentieren statt Agieren oder eben blinder Aktionismus mit den entsprechenden Fehlentwicklungen waren und sind weitgehend zu beobachten. Zu Letzterem gehört das Ausdünnen und Auslagern der Redaktionen und der damit einhergehende Qualitätsverlust der Blätter.

Heute haben sich die Nachrichten aus der Medienlandschaft geballt. Der Jahreszeitenverlag hat angekündigt, die Print-Ausgabe des Prinz einzustellen. Im Prinzip bleibt nur die Online-Plattform erhalten. Auch das renommierte Stadtmagazin Meier aus Mannheim erscheint im Dezember zum letzten Mal. Kürzlich musste die Nachrichtenagentur dapd Insolvenz anmelden. Und bei meinem Ausbildungsverlag, dem Medienhaus Südhessen in Darmstadt mit dem Darmstädter Echo, sind auch drastische Einschnitte geplant. Gerade musste Chefredakteur Jörg Riebartsch das Haus verlassen.

Welche Möglichkeiten hat eine Tageszeitung heute noch? Wie lange werden sich vor allem die regionalen Gazetten noch halten? Welche Wandlung steht bevor? Wie ist Journalismus im Lokalen möglich? In den kommenden Jahren werden wir einige Antworten auf diese Fragen sehen. Leider werden sie in den wenigsten Fällen von einer vorausschauenden Strategie getragen sein. Das lässt die jüngere Vergangenheit befürchten.

Einige Ansätze: Die Tageszeitung muss Relevanz haben, sonst wird sie nicht gelesen – das ist das A und O. Ich glaube eine lokale Tageszeitung kann heute gar nicht mehr täglich Relevanz haben, zumindest keine, die irgendwie finanzierbar wäre. Selbstverständlich müssen die digitalen Vertriebswege gestärkt werden. Selbstverständlich muss es aber auch eine Übergangsphase geben, bis wir davon ausgehen können, dass Inhalte ausschließlich über technische Endgeräte konsumiert werden können. Drei gedruckte Ausgaben pro Woche reichen – Dienstag, Donnerstag, Samstag. Die Zeitungen müssen weg vom Terminjournalismus und dem Berichten über Ereignisse. Die Menschen wollen und müssen vorher wissen, wenn etwas ansteht. Nach Ereignissen braucht es Hintergründe, Analysen und Einordnung. Die Berichterstattung selbst muss online, am besten live erfolgen. Am Wochenende darf es dann etwas unterhaltender sein. Die einzelnen Ausgaben müssen inhaltliche Schwerpunkte aufweisen, noch besser wäre es, wenn man den Lesern bieten könnte, was sie wollen. Ich habe hier schon einmal von der Auflösung der Zeitungsbücher geschrieben. So etwas halte ich noch immer für sinnvoll.

Redakteure müssen sich und ihre Aufgaben neu definieren. Sie werden gebraucht als Spezialisten, die erklären und einordnen kann. Das geht nur mit viel Leidenschaft un Know-how. Diese Eigenschaften bringen zahlreiche Blogger mit. Überhaupt hat man weitgehend das gefühl, dass diese ihre Berufung häufig mehr leiben, als der gemeine Journalist seinen einigermaßen festen Job. Der Redakteur braucht Zeit für seine Top-Storys – noch ein Argument gegen den Terminwahn. Draußen sollen sich Reporter bewegen. Diese brauchen auch keinen festen Arbeitsplatz. Sie sollen unterwegs sein bei den Menschen, Präsenz zeigen. Wenn die Leser spüren, dass das lokale Medium bei ihnen und für sie da ist, dann klappt das auch mit der Relevanz. Und wenn die Relevanz da ist, dann haben auch die Werbetreibenden noch den einen oder anderen Cent für die Zeitung übrig.

Es gibt also viel zu tun. Ich bis sehr gespannt. Es braucht ein neues Denken, mehr Innovation. Der Wandel jedoch ist nicht zu stoppen. Allerdings geht es heute mehr denn je ums Agieren und nicht ums Reagieren.

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Gehe zurück zum Lokalen

Ich bin nun seit einigen Wochen wieder einmal temporärer Dauerleser der Frankfurter Rundschau. Heute nun hat das Blatt seit seinem Relaunch und dem Umstellen auf das Tabloid-Format eine erste strukturelle und inhaltliche Anpassung vorgenommen. Am auffälligsten ist dabei: Man besinnt sich auf das Lokale.

Damit wird ganz offiziell, was sich in den vergangenen Jahren bereits abgezeichnet hat. Die überregionale Bedeutung der FR ist nun endgültig vorbei. Vor 18 Jahren zählte die Rundschau noch zu den Pflichtblättern, wenn wir im Publizistikstudium eine Inhaltsanalyse mit überregionalen Blättern machen mussten. Doch auch damals war schon klar: Die Zeitung musste um diese Position kämpfen. Heute müssen die Studenten sicher nicht mehr die FR auswerten, wenn sie Medienwirkung und den Einfluss der Berichterstattung auf Wahlentscheidungen untersuchen wollen.

Einen überregionalen Anspruch hat die FR aus meiner Sicht noch im Politikteil und im Feuilleton. Die Bereiche Wirtschaft und Sport kommen mit großem Abstand. Allenfalls die Berichterstattung über Eintracht Frankfurt ist in letzterem Ressort noch zitierfähig – aber das ist ja dann eigentlich auch nur Lokalberichterstattung.

Den regionalen Serviceteil inklusive Fernsehprogramm hat man in ein separates, geheftetes Buch ausgegliedert. Die Lokalteile hat man durch eine Etablierung mehrerer Lokalausgaben gestärkt und damit auch wieder sichtbarer gemacht. Interessant: Beim wirtschaftlich sicher such irgendwie notwendigen Zusammenstreichen der Stellen in der FR-Redaktion vor einigen Jahren sind vor allem die lokalen Standorte, allen voran Darmstadt und Darmstadt-Dieburg, betroffen gewesen. In diesen Bereichen lässt man sich vom Darmstädter Echo beliefern, womit es hier leider nicht zu einer Meinungsvielfalt kommt. Schade, dass der FR der lange Atem gefehlt hat, dem Echo echte Konkurrenz zu machen. Auch der Platzhirsch ist in den vergangenen Jahren deutlich schwächer in seinem Heimatbereich geworden. Chance vertan.

Ich halte die Rundschau für eine trotz aller schwierigen Umstände für eine recht gute Zeitung. Auch das Tabloid-Format ist absolut in Ordnung. Die Besinnung auf die Region ist korrekt. Damit nähert man sich der Wahrheit auf dem Zeitungsmarkt in Rhein-Main an. Am Ende sind es ja doch die Leser, die über Wohl, Wehe und Zukunft einer Zeitung entscheiden. Für den Bereich um Darmstadt herum würde ich mir – auch als Ergebnis aus Gesprächen mit anderen Leidensgenossen – wünschen, dass die FR auch hier wieder eine eigene Präsenz aufbaut und einen ernstzunehmenden Darmstadt und Darmstadt-Dieburg-Teil etabliert. Dann könnte man auch von einem temporären zu einem Dauerleser werden.

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Spaß beim Lesen

Heute hatte ich wieder einmal richtig Spaß beim Lesen „meiner“ Zeitung (ich habe sie übrigens im Zeitungsladen gekauft). Der Darmstädter-Echo-Chefredakteur persönlich hat für die Sonntagsbeilage über das Forum Lokaljournalismus in Dortmund in die Tasten gegriffen. Das Ergebnis: Ein überheblicher und ignoranter Aufsatz über die Zukunft des Lokaljournalismus, die künftige Rolle der Lokalzeitungen, das Verhältnis von Print und Online, das Mitmach-Internet, den Bürgerjournalismus und das Ende der Blog-Ära. Der Titel: „Stochern im Nebel 4.0“

Als erstes fällt in diesem Text, aber eigentlich auch allgemein, auf, dass sich Chefredakteure immer häufiger mit der Re-Finanzierbarkeit von Journalismus beschäftigen. Das ist eigentlich klassisch das Geschäft des Verlegers. Im gleichen Atemzug wird von Qualitätsjournalismus gesprochen – das ist leider oft ein Widerspruch in sich selbst. Die Unabhängigkeit einer Redaktion garantiert Qualitätsjournalismus. Das Argument der Re-Finanzierbarkeit für das Erstellen von Medieninhalten und die Aggregation von Content macht unglaubwürdig.

Chefredakteur Jörg Riebartsch betont, dass die Teilnehmer des Kongresses neidisch nach Südhessen blicken, weil man es hier geschafft hat, re-finanzierbare Printprodukte zu lancieren. Als Beispiel führt er das einmal im Monat dem Echo beigelegte Kinderheft und das alle zwei Monate erscheinende Wirtschaftsecho, mit dem auch Vertriebserlöse erzielt werden, an. Die Eigen-PR kommt an dieser Stelle sehr unglaubwürdig rüber. Dass sich die Objekte wirklich rechnen, legt er öffentlich nicht dar. Und ich glaube, dass bei einer Vollkostenrechnung die Bilanz nicht positiv sein dürfte. Die Verlage versuchen, Line Extensions über vorhandene personelle Bordmittel zu realisieren. Würde man die Arbeitszeit korrekt verrechnen, sähe das Ganze schon anders aus. So lange aber die Mitarbeiter tendenziell zur Selbstausbeutung neigen, geht es eben noch gut.

Zweiter Punkt an dieser Stelle: Die Einsparmaßnahmen beim Medienhaus Südhessen sind vielfältig. So wurde schon vor vielen Jahren die Foto-Redaktion abgeschafft. In den Lokalredaktionen arbeiten mittlerweile auch weniger Redakteure als noch vor einigen Jahren. Es werden auf Gedeih und Verderb Volontäre beschäftigt, die oft nur wenig Aussicht auf eine Weiterbeschäftigung haben, aber zur Selbstausbeutung neigen. Die Schließung der Druckerei am Hauptsitz mit der einhergehenden Kündigung aller Mitarbeiter, die teilweise zu schlechteren Konditionen in dem neu entstehenden Druckzentrum, das gemeinsam mit Konkurrent Rhein-Main-Presse in Rüsselsheim gebaut wird, anheuern dürfen, ist ein weiteres Indiz dafür, dass die von allen beneideten Print-Produkte auch nicht helfen, die Erosion zu stoppen. Die Auflagenzahlen gehen zurück. Die Abonennten sterben weg. Es fehlt an jungen Lesern. Die im Echo erscheinenden Stellenangebote lassen sich an wenigen Händen abzählen. Der Kleinanzeigenmarkt schwächelt auch. Die Erfolgsbilanz des wirtschaftlich denkenden Chefredakteurs und seines Vorgängers ist jetzt auch nicht so beeindruckend.

Das ist nun nur die eine Seite der Medaille und dieses denkwürdigen Aufsatzes. Den Löwenanteil nimmt eine Generalabrechnung mit den Aktivitäten der anderen Verlage im Internet ein. Ein Zitat: „Verunsichert, ob teuer bezahlter Journalismus überhaupt noch eine Zukunft hat, mühen sich viele Chefredakteure und Redaktionsleiter im Internet mit Blogs ab und twittern – plappern wäre die korrektere Bezeichnung – munter die Kanäle im weltweiten Web voll.“ Ich finde, das ist harter Tobak. Eigentlich ist das niveaulos für einen Chefredakteur. Der ganze Text strotzt nur so vor abqualifizierenden Äußerungen. Die Wertschätzung für die Arbeit der Kollegen nähert sich Satz für Satz dem Nullpunkt. Mich würde einmal interessieren, wie das die Angesprochenen sehen. Vielleicht liest diese Zeilen ja jemand. Deutliche Kommentare würden mich freuen.

Ganz nebenbei beerdigt Riebartsch mit der virtuellen Welt „Second Life“ auch die Blogs. Alles Dinge, die einmal kommen und schnell wieder verschwinden. So wäre es den konservativen Medienmanagern am liebsten. Tatsache ist, dass man gerade beim Darmstädter Echo Entwicklungen im Netz massiv verschlafen hat. Nach dem ernsthaften Start mit einem medienadäquaten Angebot im Internet hat es über zehn Jahre gedauert, bis man sich zu einem Relaunch durchringen konnte. Das Internet hatte beim Echo noch nie eine Chance – und das wird nach diesem Aufsatz auch so bleiben. Dann muss man sich die Frage stellen, welche Chance das Medienhaus überhaupt hat.

Riebartsch hat Angst vor dem Bürgerjournalisten. Und tatsächlich ist es ja auch so, dass Qualität dauerhaft eine Rolle bei der Verbreitung von Inhalten im Internet spielen muss. Wer sich aber so verhält, wird eben bald keine Relevanz mehr haben, weil man weder die Person noch das Medium mehr ernst nehmen kann – dann kann auch die Rolle nicht mehr gespielt werden, Dinge einzuordnen und der Wahrheit möglichst nah auf den Pelz zu rücken. Die Aktivitäten von Leuten wie Christian Lindner (@RZChefredakteur), einem der Chefredakteure der Rhein-Zeitung, tragen maßgeblich dazu bei, dass der Wert der Medienmarke Rhein-Zeitung sukzessive steigt. Personalisierung war und ist ein wesentliches Element der Leser-Blatt-Bindung. Mit Verlaub: In keiner Zeitung schreibt der Chefredakteur weniger Leitartikel als beim Darmstädter Echo. Das war aber auch schon vor 20 Jahren so, vor der Riebartsch-Ära.

Social Media ist aus Sicht von Riebartsch auch Firlefanz. Noch ein Zitat: „Richtig ist sicher, dass viele große Zeitungen so weit weg von ihren Leserinnen und Lesern sind, dass es für sie offenbar eine neue Erkenntnis ist, es sei wohl doch hilfreicher nahe am Leser dran zu sein. Kontakte in Facebook mögen da ein Hilfsmittel sein zu erfahren, was die Kundschaft, in dem Fall die Leser, wünschen. Ansonsten hilft auch einfach das gute alte persönliche Gespräch.“ Na, da scheint ja das Echo ganz weit vorn zu sein, beim Thema Lesernähe. Das kann ich leider ganz und gar nicht bestätigen. Immerhin: Eine Veränderung gab es mit Riebartsch: Das Echo veranstaltet Podiumsdiskussionen zu lokalpolitischen Themen und er oder ein Ressortleiter moderieren sie. Das ist schon mal etwas. Aber erfunden hat das Medienhaus Darmstadt diese Veranstaltungsform auch nicht.

Es ist absolut richtig, das ganze Geschehen im Netz zu beobachten und zu analysieren und die Schwächen aufzudecken. Dagegen gibt es nichts einzuwenden. Allerdings Nestbeschmutzung und Publikumsbeschimpfung in einem Beitrag in einer Zeitung zusammenzubringen, das empfinde ich als starkes Stück. Wenn Jörg Riebartsch und andere gleichdenkende Chefredakteure sowie Medienmanager zeigen können, dass ihre Strategie erfolgreich ist und die Lokalzeitung auch nach deren Ära noch lebt, dann sollte mich das sehr wundern. Schade eigentlich, wenn die Lokalzeitungen ihre Bedeutung und Relevanz verlieren. Eine Konstante weniger im Leben. Sie hatten aber ihre Chance.

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Qualitätsjournalismus, nächster Teil

Vor Kurzem saß ich mit einigen Kollegen vom Darmstädter Echo zusammen. Es stand wieder einmal ein Treffen der DJV-Ortsgruppe auf dem Plan. Es ging unter anderem um das Internet und dessen Auswirkungen auf den Journalismus. Konkret ging es um den Relaunch von www.echo-online.de. Dadurch ändert sich nochmal einiges an der Arbeitsweise der Kollegen. Die Erkenntnis des Abends: Klassische Printleute sehen im Internet große Gefahren für sich und den Qualitätsjournalismus.

Im Web 2.0 lauerten überall Gefahren. Keine Qualitätskriterien, üble Stimmungsmache, falsche Meinungen und Ansichten setzten sich durch. Nur echte Journalisten, die für ein echtes Medium arbeiten, stehen für echten Qualitätsjournalismus.

Dafür liefert das Darmstädter Echo heute wieder den Beweis. Der Ressortleiter der Lokalredaktion Darmstadt schreibt einen Artikel über einen altgedienten Kommunalpolitiker. Er feiert seinen 80. Geburtstag. Er heißt Willi Franz. Überrascht ist der Leser, als er zwischendurch auch einmal den Namen Willi Wagner liest.

Fehler passieren, das ist klar und verzeihlich. Wer allerdings das prachtvolle Ross Qualitätsjournalismus reitet und die Tageszeitung für die Manifestation dieses Begriffes hält, sollte da genauer sein – und besser als das Web 2.0. Schrott kann man in beidem lesen. Also: Runter vom hohen Ross, nicht nur von Qualitätsjournalismus reden, sondern auch welchen abliefern. Journalisten müssen ihre Arroganz ablegen, und die Verleger sollten Qualitätsjournalismus ermöglichen oder heute schon an die Abwicklung ihrer Unternehmen denken.

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Schlecht recherchiert, nichts verstanden

Eines meiner Lieblingsthemen ist ja die Beobachtung der regionalen Presse. Meine Zeitung ist das Darmstädter Echo – noch.

Heute sind wieder einige ungewollt komische und ungekonnte Beiträge im Blatt, die auch die Provinzialität von Darmstadt und der einzigen ernst zu nehmenden Tageszeitung am Ort zeigt.

Als Anreißer auf der 1 für eine Themen-Seite steht: Das Zölibat – wenn Priester sich verlieben. Aha, wenn sich also Priester verlieben, dann nennt man das Zölibat. Sehr interessant – aber leider total hohl.

Im Lokalteil Darmstadt geht es dann darum, dass der Einzelhandel in der City die Verlängerung seiner Geschäfte in den öffentlichen Raum geregelt bekommen soll. Es soll ein einheitlicher Auftritt erreicht werden. Der Ressortleiter lässt sich zu einem provinziellen Kommentar hinreißen, mit dem er dokumentiert, dass er sich in seinem Leben noch nicht besonders weit von seiner Scholle weg bewegt hat. Eine Reihe von Kommunen hat mit solchen zugegeben bürokratischen Regelungen sehr gute Erfahrungen gemacht. Die Innenstadt ist attraktiver geworden, die Leute gehen jetzt lieber in der City einkaufen. Sogar im Schwarzwaldstädtchen Nagold gibt es so etwas. Er hätte nur einmal beim Dachverband der Citymanager anrufen müssen, um sich dort ein bisschen Input zu holen. Aber er schreibt lieber einen unfundierten populistischen Kommentar. Schlecht recherchiert, nichts verstanden eben.

Auch die Leserbrief-Auswahl ist manchmal zweifelhaft – aber man kann ja schon froh sein, dass der Meinungsmonopolist überhaupt Leserstimmen zulässt.

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Schulstreit, und was die Zeitung daraus macht

Heute lohnt sich die Lektüre meiner Zeitung wieder einmal. Ich lese die Zeitung von hinten – aber nicht von ganz hinten. Zuerst nehme ich das letzte Buch – Schwerpunkt Sport. Da bin ich immer am schnellsten durch. Als zweites kommt der Landkreis-Teil dran. Der interessiert mich, nur befriedigen mich die Inhalte leider selten. Mein erstes Thema fand ich auf der Aufschlagseite dieses Zeitungsteils.

Es gibt seit Jahrzehnten einen Streit zwischen dem Landkreis Darmstadt-Dieburg und der kreisfreien Stadt Darmstadt. In der Regel werden viele Schüler aus dem Kreis von den Darmstädter Gymnasien abgewiesen. Dann sind mal wieder die Eltern sauer, die die Stadtluft meiden, die Vorzüge der Stadt aber genießen wollen. Wenn Politiker unter den Eltern sind, dann wird auch auf dieser Ebene Stimmung gemacht. Das Darmstädter Echo hat da immer etwas zu schreiben. Das freut die Redaktion.

Bei der Lektüre sind mir zwei Dinge negativ aufgefallen: Der Autor hat eine reißerische Überschrift, das Zitat „Schalten Sie doch zuerst Ihr Hirn ein“ gewählt. Das reizt zum Lesen. Es geht im Text um eine Debatte mit Abstimmung im Kreistag. Das Zitat jedoch findet sich in anderer Form im Text wieder. „Sie hätten besser zuerst Ihr Gehirn eingeschaltet!“ Man darf Zitate schon einmal abwandeln, finde ich. Man kann etwas weglassen, auch Wörter darf man schon einmal vertauschen, wenn es der grammatikalischen Richtigkeit dient. Aber den Ton darf man nicht verändern. Das ist dem Autor gelungen, nur damit das Zitat in die Überschrift passt. Schwach. (Schwach ist auch, dass gerade kurz vor dem verfälschten Zitat ein Fehler ist, der das ganze noch unverständlicher macht: ‚Harth rief den Antragsschreiben zu‘, es muss Antragsschreibern heißen).

Dazu kommt dann leider noch ein inhaltlicher Fehler, der den Text für Unwissende unverständlich macht. Der Darmstadt-Dieburger Schuldezernent Christel Fleischmann wird zum Darmstädter Schuldezernenten, der derzeit gemeinsam mit dem Darmstädter Schuldezernenten Dierk Molter einen Schulentwicklungsplan zweier benachbarter Schulträger erarbeitet. Auch das ist schwach. Soviel zum Thema Qualtitätsjournalismus und Qualitätsmedien. Das Darmstädter Echo hat übrigens Anfang Juli Abo-Preise und die Preise im Einzelverkauf erhöht.

Fehler können passieren. Aber wenn es inhaltlich so große Relevanz hat, hört der Spaß auf.

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Sorgfaltspflicht

Der letzte Beitrag und dieser hängen eng miteinander zusammen. Es geht weiter um die Qualität des Journalismus.

Im Lokalteil Darmstadt-Dieburg des Darmstädter Echo ist heute zu lesen, dass sich HP mit einer Niederlassung in der zum Landkreis gehörenden Kommune Weiterstadt ansiedelt. Das habe die Stadt Weiterstadt bekannt gegeben.

Interessant: Die Firma HP kommt nicht zu Wort. Es ist nicht klar, wieviele Arbeitsplätze an dem neuen Standort für ein Rechenzentrum entstehen sollen. Es steht auch nicht drin, dass HP für eine Stellungnahme nicht zu erreichen war. Es steht eigentlich nur die Selbstdarstellung des Bürgermeisters drin. Und sein Gerede von HP ale einer Größe in der IT-Welt. Also hohles Zeug.

Auch am Standort Rüsselsheim soll etwas Neues entstehen. Wie sieht es jetzt aber mit der Recherche aus. HP baut zigtausend Arbeitsplätze ab, auch in Deutschland. Mit der Übernahme des IT-Dienstleisters EDS, die auch einen bedeutenden Standort in Rüsselsheim haben, hat HP natürlich Einsparungen im Auge gehabt. Wie hängt das Ganze zusammen?

Ich erwarte an dieser Stelle keinen ausufernden Roman. Aber gewisse Standards sollte es schon erfüllen. Kurzum: Der Beitrag ist schlecht recherchiert, es handelt sich um Klientel-Journalismus. Man will es sich mit dem Verwaltungschef nicht verscherzen. Besser weiß man es auch nicht. Das Verhältnis zum Bürgermeister scheint sowieso gut zu sein. So soll das auch bleiben. Schlimm ist es, wenn man aus Berichten solche Verbindungen rauslesen kann.

Mit welchen Qualitäten will die lokale Tageszeitung die Abonnenten halten? Ich sage es nochmal. Der eine oder andere Rechtschreibfehler ist völlig unproblematisch. Es geht um die Kernkompetenzen von Zeitungsmachern. Wenn man sich mit ihnen unterhält, dann verurteilen sie das Treiben im Netz. Der Untergang des Journalismus habe dort begonnen. Gerade dann müssen die Hüter der wahren Werte im Journalismus aber auch beweisen, dass sie es können. Ein Stichwort ist die journalistische Sorgfaltspflicht.

Und: Nicht, dass man mich falsch versteht. Das Darmstädter Echo steht hier nur ganz exemplarisch. Ich bin mir sehr sicher, dass in so gut wie allen regionalen Kaufzeitungen solche Dinge zu beobachten sind. Nur kann ich leider nicht noch mehr klassische Medien konsumieren. Noch zählt das Echo zu meiner Pflichtlektüre.

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