Markwort für gute Bezahlung und noch besseren Journalismus

Helmut Markwort ist diese Woche mit dem Hessischen Journalistenpreis für sein bisheriges Lebenswerk ausgezeichnet worden. Der Preis wird von der Sparda-Bank Hessen (meinem Arbeitgeber) in Zusammenarbeit mit dem DJV Hessen verleihen. Es wurden neben Markwort noch fünf weitere Journalisten für ihre Arbeiten zum Thema „Hessen bilden“ ausgezeichnet.

Markwort hat eine Lanze für den Qualitätsjournalismus gebrochen. Natürlich ging es auch um das Thema Online und das überbordende Engagement der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten im Internet. Zwischen den Zeilen hörte man schon heraus, dass aus seiner Sicht einige Regeln dem ganzen Geschäft von Verlagen zuträglich wären.

Ganz besonders interessant war aber, dass Markwort betont hat, dass auch junge Journalistenkollegen ordentlich entlohnt werden sollten. In den kürzlich zu Ende gegangenen Tarifverhandlungen hatten die Arbeitgeber gerade Einschnitte bei den Einstiegsgehältern gefordert, um schließlich eine insgesamt schlankere Tarifstaffelung zu erreichen. Dem hat auch Markwort ein klare Absage erteilt. Der Medienmanager mit Darmstädter Wurzeln (dessen großes Vorbild Georg Hensel [ehedem beim Darmstädter Echo, meiner Volontariats-Zeitung, tätig uns später Feuilleton-Chef bei der FAZ] ist) will kluge Köpfe im Journalismus sehen – und nicht nur in den Unternehmen jenseits der Medienbranche.

Gerade für jüngere Kollegen war es auch eine Mutmach-Ansprache. Sein Medienalphabet – zu fast jedem Buchstaben hat Markwort – einen für ihn bedeutsamen Begriff identifziert und diesen dann ausgeführt wirkte in teilen auch wie eine Motivationsspritze. Markwort ist ein Journalist aus Leidenschaft, das hat man gespürt, im besten Sinne. er bezeichnete sich selbst als „lebenslangen Volontär“ – ein bisschen Koketterie ist dabei, das tut dem Ganzen keinen Abbruch. Als Volontär ist die Leidenschaft für den Beruf besonders groß. Es kann sich jeder glücklich schätzen, der sich diese Leidenschaft das ganze Berufsleben über bewahrt.

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Copygate und seine Folgen

Jetzt muss ich abschließend doch einmal zum Thema Copygate in die Tasten greifen. Zu Guttenberg hat nun getan, was unvermeidbar war. Er hat seinen Hut genommen. Die Ära als Verteidigungsminister ist beendet.

Natürlich kann er seine Schuld nicht eingestehen – dafür ist er zu sehr Politiker. Er war in den vergangenen Wochen schlecht beraten. Im Moment steht er wahnsinnig schlecht da – auch wenn ein Großteil der verbohrten Bevölkerung noch immer zu ihm hält. Was muss man – wenn man ganz genau darüber nachdenkt – von einer Gesellschaft halten, die ihm diesen Betrug durchgehen lassen will. Die deutsche Bevölkerung erwartet von Politiker und Staatslenkern offensichtlich nichts anderes als betrügerisches, verbrecherisches und unglaubwürdiges Verhalten. Das ist das Ende politischer Kultur. Es ist das Ende von Kultur, Gesellschaft und eigentlich allem, was eine Wertegemeinschaft, ein Gemeinwesen, einen Staat ausmacht. Eigentlich bin ich sprachlos – aber offensichtlich bin ich das nie wirklich.

Eigentlich ist nicht er schuld an den Ereignissen der vergangenen Wochen und Jahre. Es war die Mehrfachbelastung als Politiker, Familienmensch und Doktorand. Eigentlich war seine Doktorarbeit schuld. Die Familie war eines der Probleme. Und die Medien, die bösen. Die Medien sind schuld, endlich mal wieder. „Kümmert Euch doch um andere Themen, Ihr blöden Medien. Außenpolitisch ist so viel Musik drin. Lasst mich in Frieden sowie in Lug und Trug leben, Ihr blöden Medien“, hört man es rufen vom Schloss.

Leute, seid froh, dass es noch in Ansätzen so etwas wie Medien gibt, denen Kultur, Gesellschaft und Staat am Herzen liegen. Ihnen ist es zu verdanken, dass mafiöse und verbrecherische und korrupte Strukturen nicht noch mehr Raum greifen in diesem, unserem Land. Für Politikverdrossenheit und Desillusionierung sorgen Politiker schon selbst – die Medien haben hier nur teilweise ihren Anteil. Letzter Nebensatz bezieht sich auf die Bild-Zeitung und ähnliche Organe. Das muss ich leider so deutlich sagen.

Es gibt so viele Dinge in dieser Situation, die man sagen und/oder schreiben müsste. Ich will ein Thema herausheben. Angela Merkel ist so richtig froh, diesen für sie so arg gefährlichen Mann losgeworden zu sein. Sie steht jetzt noch nicht einmal als die da, die für zu Guttenbergs politische Pause gesorgt hat. damit hat sie eine reine Weste für die Zukunft gerettet. Es stimmt, dass der Ex-Verteidigungsminster ob seiner positiven Wirkung auf das Wahlvolk ein gewisses Grad an Wichtigkeit für die christlich orientierten Parteien gehabt hat. Die Bedeutung zu Guttenbergs für die anstehenden Wahlen wird jedoch deutlich überbewertet. Das politische Gedächtnis der gemeinen Bevölkerung ist extrem kurz. Sinnlose Wahlforschung – Entschuldigung, Ihr Statistiker da draußen, die Ihr zu meinem Bedauern Mittel der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten kassiert – hat zu dieser Überbewertung einen wichtigen Teil beigetragen. Merkel kann natürlich sehr gut damit leben, dass zu Guttenberg vorerst von der Bildfläche verschwunden ist. Jetzt ist die Bahn frei. Keiner kann ihr in der Union das Wasser reichen.

Zu Guttenberg-Anhänger mögen heute in Tränen ausbrechen. Ihnen rufe ich zu: Grämt Euch nicht, er wird wieder kommen. Wie gesagt, das politische Gedächtnis des Wahlpublikums ist zu nicht viel Vernünftigem zu gebrauchen. Wenn die Zeit Merkels vorbei ist, wird Karl-Theodor wieder aus der Box herausspringen. Mangels Alternativen. Nach den Ereignissen der vergangenen Stunden und Tage ist es kaum vorstellbar. Das kollektive Gedächtnis wird versagen. Das ist sicher.

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Das ZDF macht ernst

Noch im März soll die erste, natürlich kostenlose, ZDF-Applikation den App-Store und den Android-Market erreichen. Das hat heute ZDF-Intendant Markus Schächter bekanntgegeben. Den Anfang macht die Mediathek-App. In naher Zukunft, noch im Sommer 2011, sollen die Portale www.zdf.de, heute.de und die tivi-Mediathek an den Start gehen. An der App zu sport.zdf.de wird noch bis zum Frühjahr 2012 geschraubt.

Rundfunkrechtlich sei es unbedenklich, dass das ZDF eigene Applikationen anbietet, da sie im genehmigten Telemedienkonzept des ZDF enthalten seien, heißt es. Darin sei die technische Aufbereitung der Inhalte für PC und mobile Endgeräte besonders hervorgehoben. Natürlich müssten die Applikationen kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Es wird aber nicht versäumt zu erwähnen, dass die gewerbliche Tochter ZDF Enterprises natürlich auch kostenpflichtige Programme produzieren und verbreiten dürfe. Als Beispiel wird eine Applikation angeführt, die Rezepte aus der Sendung „Lanz kocht“ enthält. Solche Inhalte dürften laut Telemedienkonzept nicht mehr im Online-Angebot vom ZDF vorgehalten werden. Ergo: Alles, was online bei den Öffentlich-Rechtlichen okay ist, ist auch als kostenlose App okay. Und während andere Inhalte, die im Web nicht verfügbar gemacht werden dürfen, dort auch niemals verkauft werden könnten, weil dafür schlichtweg keiner bezahlen würde, kann nun auch hier in gelernten Kanälen Reibach gemacht werden.

Die Nachricht von der ersten ZDF-App (die ARD hat ja bereits mit der Tagesschau-App einen ersten Vorstoß in diese Richtung gemacht) kommt natürlich nicht überraschend. Allerdings versetzt das den privatwirtschaftlich betriebenen Medien doch wieder einen ordentlichen Dämpfer. Der schöne Paid Content kann schlecht an Mann und Frau gebracht werden, wenn es gleichwertige Inhalte per Gesetz verordnet in den neuen Kanälen kostenlos gibt. Von der Aufbruchstimmung durch iPad und Smartphone-Applikationen ist nicht mehr viel übrig. Ganz schwer hat die Medienbetreiber ja schon die rücksichtslose Haltung von Apple getroffen, Inhalte ausschließlich mit Vertriebseinnahmen-Beteiligung an die Nutzer zu bringen. Und jetzt formiert sich auch noch das öffentlich-rechtliche Fernsehen. Medienmacher haben es schwer, und entgegen der Hoffnung vieler, wird es wohl auch so bleiben.

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Sorgen um Nido

Nido, das Familienmagazin aus dem Hause Gruner+Jahr, macht mir Sorgen. Also, eigentlich keine echten Sorgen. Aber es ist noch ein vergleichsweise junges Pflänzchen, das an die Magazine Stern und Neon angedockt ist. Eigentlich braucht es noch Zeit. Die Frage ist nur, wie viel Zeit es noch hat.

Inhaltlich bietet es die Spannung zwischen Zustimmung und totaler Ablehnung. Das ist ein Grund, warum ich es ganz gern in Händen halte. Manchmal reibe ich mich an den Inhalten (bis zu einer bestimmten Grenze) und manchmal will man lesen, dass andere der gleichen Meinung sind wie man selbst.

In der aktuellen Ausgabe habe ich mit Erschrecken festgestellt, dass das Anzeigenaufkommen erschütternd ist. 17 ganzseitige und zwei halbseitige Anzeigen verlieren sich auf 140 Seiten Gesamtumfang. Nur zwei von den ganzseitigen und die beiden halbseitigen Anzeigen dürften richtig bezahlt worden sein. Vier Seiten haben Vereine bzw. die öffentliche Hand gebucht. Auf elf Seiten finden sich Eígenanzeigen. Im Mai 2010 wurde das Magazin auf eine monatliche Erscheinungsweise umgestellt. Die Druckauflage liegt bei 150000.

Ich bezweifle ja, dass sich das Ganze rechnet. Möglicherweise trägt die Eigenwerbung vor allem für die anderen Titel von Gruner+Jahr von Brigitte über Schöner Wohnen bis hin zu Art zur Abonnentengewinnung dieser Zeitschriften bei. Wenn meine Vermutung richtig ist, frage ich mich, wie man auf Dauer die Finanzierung hin bekommen will. Eigentlich würde ich mich gern noch etwas länger an den Inhalten reiben, und das Pflänzchen länger wachsen sehen.

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Alle Kanäle und vieles anders

Mich wie viele andere der Szene umtreibt die Frage, wie der Journalismus der Zukunft aussieht. Welche herkömmlichen Medien werden die Zeiten überstehen, für wen ist kein Platz mehr? Wie ändert sich die Art der Rezeption? Was wollen die Medienkonsumenten der Zukunft? Wie heißen die Meinungsführer von morgen? Welche Möglichkeiten der Refinanzierung von Informations- und Lebenshilfeangeboten wird es geben. Ist herkömmlicher Journalismus überhaupt finanzierbar? Was ist Journalismus überhaupt? Und, und, und…

Der Prognosen gibt es viele, immer wieder muss man aber auch den Status Quo in Frage stellen und seine einmal erstellte Prognose hinterfragen. Clive Thompson hat mit seinem Beitrag in der aktuellen Wired meine Gehirnzellen angeregt. Er versucht mit dem Vorurteil aufzuräumen, das Twitter-Nachrichten und Status-Updates dafür gesorgt haben, dass die neuen Leser weder dazu bereit noch in der Lage sind, sich mit tiefgehenden und ausführlichen Texten und Analysen auseinanderzusetzen.

Er zeigt, wie sich das Microblogging auf das herkömmliche Bloggen auswirkt. Früher war es wichtig, dass der Blogger am besten mehrmals täglich eher kürzere Beiträge gepostet hat. Durchaus mit analytischem, aber nicht gerade sehr tief greifendem Ansatz. Heute sei es üblich, tiefer gehende und ausrecherchierte Beiträge zu bloggen. Die Aktualität und Frequenz spiele dabei nicht die ganz große Rolle. Für die USA sieht er diesen Prozess schon recht weit fortgeschritten. Er zitiert einen anerkannten Blogger, der ganz klar sagt, das die schnelle Nachricht/Information über Twitter raus geht. Blogbeiträge entstehen nur dann, wenn er wirklich etwas zu sagen hat. Und das muss keinesfalls täglich der Fall sein.

Ich teile diese Einschätzung. Die Nutzung aller Kanäle sind der Königsweg, heute zumindest. Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Tweet von Thomas Knüwer vom 5. Januar 2010 („5 neue Volontäre an einer Journalistenschule – keiner hat ein Blog, keiner ist bei Twitter. Viel Glück – Ihr werdet es verdammt nötig haben“).

Clive Thompson bringt natürlich auch das Thema Long Tail auf den Tisch. Die Nachhaltigkeit von im Internet publizierten Beiträgen ist durchaus vorhanden. Selbst ich merke mit meinen noch bescheidenen Blog-Projekten, dass bestimmte Themen ein lange Karriere haben und immer wieder alte Beiträge über Google aufgerufen werden.

Aus seiner Sicht wären die Verlierer dieser Entwicklung die Wochenmagazine wie Time und Newsweek (und natürlich die Entsprechungen auf anderen Märkten), die versuchen in kürzester Zeit mit mitteltiefgehenden Analysen auf aktuelle Ereignisse zu reagieren. Andere – ich meine vor allem hiesige – Stimmen sagen, dass gerade diese Medien vor allem im Vergleich zur Tageszeitung eine „rosige“ Zukunft vor sich haben. Das dachte ich bislang auch. Allerdings sind die Aussagen von Thompson wirklich stichhaltig. Abschließende Analysen sind aus dessen Sicht nicht mehr nur den Buchschreibern vorbehalten. Auch im Netz ist Tiefgang möglich – auch das sehe ich genau so.

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Nichts ist schneller als Twitter

Am Dienstag war ich auf dem Weg nach Düsseldorf. Im Zug. Um 10 Uhr sollte der Kongress beginnen. Ein bisschen Puffer hatte ich eingeplant. Ein Blick aufs Smartphone, Twitter. Wirtschaftswoche-Kollege Thomas Kuhn (@ThomasKuhn) schreibt um kurz nach 8, dass der Düsseldorfer Hauptbahnhof gesperrt ist. Polizeiliche Ermittlungen nach dem Fund eines herrenlosen Koffers. Die Züge stauen sich, ein Halten oder Durchfahren unmöglich.

Diese Meldung war sicher nicht die erste zu dem Thema, allerdings war Twitter mal wieder schneller als alle anderen. Auch über die Accounts der Medien, die ihr klassisches Geschäft vor Ort betreiben (wie die Rheinische Post), kam nichts. Über das kontinuierliche Suchen mit den Hashtags #duesseldorf und #düsseldorf hat sich das Bild zur Situation in Düsseldorf weiter geklärt. Die Durchsagen an den unterschiedlichen Orten (Bahnhöfe und betroffene Züge) wurden nicht in großer Zahl, aber doch gut wiedergegeben.

In Köln sind wir dann zurückgehalten worden, zuerst hieß es, der Zug umfahre Düsseldorf und fahre direkt nach Duisburg, dem nächsten Halt. Doch dann kam über Twitter die Nachricht, dass der Bahnhof wieder freigegeben ist. Dann folgte auch die Durchsage in unserem Zug. Schließlich ging es weiter nach Düsseldorf. An Gleis 13 war noch alles abgesperrt. Ein Foto von dem Koffer konnte ich auch noch machen. Ich hatte telefonisch (wie altmodisch!) nach Düsseldorf durchgegeben, dass es im Zugverkehr zu Problemen kommt. Der Kongress begann eine Viertel Stunde später. Ich habe noch alles mitbekommen.

Solche Geschichten über Twitter sind nicht neu. Dennoch ist es ganz beeindruckend, wenn man mit dem eigenen Leib und Geist erleben kann, wie großartig dieser Microblogging-Dienst ist und funktioniert. Die Nachrichten-Websites haben hier ihre große Konkurrenz, wenn es um Schnelligkeit geht. Aber sie haben hier auch eine unschätzbare Quelle und Chance.

Nur Letzteres müssen viele erst noch begreifen. Im Grundssatz lehnen sie ja diese Art des Bürgerjournalismus ab. Mit ihren Verweisen auf Qualitätsjournalismus und mit einem ordentlichen Schuss Arroganz.

Übrigens: Die Geschichte mit dem Koffer war ja eher ein lokales Ereignis und ist daher in den überregionalen Medien meines Wissens nicht besonders hoch gekocht worden – und das ist auch gut so. Daher gebe ich hier in eigenen Worten wieder, was ich dann gestern in der Rheinischen Post Print (wie altmodisch!) gelesen habe (ja, Tageszeitungen haben noch eine Relevanz). Ein 39-jähriger Pole hat demnach den Koffer mit Sperrmüll und Bierflasche auf dem Bahnsteig abgestellt. Er wollte noch einmal in den Stadtteil Garath zurück, um dort noch mehr Sperrmüll abzuholen, den er dann in der Heiimat verhökern wollte. Als er wieder im Hauptbahnhof auftauchte, wurde er als der Mann identifiziert, der den Koffer dort abgestellt hatte (Aufzeichnung der Überwachungskamera). Er dachte, den Deutschen könne man trauen, und sie würden das Gepäckstück nicht einfach mitnehmen, weil sie so ehrliche Menschen seien.

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Großer Schritt

Die Frankfurter Rundschau hat den Spätsommer genutzt, um auch in Deutschland Dinge zu präsentieren, die deutlich zeigen: Die Transformation der Medien ist in vollem Gange. Noch weit revolutionärer, als das neue Konzept mit den Lokalnachrichten umzugehen, ist der jetzt erfolgte Launch der iPad-Version der FR.

Die Kritiker sind voll des Lobes. Von Meedia oder Spiegel: Alle meinen, dass die Rundschau im Moment der Maßstab für die Tageszeitungs-Apps darstellt. Und sie haben recht. Die Inhalte sind speziell für die Möglichkeiten des Tablet-Computers optimiert worden. Dafür hat man offenbar auch die Multimedia-Redaktion personell aufgestockt. Es gibt sogar zwei Versionen in einer App: Wer das iPad vertikal hält, erhält eine reine Magazin-Umsetzung der Zeitung, in der Horizontal-Variante gibt es die Anreicherung mit multimedialen Inhalten. Beide Versionen stellen allerdings nur einen Auszug aus der aktuellen Print-Ausgabe dar. Jede Ausgabe kostet dafür nur 79 Cent statt 1,60 Euro im Einzelverkauf am Kiosk.

Besonders interessant: Der Verlag arbeitet an Bundle-Angeboten. Dann gibt es ein Abo der digitalen Ausgabe in Verbindung mit einem iPad zu einem Bundle-Preis. Wenn sich solche Angebote häufen, dann ist auch der Weg frei für die massenhafte Verbreitung von iPad und anderen Tablet-Computern. In wenigen Wochen will die Frankfurter Rundschau entsprechende Angebote präsentieren. Man darf gespannt sein.

Das Revolutionäre? Die FR hat einen großen Schritt hin zur Digitalisierung der Zeitung gemacht. Ich kann mir gut vorstellen, dass die FR – auch aufgrund des wirtschaftlichen Drucks – eine der ersten Zeitungen in Deutschland sein wird, die das Analoge, mit Druckmaschinen und physischem Vertrieb, hinter sich lassen wird. Dieser Prozess kann nicht in drei Jahren über die Bühne gehen, aber vielleicht in fünf oder acht. Irgendwie ist es auch ein Wettlauf mit der Zeit. Wollen die klassischen Medien die Transformation rasch schaffen (und manche müssen das sogar), dann müssen sie auch für die Verbreitung der Trägermedien für ihren Content sorgen.  Die Rundschau hat das fest vor.

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Gehe zurück zum Lokalen

Ich bin nun seit einigen Wochen wieder einmal temporärer Dauerleser der Frankfurter Rundschau. Heute nun hat das Blatt seit seinem Relaunch und dem Umstellen auf das Tabloid-Format eine erste strukturelle und inhaltliche Anpassung vorgenommen. Am auffälligsten ist dabei: Man besinnt sich auf das Lokale.

Damit wird ganz offiziell, was sich in den vergangenen Jahren bereits abgezeichnet hat. Die überregionale Bedeutung der FR ist nun endgültig vorbei. Vor 18 Jahren zählte die Rundschau noch zu den Pflichtblättern, wenn wir im Publizistikstudium eine Inhaltsanalyse mit überregionalen Blättern machen mussten. Doch auch damals war schon klar: Die Zeitung musste um diese Position kämpfen. Heute müssen die Studenten sicher nicht mehr die FR auswerten, wenn sie Medienwirkung und den Einfluss der Berichterstattung auf Wahlentscheidungen untersuchen wollen.

Einen überregionalen Anspruch hat die FR aus meiner Sicht noch im Politikteil und im Feuilleton. Die Bereiche Wirtschaft und Sport kommen mit großem Abstand. Allenfalls die Berichterstattung über Eintracht Frankfurt ist in letzterem Ressort noch zitierfähig – aber das ist ja dann eigentlich auch nur Lokalberichterstattung.

Den regionalen Serviceteil inklusive Fernsehprogramm hat man in ein separates, geheftetes Buch ausgegliedert. Die Lokalteile hat man durch eine Etablierung mehrerer Lokalausgaben gestärkt und damit auch wieder sichtbarer gemacht. Interessant: Beim wirtschaftlich sicher such irgendwie notwendigen Zusammenstreichen der Stellen in der FR-Redaktion vor einigen Jahren sind vor allem die lokalen Standorte, allen voran Darmstadt und Darmstadt-Dieburg, betroffen gewesen. In diesen Bereichen lässt man sich vom Darmstädter Echo beliefern, womit es hier leider nicht zu einer Meinungsvielfalt kommt. Schade, dass der FR der lange Atem gefehlt hat, dem Echo echte Konkurrenz zu machen. Auch der Platzhirsch ist in den vergangenen Jahren deutlich schwächer in seinem Heimatbereich geworden. Chance vertan.

Ich halte die Rundschau für eine trotz aller schwierigen Umstände für eine recht gute Zeitung. Auch das Tabloid-Format ist absolut in Ordnung. Die Besinnung auf die Region ist korrekt. Damit nähert man sich der Wahrheit auf dem Zeitungsmarkt in Rhein-Main an. Am Ende sind es ja doch die Leser, die über Wohl, Wehe und Zukunft einer Zeitung entscheiden. Für den Bereich um Darmstadt herum würde ich mir – auch als Ergebnis aus Gesprächen mit anderen Leidensgenossen – wünschen, dass die FR auch hier wieder eine eigene Präsenz aufbaut und einen ernstzunehmenden Darmstadt und Darmstadt-Dieburg-Teil etabliert. Dann könnte man auch von einem temporären zu einem Dauerleser werden.

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Von der Auflösung der Zeitungsbücher

Wenn wir jammern, dann auf einem hohen Niveau – das ist richtig. Und das „wir“ schließt mich eindeutig ein. Dennoch kann ich nicht aufhören, mir um den Journalismus und dessen Zukunft – und damit auch meiner beruflichen wie privaten Zukunft – Sorgen zu machen.

Vergangene Woche habe ich mit ehemaligen Kollegen vom Darmstädter Echo zusammengesessen. Ich konnte es mir nicht verkneifen, das Gespräch einmal kurz in Richtung Lokaljournalismus und Qualitätsjournalismus sowie die Zukunft der klassischen Medien in einer sich rasch verändernden Informations-, Wissens- und Kommunikationsgesellschaft zu drehen.

Die zwei Kollegen (Er, Anfang 40, Sie, Anfang 60) haben mich mit ihren Aussagen zum Nachdenken gebracht. Während die Kollegin betonte, der ganze Wandel inkl. dem Schwund von Lesern und Abonnenten sei bei weitem nicht so katastrophal, wie es gerne (auch von mir) beschrieben wird. Die Arbeitsbedingungen seien den Umständen entsprechend noch immer sehr gut.

Der Kollege hat die Situation etwas anders beurteilt. Er bedauert, dass der Redaktionsalltag mit unter anderem dem Redigieren von Fremdtexten immer weniger Freiräume für eigene Geschichten lässt. Der Personalnotstand schlägt also unerbittlich zu. Gerade eigene Geschichten wären es ja, die eine Zeitung von einer anderen unterscheidet. Vielleicht wären diese Geschichten jene, die auch die Erosion bei den Abonnentenzahlen stoppen könnte. Mehr Personalisierung, mehr Meinung, mehr Nähe zum Leser, mehr Exklusivgeschichten, mehr Profil: Das sind meiner Meinung nach einige der Zutaten eines Erfolgsrezeptes. Tatsächlich sind die Verleger da auf einem anderen Trip. Jetzt ist ja beispielsweise bekannt geworden, dass bei der Münchner Abendzeitung 22 von 80 Mitarbeitern aus der Redaktion gehen müssen. Bei gleich bleibender Qualität?

Die Kollegin hat noch etwas anderes Interessantes gesagt. Sie sprach davon, dass die Redaktion selbst, also eigentlich die Redakteure definieren, was sie unter Qualität verstehen. Da dürfe man nicht zu sehr den Leser im Blick haben. Das Niveau gerate da leicht in Gefahr. Ein schöner idealistischer Ansatz. Nur: Inwieweit ist ein solcher, nennen wir ihn einmal anspruchsvollen, Journalismus auf Lokal- und Regionalebene refinanzierbar? Auch dieser Spagat wird aus meiner Sicht immer schwieriger. Die Leserschaft ist einfach zu heterogen, um sich entweder nur auf Intellektuellen- oder nur auf Boulevardjournalismus zu konzentrieren.

Es braucht nicht nur im Netz eine konkrete Ansprache der Zielgruppe. Zur Not muss man dort mehrere Produkte anbieten, um alle potenziellen Nutzer abzufangen. Vielleicht ist es in Print ganz genauso. Insofern ist der Ansatz vieler Verlage mit ihren – nennen wir es einmal – Line-Extensions möglicherweise doch nicht ganz falsch.

Ein regionale Tageszeitung muss künftig vielleicht in mehrere Produkte zerschlagen werden. In enger Abstimmung mit den Aktivitäten im Netz braucht es vielleicht nur zwei Ausgaben pro Woche mit Lesegeschichten und ordentlich recherchierten Storys. Täglich können dann eher die bunteren Themen abgefeiert werden. Ergänzt um einen schlanken Bereich, der sich mit überregionalen Dingen befasst. Zwei Sportausgaben pro Woche wären wahrscheinlich auch ausreichend. Die Kultur wäre außer einem nachrichtlichen Part in der schmalen Tagesausgabe auch mit einer wöchentlichen Variante gut bedient. Das sind jetzt einmal erste Gedanken für eine Neuaufstellung einer klassischen Tageszeitung. Die Redaktionen müssten sich an einen anderen Rhythmus gewöhnen. Ich glaube aber: Es gäbe dann mehr Zeit für eigene Geschichten, mehr Meinung und mehr Profil. Von den Entscheidern wird Mut verlangt – heute mehr denn je.

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Die Transformation

Die Hiobsbotschaften aus der Medienwelt haben noch immer Konjunktur. Jetzt hat erneut die Süddeutsche Zeitung angekündigt, Redakteure entlassen zu wollen. Die Medienkrise ist echt.

Die gesellschaftliche und mediale Transformation ist in vollem Gange. Das Nachrichten-, Informations- und Kommunikationsmonopol der klassichen Medien mit ihrem Sender-Empfänger-Modell ist am Ende. Die massenhafte Informationsverbreitung ist demokratisiert.

Interessant ist im Moment die Diskussion um Qualitätsjournalismus auf regionaler bzw. lokaler Ebene. Blogger mit journalistischem Anspruch und journalistischem Background versuchen die Lücken zu füllen, die die Regionalzeitungen an vielen Orten der Republik gerissen haben. Die herkömmliche Form des Journalismus auf dieser Ebene ist bald nicht mehr finanzierbar – in vielen Fällen ist es schon heute soweit.

Das merken die Medienmanager und versuchen, ihre Konkurrenz im Netz klein zu halten und schlecht zu reden. Das allerdings wird die Verlage von Lokal- und Regionalzeitungen nicht retten. Eine intensive Auseinandersetzung mit der neuen Situation, dem neuen Nutzerverhalten und den neuen Angeboten im Netz und darüber hinaus ist notwendig. Zu oft herrschen Angst und Mutlosigkeit bei den Medienmanagern vor.

Zum Glück gibt es positive Beispiele. Diese will ich künftig an dieser Stelle im einzelnen vorstellen. Wenn einer der Leser weitere Beispiele aus seiner Region kennt oder selber ein Protagonist in diesem Feld ist, möge er sich doch bitte melden.

Sehr umtriebig ist in diesem Zusammenhang der Südkurier aus Konstanz. Jetzt ist das Medienhaus mit einer iPhone-Applikation gestartet, die sich durch einen absolut richtigen Ansatz auszeichnet. Der Südkurier bekennt sich hier klar zur Region, zu seinem gesamten Verbreitungsgebiet bis in den kleinsten Winkel. Ganz vorne stehen die Meldungen aus der Region. Das ist das wichtigste Asset einer Lokalzeitung. Dort muss sie gut sein und Präsenz zeigen, auf allen Kanälen. Ein Ausdünnen der Redaktionen auf dem platten Land ist der Anfang von Ende.

Beim Start der App kann die Ortung gestartet werden. Es kann aber auch manuell festgelegt werden, für welche Kommune man sich besonders interessiert. Ein Branchenverzeichnis berücksichtigt den eigenen Standort. Wer beispielsweise nach einem Elektronikmarkt sucht, der kann sich auch die Route berechnen lassen. Übrige Nachrichten, die sonst auch jeder hat, und sich die Nutzer in der Regel von anderen Quellen ziehen, treten klar in den Hintergrund.

Wie groß der wirtschaftliche Erfolg einer solchen Geschichte ist, vermag ich jetzt noch nicht zu beurteilen. Tatsache ist aber: Wer sich mit neuen Angeboten für das Netz oder mobile Endgeräte beschäftigt, bekommt einen anderen Blick auf die Dinge, die man schon seit Ewigkeiten betreibt. Die Transformation kann von dem Besitzstand nicht ferngehalten werden. Die Transformation findet statt, selbst wenn man denkt, man müsse nicht daran teilnehmen.

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