Dann wandern Sie doch aus, Frau Weiguny!

Ich finde es wirklich großartig, wenn sich Akademiker dafür entscheiden, auch mal mehr als ein oder gar zwei Kinder in die Welt zu setzen. Ich finde es auch großartig, dass Bettina Weiguny von der FAS drei Kinder hat. Gefallen kann mir nicht, dass die FAZ seit Monaten, ja eigentlich seit Jahren, gegen das Elterngeld wettert.

Frau Weiguny lässt sich darüber aus, dass es Leute gibt, die sich mit den 3600 Euro (in einzelnen Fällen kommen übrigens noch Zulagen hinzu) zwei Monate Urlaub in weit entfernten Destinationen gönnen. Ich finde das auch nicht sinnhaft, allerdings hätte ich mir solche Eskapaden auch nicht leisten können. Normal verdienende Menschen mit einem spießigen Leben wie ich, müssen nämlich Rücklagen bilden. Dazu kommen noch die Gehaltseinbußen durch Reduzierung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld (falls vorhanden). Dem zu versteuernden Einkommen wird das Elterngeld auch noch hinzugerechnet, Frau Weiguny. Dann ist die Belastung für die armen Steuerzahler, die die Familien an dieser Stelle unterstützen, auch nicht mehr ganz so arg.

Natürlich haben wir unser drittes Kind nicht wegen des Elterngeldes bekommen. Da bin ich völlig bei der Autorin des FAS-Beitrags „Elterngeld zeugt keine Kinder“. Wenn das Elterngeld aber dazu beiträgt, dass das Klima pro Kind in unserer Gesellschaft besser wird, dann lohnt es sich allemal. Es ist doch immer noch so, dass der Großteil der Arbeitgeber es nicht so gern sieht, wenn seine männliche Fachkraft um die Auszeit bittet. In der Wirtschaft, die ein Spiegelbild der Gesellschaft ist, herrscht Familien- und Kinderfeindlichkeit. Wie kann man dieses Thema denn in den Griff bekommen, FAZ, FAS und Frau Weiguny?

Und dabei sind es gerade auch Menschen mit Familie, die eine große Leistungsbereitschaft haben und sehr produktiv sind. Leider kann man das nicht in Zahlen fassen wie das Elterngeld und die Kosten, die die arme Gesellschaft zu schultern hat, um etwas wie Familie zu fördern.

Frau Weiguny ist nicht mehr bereit, den gut Verdienenden ihren Urlaub nach Niederkunft zu finanzieren. Da bleibt nur Auswandern oder weiter Stimmung gegen das Elterngeld zu machen, bis sich eine Regierung findet, die es wieder abschafft. Ich glaube, wir haben andere, dringlichere Probleme

Flattr this!

Koch und BB

Am Ende seiner Regierungszeit ließ er mit Hilfe seiner Kommunikationsstrategen noch heftig dementieren, dass er an die Spitze des Baukonzern Bilfinger Berger wechseln werde, wenn er denn die Politik hinter sich lässt. Der Bild-Zeitung gelang damals dieser Scoop – wobei man da auch vorsichtig sein muss, schließlich kann sogar das Durchsickern der Information Teil der Strategie gewesen sein.

Heute ist nun klar, das der umstrittene Machtpolitiker der Union künftig Boss und Unternehmenslenker sein wird. Ganz spontan kommt einem die Frage: Was qualifiziert einen Spitzenpolitiker für ein solches Amt, außer seinen rhetorischen Fähigkeiten und dem Netzwerk, das er während seiner politischen Laufbahn geknüpft hat? Reicht das tatsächlich schon aus, um die Geschicke eines Unternehmens mit rund 10 Mrd. Euro Jahresumsatz und 68000 Mitarbeitern zu lenken? An der Börse wurde die Nachricht nicht sehr positiv beurteilt.

Das Ganze mutet doch sehr anrüchig an. Es ist kein Geheimnis, dass Bilfinger Berger von dem mit aller Macht von der Koch-Regierung vorangetriebenen Flughafenausbau in Frankfurt profitieren wird. Schäbig ist es allerdings, dass sich vor allem die Politiker anderer etablierter Parteien empören. Schließlich sind auch die Karrieren anderer politischer Spitzenkräfte in der Wirtschaft fortgesetzt worden, nachdem sie keine Lust mehr auf die immer gleichen Machtkämpfe auf der politischen Bühne hatten.

Den Medien tut sich hier ein schönes Feld auf, um diesen Fall und künftige, ähnlich gelagerte Fälle zu beleuchten und zu analysieren. Also Qualitätsjournalismus, jetzt musst Du ran!

Vielleicht wird man allerdings zu dem Ergebnis kommen, dass das Zusammenwachsen von Politik und Wirtschaft – nicht nur durch auf den ersten Blick unsichtbaren Lobbyismus – integraler, systemimmanenter Teil unserer Gesellschaft, unserer Demokratie ist. Das mag man finden, wie man will. Möglicherweise lässt sich dieser Trend aber auch nicht stoppen. Und dann?

Flattr this!

Gelesen 14

Nein, nicht schon wieder Managementliteratur. Das hunderttausendste Buch, das mit erhobenem Zeigefinger und apokalyptischen Drohgebärden Druck auf mich und meine Art, meine Leute und das Unternehmen zu führen, ausüben möchte. In Buchstaben gegossenes Besserwissertum, von Leuten (Beratern!), die keine Ahnung haben – und davon ziemlich viel. Ein Bombardement von markigen Sprüchen mit Gehirnwindungsverankerungspotenzial – die sich nach genauem Hinsehen als Worthülsen entlarven lassen.

Stopp. Genau das ist es nicht. „Nur Tote bleiben liegen“ von Anja Förster und Peter Kreuz wirkt da ganz anders – wenn die typischen Eigenschaften von Managementliteratur auch hier an einigen Stellen aufblitzen. Dieses Buch wirkt auf den Leser – Offenheit vorausgesetzt – wie ein reinigendes Gewitter. Die Autoren, als Berater sind sie regelmäßig für die ganz großen Unternehmen unterschiedlicher Branchen im Einsatz, machen nicht nur deutlich, dass in Unternehmen zahlreiche Fehler gemacht werden, und damit das Potenzial von Mitarbeitern und Organisation mit Füßen getreten aber sicher nicht realisiert wird. Die positive Stimmung überwiegt. Zahlreiche Beispiele von Unternehmen, die das Außergewöhnliche wagen und damit vom Unternehmensführungs-Mainstream abweichen, machen Mut, als Führungskraft/Entscheider eben auch einmal aus den engen Vorgaben überholter Methoden auszubrechen. Das Buch ist gut strukturiert, sehr gut gestaltet, leicht erfassbar. Also Manager: Es gibt keine Ausrede, die paar Stunden nicht zu investieren. Außerdem gibt es das Buch auch als Hörbuch. Auto-CD-Player, MP3-Player – ist ja alles schon erfunden.

Du bist kein Entscheider, bist aber irgendwie Teil der Wissensgesellschaft, und glaubst, dieses Buch ist nichts für Dich? Weit gefehlt. Die Autoren schaffen es in diesem Buch, dass sich offensichtlich an Manager richtet, die Relevanz bestimmter Strömungen in der Internet-Gesellschaft vom unternehmerischen Umfeld auf alle Bereiche des Lebens auszuweiten. Neue Theorien oder gesellschaftsanalytische Aspekte decken sie vielleicht nicht gerade auf. Es gelingt ihnen jedoch herausragend, solche Themen wie Schwarmintelligenz und Tipping Point so geschickt unter einen Hut zu bekommen, das die Horizonterweiterung beim Lesen ganz automatisch kommt. Sie zeigen, was eine Internet-Gesellschaft, für die es ganz normal ist, sich massenmedial mitzuteilen und für alle sichtbar mitzureden, auszeichnet. Sie zeigen, wie sich das auf Unternehmen und de Art der Mitarbeiterführung auswirkt. Und gleichzeitig stellen sie dar, wie sich die ganze Welt durch das – sagen wir abgedroschenerweise – Web 2.0 verändert. Man muss sich fragen: Wie ist in unserer Zeit Unternehmensführung möglich? Genauso: Wie ist Politik möglich? Wie ist überhaupt Gesellschaft möglich? Auf die erste Frage gibt es reichlich Antworten in dem Buch. Die beiden letzte Fragen sind nur durch Ableitung zu beantworten, aber natürlich nicht endgültig.

Der Wirbel um Stuttgart 21 ist für mich durch das Buch nochmal verständlicher geworden. Social Media spielt bei der Entwicklung dieses Themas eine riesige Rolle. Das lokale Ereignis gewinnt nicht nur mittels Berichterstattung in Tagesschau und Heute Journal eine überregionale Bedeutung. Die Macht der Vielen manifestiert sich nicht mehr nur an der Wahlurne. Politik muss umdenken. Politiker sollten dieses Buch lesen und sich spätestens dann Gedanken machen.

Mir persönlich gefallen die Gedanken in den ersten drei der elf Kapitel des Buches am besten. Hervorragend wird gezeigt, wie sich die Unternehmensführung zur Not auch von unten ändern wird. Die Führungskraft in einem Unternehmen der Wissensgesellschaft muss sich und seine Aufgabe neu definieren – das wird mit der Lektüre evident. Ein Mutmacher für einen wie mich ist das Buch allemal. Ziel erreicht.

„Nur Tote bleiben liegen“ von Anja Förster und Peter Kreuz erhält von mir 9 von 10 möglichen Punkten. Abstriche gibt es, weil es eben Managementliteratur ist, die ein besseres Bild vom Unternehmertum zeichnet, als es im Moment tatsächlich noch ist. Dabei schwingt die Angst mit, dass dieses Buch zu wenige Entscheider lesen. Und: Wenn es welche lesen, besteht immer noch die Gefahr, dass sie die Inhalte nicht verstehen, nicht an sich heranlassen oder sowieso der Meinung sind, dass sie genau so sind, wie es in dem Buch idealtypisch beschrieben wird – obwohl es keineswegs so ist.

Anja Förster und Peter Kreuz, Nur Tote bleiben liegen, Campus, 247 Seiten, 24,90 Euro

Da Transparenz alles ist, sei hier erwähnt, dass ich das Buch kostenlos erhalten habe, weil ich als einer von zehn Bloggern ausgewählt wurde, über dieses Buch zu schreiben.

Flattr this!

Gelesen 2

Der Mann ist viel ‚rumgekommen und zweifelsohne sehr gefragt. Bernd H. Schmitt ist Professor für internationales Business an der Columbia Business School und Chef des Beratungshauses The EX. „Denken Sie endlich XXL“ knallt einem als Imperativ von dem Cover seines aktuellen Buchs entgegen. Der Autor will Managern ins Stammbuch schreiben, dass sie sich trauen, große Ideen zu entwickeln und dabei auch einmal gegen den Strom zu schwimmen. Er gibt Tipps, wie man Ideen oder auch Ideen-Cluster in Unternehmens-Strategien überträgt. XXL-Projekte schreien nach Mut, Leidenschaft und Beharrlichkeit, sagt er – und da hat er wohl recht.

Überhaupt hat er recht, wenn er den mangelnden Mut beklagt. Die Entscheider auf allen Ebenen haben da dieselbe Krankheit. Und mit ihnen auch alle anderen. Ausnahmen bestätigen die Regel.

Besonders interessant in diesem weitgehend typischen Managerbuch mit typischen Floskeln und einer großen Portion Überheblichkeit sind die Ansätze, die sich auf die Weisheit der Vielen von James Surowiecki und den Long Tail von Chris Anderson beziehen. Hier sieht man, dass modernes Management die Umwälzungen, die nicht zuletzt durch das Internet ausgelöst wurden, bereits berücksichtigt. Dazu gehört auch, die Mitarbeiter – und zwar aus allen Bereichen – zur Ideen-Findung heranzuziehen und ihnen auch die Möglichkeit zu geben, Ideen zu entwickeln. Dafür ist natürlich eine entsprechende Unternehmenskultur und -philosophie notwendig. Nicht zu sprechen von kompetenten Führungskräften.

Das Buch ist klar strukturiert und gut lesbar beschrieben. Nicht alles wirkt neu, kommt aber in dem Gesamtpaket schlüssig daher. Die Anekdoten aus dem Leben ergänzen die theoretischen Überlegungen. Manches vermeintliche Erfolgsbeispiel (Second Life) zeigt, dass nicht jedes XXL-Projekt den Gipfel erklimmt. In den USA ist das Buch bereits 2007 erschienen. Die Situation heute ist eine andere als damals. Einige Ergänzungen hat Schmitt für die deutsche Version hinzugefügt – ganz optimal ist das nicht. Andererseits sollte man vielleicht gerade jetzt XXL denken.

Dieses Buch (Redline Verlag, München 2009, ISBN 978-3-86881-024-0, 24,90 Euro (D), 25,60 Euro (A), 47,50 SFR (CH)) bekommt von mir eine 7 (auf einer Skala von 1-Ausschuss bis 10-überwältigend) – vor allem für das Aufrütteln, Mut machen und Anspornen.

Flattr this!