Wenn die Schulturnhalle zur Aufnahmestelle für Flüchtlinge wird

Mit diesem Beitrag kehre ich mal wieder auf meine Scholle zurück.

Unser großer Sohn besucht Klasse 6 der kooperativen Gesamtschule Schuldorf Bergstraße in Seeheim-Jugenheim. Am Freitag sickerte langsam, aber in der Rezeption umso heftiger ausfallend, durch, dass zwei von drei Schulsporthallen ab sofort nicht mehr für den Schulbetrieb genutzt werden können, weil sie als Notunterkünfte für die Erstaufnahme von Flüchtlingen („Überlaufeinrichtung“) genutzt werden müssen. So hat es der Landkreis Darmstadt-Dieburg verfügt.

Die Erstinformation erfolgte über die Schulleiterin. Ab sofort, so heißt es in dem Schreiben, werden sich die Klassen 1 bis 9 (es ist am Schuldorf auch eine Grundschule vorhanden) zum Sportunterricht am Klassenraum mit ihrer Sportlehrkraft treffen, um dann die Entscheidung entgegenzunehmen, wie der Schulsport an diesem Tag stattfindet. Auch die Oberstufenschülerinnen und -schüler treffen sich zunächst, um über das weitere Vorgehen an dem entsprechenden Tag zu entscheiden. Viele der Sport-AGs, die an der Schule mit einem Sportschwerpunkt angeboten werden, entfallen ab sofort ersatzlos. Die Turnhallen werden mit einem Bauzaun von der Umwelt abgeschottet. Ein Sicherheitsdienst werde engagiert, um das Gelände zu sichern.

Das sind die Fakten, die die Schulgemeinde erreicht hat. Der zugehörige Beitrag in der regionalen Tageszeitung Darmstädter Echo (auch online verfügbar) liest sich da ein wenig anders. Dort wird der Landrat zitiert, dass vorerst zwei andere auserwählte Sporthallen im Landkreis belegt werden. Bei Bedarf werden dann auch die Hallen im Schuldorf Bergstraße vorbereitet und belegt. Die beiden Hallen werden bis auf Weiteres vom Schulsport nutzbar sein, heißt es dort.

Wieder einmal stellt sich die Frage, wie es zu solch unterschiedlichen Aussagen kommen kann. Ganz anschaulich zeigt sich hier die Überforderung von Politik und Verwaltung. Die Schulleitung hat mit Sicherheit nur das weitergegeben, was ihr aufgetragen wurde. Nun ist die Frage, ob der Landrat zu einem späteren Zeitpunkt die Presse mit bewusst anderen Informationen versorgt hat, oder ob sich innerhalb von Stunden oder Tagen die Planung tatsächlich geändert hat. In beiden Fällen ist Kritik angebracht. Gelungene Informationspolitik sieht anders aus.

Selbstverständlich handelt es sich hier nämlich um ein extrem sensibles Thema, das mehr als kontrovers diskutiert wird. Das zeigt sich in den noch spärlichen Kommentaren unter dem Beitrag auf echo-online.de, aber noch deutlicher ist es auf Facebook (was zu erwarten ist).

Um noch einige konstruktiv-kritische Anmerkungen hinzuzufügen: Auch der Beitrag in der Zeitung hat mit Qualitätsjournalismus nur wenig zu tun. Nur ein Bürgermeister wurde gehört, obwohl zwei Kommunen betroffen sind. Die Schulleitungen hätten zu Wort kommen sollen – und vielleicht auch Schüler- und Elternvertreter. Mir diesem ungaren Artikel sorgt auch das Darmstädter Echo nur für unvollständige Informationen, wobei gerade hier besonders genau berichtet werden sollte, um Gerüchten nicht noch weitere Nahrung zu geben.

Das Thema wird den Landkreis weiter beschäftigen, die Stimmung spannt sich an – wie an vielen anderen Stellen des Landes auch, an denen bereits ähnliche Entwicklungen vollzogen wurden. Mein Appell: Politik und Medien, nehmt die Menschen mit. Sorgt für eine optimale Kommunikationsstrategie. Die Kommentar-Threads auf Facebook sollten nicht die einzige Informationsquelle der Menschen vor Ort sein.

Update vom 13. Oktober 2015: Das Darmstädter Echo hat die Geschichte ein wenig weitergedreht, hat den Fokus aber stark auf die betroffenen Sportvereine gelenkt. Ein bisschen Stellungnahme einer Schulleitung dazu – und schon soll ein vernünftiger journalistischer Text fertig sein. Aus meiner Sicht fehlen immer noch Stimmen der Elternvertretungen, der Schüler.

Und wenn wirklich stimmt, was in dem Text steht, habe ich noch einen Tipp: Sportverbände, Ihr solltet jetzt auch langsam auf den Trichter kommen, dass Ihr Regeln für den Fall braucht, dass Wettkämpfe wegen der Flüchltingsunterbringung in Sporthallen nicht stattfinden können. Es kann wohl kaum sein, dass Sportvereine dafür bestraft werden, wenn Sie einen Wettkampf aufgrund der besonderen Situation nicht ausrichten können.

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Halbe Zeitungswahrheiten

Kürzlich hat die IVW die Auflagenzahlen der Tageszeitungen für das zweite Quartal veröffentlicht. Die Auflagen gehen im Prinzip seit Jahren zurück, ein Bodensatz ist nicht in Sicht. Interessant ist nach der Veröffentlichung der letzten Zahlen immer, wie sich die Medien jene Zahlen heraussuchen, die ihnen am besten in den Kram passen. Die überregionalen Zeitungen hauen sich gegenseitig auf die Nasen.

Aber auch die Regionalzeitungen spielen kräftig mit beim Schönfärben. Im Darmstädter Echo vom Wochenende war zu lesen, dass die Auflagen der großen Zeitungen im Schnitt erheblich zurückgehen. In einem separaten Text darunter hieß es, dass das Echo seine Marktführerschaft in Südhessen behält.

Aha. Dort fällt kein Wort darüber, dass auch die Auflage des Echo zurückgegangen ist. Die Druckauflage am Samstag fiel in der Kernregion Darmstadt und Darmstadt-Dieburg im Vergleich zum Vorquartal von 70867 auf 70095, um einfach einmal eine Zahl zu nennen. Wenn man nun weiß, dass das Echo ein Monopol in der Kernregion hat, dann kann es nicht verwundern, wenn die Marktführerschaft erhalten wurde. Schließlich hätte schon ein Phönix aus der Asche kommen müssen, um die Nummer eins in dieser Region zu werden.

Mich stört daran, dass es gerade im Kontext mit der Meldung darüber ein offenes Wort über den Rückgang der Auflage der eigenen Zeitung sicher nicht geschadet hätte. Schließlich sind die IVW-Zahlen für jeden einsehbar. Diese Vertuschung könnte also jedem auffallen. Gerade in diesen Zeiten ist das Bedürfnis nach Ehrlichkeit von Politik, Unternehmen und Medien besonders groß. Mich wundert, dass letztere nicht über ihren eigenen Schatten springen können und mit offenen Karten ihren Leser entgegentreten. Das verlangen die Medien ja auch von Politik und Wirtschaft beispielsweise.

Und zur allgemeinen Entwicklung: Wie tief dürfen die Auflagenzahlen der einzelnen Zeitungen maximal sinken, damit noch qualitativ hochwertige Zeitungen produziert und gedruckt werden können? Oder ist in einzelnen Fällen diese Grenze bereits überschritten?

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Schulstreit, und was die Zeitung daraus macht

Heute lohnt sich die Lektüre meiner Zeitung wieder einmal. Ich lese die Zeitung von hinten – aber nicht von ganz hinten. Zuerst nehme ich das letzte Buch – Schwerpunkt Sport. Da bin ich immer am schnellsten durch. Als zweites kommt der Landkreis-Teil dran. Der interessiert mich, nur befriedigen mich die Inhalte leider selten. Mein erstes Thema fand ich auf der Aufschlagseite dieses Zeitungsteils.

Es gibt seit Jahrzehnten einen Streit zwischen dem Landkreis Darmstadt-Dieburg und der kreisfreien Stadt Darmstadt. In der Regel werden viele Schüler aus dem Kreis von den Darmstädter Gymnasien abgewiesen. Dann sind mal wieder die Eltern sauer, die die Stadtluft meiden, die Vorzüge der Stadt aber genießen wollen. Wenn Politiker unter den Eltern sind, dann wird auch auf dieser Ebene Stimmung gemacht. Das Darmstädter Echo hat da immer etwas zu schreiben. Das freut die Redaktion.

Bei der Lektüre sind mir zwei Dinge negativ aufgefallen: Der Autor hat eine reißerische Überschrift, das Zitat „Schalten Sie doch zuerst Ihr Hirn ein“ gewählt. Das reizt zum Lesen. Es geht im Text um eine Debatte mit Abstimmung im Kreistag. Das Zitat jedoch findet sich in anderer Form im Text wieder. „Sie hätten besser zuerst Ihr Gehirn eingeschaltet!“ Man darf Zitate schon einmal abwandeln, finde ich. Man kann etwas weglassen, auch Wörter darf man schon einmal vertauschen, wenn es der grammatikalischen Richtigkeit dient. Aber den Ton darf man nicht verändern. Das ist dem Autor gelungen, nur damit das Zitat in die Überschrift passt. Schwach. (Schwach ist auch, dass gerade kurz vor dem verfälschten Zitat ein Fehler ist, der das ganze noch unverständlicher macht: ‚Harth rief den Antragsschreiben zu‘, es muss Antragsschreibern heißen).

Dazu kommt dann leider noch ein inhaltlicher Fehler, der den Text für Unwissende unverständlich macht. Der Darmstadt-Dieburger Schuldezernent Christel Fleischmann wird zum Darmstädter Schuldezernenten, der derzeit gemeinsam mit dem Darmstädter Schuldezernenten Dierk Molter einen Schulentwicklungsplan zweier benachbarter Schulträger erarbeitet. Auch das ist schwach. Soviel zum Thema Qualtitätsjournalismus und Qualitätsmedien. Das Darmstädter Echo hat übrigens Anfang Juli Abo-Preise und die Preise im Einzelverkauf erhöht.

Fehler können passieren. Aber wenn es inhaltlich so große Relevanz hat, hört der Spaß auf.

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Sorgfaltspflicht

Der letzte Beitrag und dieser hängen eng miteinander zusammen. Es geht weiter um die Qualität des Journalismus.

Im Lokalteil Darmstadt-Dieburg des Darmstädter Echo ist heute zu lesen, dass sich HP mit einer Niederlassung in der zum Landkreis gehörenden Kommune Weiterstadt ansiedelt. Das habe die Stadt Weiterstadt bekannt gegeben.

Interessant: Die Firma HP kommt nicht zu Wort. Es ist nicht klar, wieviele Arbeitsplätze an dem neuen Standort für ein Rechenzentrum entstehen sollen. Es steht auch nicht drin, dass HP für eine Stellungnahme nicht zu erreichen war. Es steht eigentlich nur die Selbstdarstellung des Bürgermeisters drin. Und sein Gerede von HP ale einer Größe in der IT-Welt. Also hohles Zeug.

Auch am Standort Rüsselsheim soll etwas Neues entstehen. Wie sieht es jetzt aber mit der Recherche aus. HP baut zigtausend Arbeitsplätze ab, auch in Deutschland. Mit der Übernahme des IT-Dienstleisters EDS, die auch einen bedeutenden Standort in Rüsselsheim haben, hat HP natürlich Einsparungen im Auge gehabt. Wie hängt das Ganze zusammen?

Ich erwarte an dieser Stelle keinen ausufernden Roman. Aber gewisse Standards sollte es schon erfüllen. Kurzum: Der Beitrag ist schlecht recherchiert, es handelt sich um Klientel-Journalismus. Man will es sich mit dem Verwaltungschef nicht verscherzen. Besser weiß man es auch nicht. Das Verhältnis zum Bürgermeister scheint sowieso gut zu sein. So soll das auch bleiben. Schlimm ist es, wenn man aus Berichten solche Verbindungen rauslesen kann.

Mit welchen Qualitäten will die lokale Tageszeitung die Abonnenten halten? Ich sage es nochmal. Der eine oder andere Rechtschreibfehler ist völlig unproblematisch. Es geht um die Kernkompetenzen von Zeitungsmachern. Wenn man sich mit ihnen unterhält, dann verurteilen sie das Treiben im Netz. Der Untergang des Journalismus habe dort begonnen. Gerade dann müssen die Hüter der wahren Werte im Journalismus aber auch beweisen, dass sie es können. Ein Stichwort ist die journalistische Sorgfaltspflicht.

Und: Nicht, dass man mich falsch versteht. Das Darmstädter Echo steht hier nur ganz exemplarisch. Ich bin mir sehr sicher, dass in so gut wie allen regionalen Kaufzeitungen solche Dinge zu beobachten sind. Nur kann ich leider nicht noch mehr klassische Medien konsumieren. Noch zählt das Echo zu meiner Pflichtlektüre.

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Bürgernah

Die Medien machen schwere Zeiten durch. Die Wirtschaftkrise hat die allgemeine Krise der klassischen Medien noch verschärft. Die Abo-Zahlen der regionalen Tageszeitungen – um die soll es hier vor allem gehen – sind seit Jahren rückläufig. Jetzt erhöht sich der Druck auch noch auf der Anzeigenseite. Vetriebserlöse gehen zurück, Anzeigenerlöse gehen zurück. Die Unternehmen suchen neue Geschäftsmodelle (Post-Alternativen) und sparen im Kerngeschäft. Gleichzeitig haben sie wenig Mut, das Kerngeschäft zu modernisieren – Innovationen, auch unter Einbeziehung des neuen Vertriebskanals Internet, sind Mangelware.

Dabei wäre es manchmal so einfach. Klar, Leser sind tendenziell unzufrieden mit den Inhalten „ihrer“ Tageszeitung – trotzdem ist die Treue noch überraschend groß. Auch Fehler, hier meine ich vor allem Rechtschreibfehler und ähnliches, sind menschlich. Sie stören mich nicht so sehr, da ich selbst Teil des Medienbetriebs bin und weiß, dass unter den derzeitigen Produktionsbedingungen ein fehlerfreies Produkt heute kaum in den Druck geht.

Richtig ärgerlich wird es aus meiner Sicht, wenn die vermeintlichen Kernkompetenzen aus dem Auge verloren werden. Ein kleines Beispiel: In meiner Heimatkommune Bickenbach findet gerade das Volksfest statt, das eigentlich unter dem Namen Bachgassenfest bekannt ist. Ein kleiner Festplatz – sicher nicht der Kern der Veranstaltung – befindet sich hinter dem alten Rathaus. In der Berichterstattung des Darmstädter Echo, der Zeitung am Ort, muss man in der Unterzeile lesen, dass sich das Volksfest vor dem alten Rathaus abspielt. In dem Text wird mehr als deutlich, dass es eigentlich um das Treiben in der Bachgasse geht, und der Festplatz nur schmückendes Beiwerk ist.

Das ist wirklich ein sehr kleines Beispiel, zeigt aber, dass die Tageszeitung offenbar eine wichtige Eigenschaft nicht mehr hat: Sie ist nicht bürgernah. Die Redakteure sind zwar Mitglied einer Lokalredaktion, kennen sich aber mit den Verhältnissen vor Ort nicht aus. das ist peinlich. Der Text hätte zehn Rechtschreibfehler haben dürfen, aber inhaltlich derart daneben darf er nicht sein.

Was soll aus einer regionalen Tageszeitung werden, die ihre Stärken wie die Kompetenz für die Themen vor Ort gar nicht mehr haben? Man sollte weniger Post verteilen, dafür mehr sehen, wofür man eigentlich steht. Es kann natürlich auch sein, dass man in den Verlagshäusern schon kapituliert hat und das eigentliche Geschäft lieber anderen überlässt. Dann wird man irgendwann eben nur noch Post verteilen – und zwar ganz bürgernah, wahrscheinlich.

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