Zeitungsmarkt – Die Todesspirale dreht sich weiter

Ein älteres Exemplar des Darmstädter Echo.
Ein älteres Exemplar des Darmstädter Echo.

Natürlich muss ich an diesem denkwürdigen Tag in die Tasten greifen. Vergange Woche hat die FAZ ihre Streichliste vorgelegt. Heute war dann die Echo Medien GmbH an der Reihe. Der Verlag, der das Darmstädter Echo herausgibt. Die Zeitung, bei der ich zum Journalisten und Redakteur ausgebildet wurde. Es ist ein trauriger Tag. Die Tränen allerdings, die ich für diesen Tag aufgehoben habe, sammle ich schon seit fast 20 Jahren.

Rückblende: Anfang der 90er Jahre habe ich als freier Mitarbeiter für ein kümmerliches Zeilengeld beim Echo angeheuert. Das Publizistikstudium allein nutzt nichts, wenn man in den Journalismus gehen will. Das war so und das ist so. Damals waren die Arbeitsstationen, in denen Texte eingegeben wurden, noch keine Computer. Es gab in den Dingern 5,25 Zoll-Floppy-Disc-Laufwerke. Wahnsinn, Steinzeit. Einige Jahre später kamen Computer. Meine Güte, wie schwer war es, die alten Haudegen auf Computer umzuschulen. Das Internet gab es auch schon, aber der damalige Chefredakteur hat das Internet als eine Laune der Nerds (dieses Wort gab es damals noch nicht) abgetan. Irgendwann war doch klar: Das Internet geht nicht mehr weg. Zähneknirschend wurde eine technikfeindliche Gruppe von Redakteuren/Mitarbeitern zur Entwicklung des Webangebots im Interesse von Chefredakteur und Verleger installiert. Wer sich outete als jemand, der das Medium interessant und herausfordernd fand, wurde ausgebootet. Ich gebe zu, dass ich darunter war. Ich bin dann eben nach der Ausbildung zu RP-Online gegangen. Ende der 90er war das für den Bereich der regionalen Medien im Netz eine Referenz.

Jahrelang dümpelte das unterdurchschnittliche Internet-Angebot des Echos vor sich hin. Der Druck auf die Print-Redaktion wuchs. Die Fotografen wurden outgesourct. Aus Fotoredakteuren wurden Freie. Das Internet-Angebot wurde dann tatsächlich nach eingen Jahren überarbeitet, vor nicht allzu langer Zeit gab es dann auch noch mal ein Rebrush. Das Angebot ist unterdurchschnittlich geblieben. Eine neue Redaktionsleitung kam. Ein Kollege, den ich noch von früher kenne. Seit vielleicht drei Jahren gibt es auch so etwas wie Social Media. Gestartet ist man damit, nachdem der zwischenzeitliche Chefredakteur sich mit diffamierenden und lächerlichen Aussagen über Twitter und dessen Nutzer lustig gemacht hat.

Parallel dazu ging es mit dem Hauptprodukt, der Echo-Zeitung mit ihren fünf Kopfblättern (neben dem Darmstädter Echo), rasant bergab. Schwindende Auflage, sterbender Kleinanzeigenmarkt usw. Irgendeine Beratungsfirma hatte den armen und gutgläubigen Verlagen eingeredet, sie könnten mit ihrer Logistik der Post Konkurrenz machen. Ein lächerlicher Gedanke. Irgendwann wurde dann auch die eigene Druckerei geschlossen. Jetzt betreibt man eine Druckerei gemeinsam mit der Rhein-Main-Presse in Rüsselsheim mit wahnsinnig weiten Wegen in den Odenwald, in dem es eine relativ treue Leserschaft gibt.

Im Juni wurde bekannt gegeben, dass jetzt nur noch ein Kahlschlag helfen kann. Heute wurden die Mitarbeiter darüber informiert. Von 300 Vollzeitstellen sollen noch 140 übrig bleiben. Den Redaktionen soll es nicht so stark an den Kragen gehen. IT und Rechnungswesen sollen unter anderem outgesourct werden. Die Redakteure im Mantel werden an dieser Stelle wohl nicht mehr gebraucht. Der Mantel soll zugekauft werden. Unter uns: Das ist ein Konzept, das sich an einem Nachmittag auf einem Bierdeckel entwickeln lässt. Noch nicht einmal in der Krise gibt es in dieser Branche eine Innovation.

Nach und nach hat man sich im Kernprodukt vom Qualitätsjournalismus verabschiedet. Die Online-Aktivitäten kamen nie recht in Gang. Mit dem Post-Klon Maximail hat man auf das falsche Pferd gesetzt. Und über die wichtigsten Personalien der vergangenen 20 Jahre will ich gar nicht reden. Man kann als Verlag überleben, ein Selbstläufer ist das nicht. Die veränderten Gewohnheiten, Medien zu nutzen, hätte man antizipieren können.

Es mag sein, dass dies der letzte Versuch ist, einen Käufer für das einstmals stolze Familienunternehmen zu finden. Ich habe eher das Gefühl, dass an diesem Torso keiner mehr Interesse haben wird. Es sieht schlecht aus in der Holzhofallee. Jetzt können all die Tränen raus. Nein, Stopp, ein paar von ihnen kann man noch aufheben und in vielleicht fünf Jahren vergießen.

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Großer Schritt

Die Frankfurter Rundschau hat den Spätsommer genutzt, um auch in Deutschland Dinge zu präsentieren, die deutlich zeigen: Die Transformation der Medien ist in vollem Gange. Noch weit revolutionärer, als das neue Konzept mit den Lokalnachrichten umzugehen, ist der jetzt erfolgte Launch der iPad-Version der FR.

Die Kritiker sind voll des Lobes. Von Meedia oder Spiegel: Alle meinen, dass die Rundschau im Moment der Maßstab für die Tageszeitungs-Apps darstellt. Und sie haben recht. Die Inhalte sind speziell für die Möglichkeiten des Tablet-Computers optimiert worden. Dafür hat man offenbar auch die Multimedia-Redaktion personell aufgestockt. Es gibt sogar zwei Versionen in einer App: Wer das iPad vertikal hält, erhält eine reine Magazin-Umsetzung der Zeitung, in der Horizontal-Variante gibt es die Anreicherung mit multimedialen Inhalten. Beide Versionen stellen allerdings nur einen Auszug aus der aktuellen Print-Ausgabe dar. Jede Ausgabe kostet dafür nur 79 Cent statt 1,60 Euro im Einzelverkauf am Kiosk.

Besonders interessant: Der Verlag arbeitet an Bundle-Angeboten. Dann gibt es ein Abo der digitalen Ausgabe in Verbindung mit einem iPad zu einem Bundle-Preis. Wenn sich solche Angebote häufen, dann ist auch der Weg frei für die massenhafte Verbreitung von iPad und anderen Tablet-Computern. In wenigen Wochen will die Frankfurter Rundschau entsprechende Angebote präsentieren. Man darf gespannt sein.

Das Revolutionäre? Die FR hat einen großen Schritt hin zur Digitalisierung der Zeitung gemacht. Ich kann mir gut vorstellen, dass die FR – auch aufgrund des wirtschaftlichen Drucks – eine der ersten Zeitungen in Deutschland sein wird, die das Analoge, mit Druckmaschinen und physischem Vertrieb, hinter sich lassen wird. Dieser Prozess kann nicht in drei Jahren über die Bühne gehen, aber vielleicht in fünf oder acht. Irgendwie ist es auch ein Wettlauf mit der Zeit. Wollen die klassischen Medien die Transformation rasch schaffen (und manche müssen das sogar), dann müssen sie auch für die Verbreitung der Trägermedien für ihren Content sorgen.  Die Rundschau hat das fest vor.

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Sorgfaltspflicht

Der letzte Beitrag und dieser hängen eng miteinander zusammen. Es geht weiter um die Qualität des Journalismus.

Im Lokalteil Darmstadt-Dieburg des Darmstädter Echo ist heute zu lesen, dass sich HP mit einer Niederlassung in der zum Landkreis gehörenden Kommune Weiterstadt ansiedelt. Das habe die Stadt Weiterstadt bekannt gegeben.

Interessant: Die Firma HP kommt nicht zu Wort. Es ist nicht klar, wieviele Arbeitsplätze an dem neuen Standort für ein Rechenzentrum entstehen sollen. Es steht auch nicht drin, dass HP für eine Stellungnahme nicht zu erreichen war. Es steht eigentlich nur die Selbstdarstellung des Bürgermeisters drin. Und sein Gerede von HP ale einer Größe in der IT-Welt. Also hohles Zeug.

Auch am Standort Rüsselsheim soll etwas Neues entstehen. Wie sieht es jetzt aber mit der Recherche aus. HP baut zigtausend Arbeitsplätze ab, auch in Deutschland. Mit der Übernahme des IT-Dienstleisters EDS, die auch einen bedeutenden Standort in Rüsselsheim haben, hat HP natürlich Einsparungen im Auge gehabt. Wie hängt das Ganze zusammen?

Ich erwarte an dieser Stelle keinen ausufernden Roman. Aber gewisse Standards sollte es schon erfüllen. Kurzum: Der Beitrag ist schlecht recherchiert, es handelt sich um Klientel-Journalismus. Man will es sich mit dem Verwaltungschef nicht verscherzen. Besser weiß man es auch nicht. Das Verhältnis zum Bürgermeister scheint sowieso gut zu sein. So soll das auch bleiben. Schlimm ist es, wenn man aus Berichten solche Verbindungen rauslesen kann.

Mit welchen Qualitäten will die lokale Tageszeitung die Abonnenten halten? Ich sage es nochmal. Der eine oder andere Rechtschreibfehler ist völlig unproblematisch. Es geht um die Kernkompetenzen von Zeitungsmachern. Wenn man sich mit ihnen unterhält, dann verurteilen sie das Treiben im Netz. Der Untergang des Journalismus habe dort begonnen. Gerade dann müssen die Hüter der wahren Werte im Journalismus aber auch beweisen, dass sie es können. Ein Stichwort ist die journalistische Sorgfaltspflicht.

Und: Nicht, dass man mich falsch versteht. Das Darmstädter Echo steht hier nur ganz exemplarisch. Ich bin mir sehr sicher, dass in so gut wie allen regionalen Kaufzeitungen solche Dinge zu beobachten sind. Nur kann ich leider nicht noch mehr klassische Medien konsumieren. Noch zählt das Echo zu meiner Pflichtlektüre.

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Bürgernah

Die Medien machen schwere Zeiten durch. Die Wirtschaftkrise hat die allgemeine Krise der klassischen Medien noch verschärft. Die Abo-Zahlen der regionalen Tageszeitungen – um die soll es hier vor allem gehen – sind seit Jahren rückläufig. Jetzt erhöht sich der Druck auch noch auf der Anzeigenseite. Vetriebserlöse gehen zurück, Anzeigenerlöse gehen zurück. Die Unternehmen suchen neue Geschäftsmodelle (Post-Alternativen) und sparen im Kerngeschäft. Gleichzeitig haben sie wenig Mut, das Kerngeschäft zu modernisieren – Innovationen, auch unter Einbeziehung des neuen Vertriebskanals Internet, sind Mangelware.

Dabei wäre es manchmal so einfach. Klar, Leser sind tendenziell unzufrieden mit den Inhalten „ihrer“ Tageszeitung – trotzdem ist die Treue noch überraschend groß. Auch Fehler, hier meine ich vor allem Rechtschreibfehler und ähnliches, sind menschlich. Sie stören mich nicht so sehr, da ich selbst Teil des Medienbetriebs bin und weiß, dass unter den derzeitigen Produktionsbedingungen ein fehlerfreies Produkt heute kaum in den Druck geht.

Richtig ärgerlich wird es aus meiner Sicht, wenn die vermeintlichen Kernkompetenzen aus dem Auge verloren werden. Ein kleines Beispiel: In meiner Heimatkommune Bickenbach findet gerade das Volksfest statt, das eigentlich unter dem Namen Bachgassenfest bekannt ist. Ein kleiner Festplatz – sicher nicht der Kern der Veranstaltung – befindet sich hinter dem alten Rathaus. In der Berichterstattung des Darmstädter Echo, der Zeitung am Ort, muss man in der Unterzeile lesen, dass sich das Volksfest vor dem alten Rathaus abspielt. In dem Text wird mehr als deutlich, dass es eigentlich um das Treiben in der Bachgasse geht, und der Festplatz nur schmückendes Beiwerk ist.

Das ist wirklich ein sehr kleines Beispiel, zeigt aber, dass die Tageszeitung offenbar eine wichtige Eigenschaft nicht mehr hat: Sie ist nicht bürgernah. Die Redakteure sind zwar Mitglied einer Lokalredaktion, kennen sich aber mit den Verhältnissen vor Ort nicht aus. das ist peinlich. Der Text hätte zehn Rechtschreibfehler haben dürfen, aber inhaltlich derart daneben darf er nicht sein.

Was soll aus einer regionalen Tageszeitung werden, die ihre Stärken wie die Kompetenz für die Themen vor Ort gar nicht mehr haben? Man sollte weniger Post verteilen, dafür mehr sehen, wofür man eigentlich steht. Es kann natürlich auch sein, dass man in den Verlagshäusern schon kapituliert hat und das eigentliche Geschäft lieber anderen überlässt. Dann wird man irgendwann eben nur noch Post verteilen – und zwar ganz bürgernah, wahrscheinlich.

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Gute Millionäre

Da haben doch 23 Millionäre eine Erklärung unterschrieben, die sie verpflichtet, eine Abgabe für Reiche zu entrichten. Sie gehen noch weiter und wünschen sich die Vermögensabgabe (5%) für alle, die über ein Vermögen über 500.000 Euro oder ein Betriebsvermögen über 3 Millionen Euro verfügen. Sie soll in den Jahren 2009 und 2010 entrichtet werden. Mit dem Geld sollen die Folgen der Wirtschaftskrise gemildert werde. Initiator ist Bruno Haas, Philosoph und Miterbe eines Familienunternehmens. Das Geld soll nach seinen Aussagen beispielsweise für Bildung und Klimaschutz eingesetzt werden. „Geld ist nicht alles“, sagt Haas. Es gebe auch eine soziale Rendite.

Dieser Vorstoß ist bemerkenswert, passt aber irgendwie in die Zeit. Es geht um die Themen Freiwilligkeit und Verantwortung. Meiner Ansicht nach nimmt beispielsweise die Bereitschaft zu, freiwillig für etwas zu zahlen, das einen echten Gegenwert darstellt. So kann Wikipedia mit einem ständigen Geldzufluss rechnen. Auch Entwickler von Themes – zum Beispiel für WordPress – setzten auf das Freiwilligekeitsprinzip und hoffen auf Spenden. Auch Medien können das Instrument einsetzen. Da ist Brand Eins ein gutes Beispiel. Das Wirtschaftsmagazin packt alle Inhalter aus dem Heft zeitnah in das Volltextarchiv ins Netz. Wer die Inhalte gut findet, der wird sich trotzdem das Heft kaufen oder ein Abo bestellen. Allerdings sind die Verlagshäuser im allgemeinen zu konservativ und ängstlich, um Vorstöße in diese Richtung zu wagen. Es ist zu stark Controller gesteuert.

Aber zurück: Immerhin haben sich 23 Reiche nun schon einmal bereit erklärt, die Abgabe zu entrichten. Das könnte Schule machen. Eine Verpflichtung wäre kontraproduktiv – aber eine Liste mit jenen, die sich dazu bereit erklären im Netz öffentlich zu machen, könnte eine Sogwirkung haben.

Man traut der Öffentlichen Hand nicht zu, Gelder zielgerichtet einzusetzen. Das wird viele davon abhalten, sich zu beteiligen. Es sollte aber ohne einen zu großen Wasserkopf möglich sein, die Einnahmen entsprechend zu verwenden. Es ist gut, dass die Politik sich bei diesem Thema eher bedeckt hält – bis auf die Grünen und die Linken. So ist der Weg frei für eine eigendynmische Entwicklung.

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