Sorgen um Nido

Nido, das Familienmagazin aus dem Hause Gruner+Jahr, macht mir Sorgen. Also, eigentlich keine echten Sorgen. Aber es ist noch ein vergleichsweise junges Pflänzchen, das an die Magazine Stern und Neon angedockt ist. Eigentlich braucht es noch Zeit. Die Frage ist nur, wie viel Zeit es noch hat.

Inhaltlich bietet es die Spannung zwischen Zustimmung und totaler Ablehnung. Das ist ein Grund, warum ich es ganz gern in Händen halte. Manchmal reibe ich mich an den Inhalten (bis zu einer bestimmten Grenze) und manchmal will man lesen, dass andere der gleichen Meinung sind wie man selbst.

In der aktuellen Ausgabe habe ich mit Erschrecken festgestellt, dass das Anzeigenaufkommen erschütternd ist. 17 ganzseitige und zwei halbseitige Anzeigen verlieren sich auf 140 Seiten Gesamtumfang. Nur zwei von den ganzseitigen und die beiden halbseitigen Anzeigen dürften richtig bezahlt worden sein. Vier Seiten haben Vereine bzw. die öffentliche Hand gebucht. Auf elf Seiten finden sich Eígenanzeigen. Im Mai 2010 wurde das Magazin auf eine monatliche Erscheinungsweise umgestellt. Die Druckauflage liegt bei 150000.

Ich bezweifle ja, dass sich das Ganze rechnet. Möglicherweise trägt die Eigenwerbung vor allem für die anderen Titel von Gruner+Jahr von Brigitte über Schöner Wohnen bis hin zu Art zur Abonnentengewinnung dieser Zeitschriften bei. Wenn meine Vermutung richtig ist, frage ich mich, wie man auf Dauer die Finanzierung hin bekommen will. Eigentlich würde ich mich gern noch etwas länger an den Inhalten reiben, und das Pflänzchen länger wachsen sehen.

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Gelesen 17

Dieter Moor: Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht
Dieter Moor: Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht

Eine Liebeserklärung an Brandenburg, das platte Land, die Provinz. Das ist das Buch „Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht – Geschichten aus der arschlochfreien Zone“ von Dieter Moor, sagen wir einmal bekannt aus Film und Fernsehen.

Moor nimmt den Leser mit auf die Reise nach Amerika, in ein Dorf im Brandenburgischen. Dorthin zieht er mit Frau und Viechern. Er lässt die schweizerische Modelleisenbahn-Landschaft inklusive des zu klein gewordenen Hofes hinter sich. Auch der kleine Schweizer in ihm wird im Verlauf des Buches immer leiser.

Am Anfang dachte ich noch: Eigentlich handelt es sich um ein Buch, das kein Mensch wirklich braucht. Da erzählt einer, den noch nicht einmal wahnsinnig viele Menschen kennen dürften, von seinem Umzug und dem Beginn eines neuen Lebens – relativ – fern der Heimat. Aber eben nicht in New York, Sydney, Tokio oder Hongkong, sondern in einem 200-Seelen-Nest im Osten Deutschlands.

Nach anfänglichen Bedenken nimmt das Buch aber recht schnell und ordentlich Fahrt auf. Dieter Moor hat zwar bisher noch kein Buch geschrieben. Wer allerdings seine pointierte und wortgewandte Art aus dem Fernsehen kennt, kann erahnen, dass die Kombination funktionieren muss. Ich schätze ihn schon seit „Canale Grande“-Tagen. So híeß das einzige wirklich großartige Medienmagazin im deutschen Fernsehen, was leider auf Vox sein Dasein fristen musste und so einer breiteren Seherschaft verborgen blieb. Jetzt moderiert er „Titel, Thesen, Temperamente“ in der ARD in Tagesrandlage.

Dieter und Sonja Moor verdingen sich unter anderem als Biobauern. Zuerst werden sie von den Ureinwohnern Amerikas noch skeptisch beäugt. Schnell aber zollen sie den Neuankömmlingen Respekt. Davor liegt aber ein Zeit des Hoffens und Bangens, dass sich die ersten Eindrücke nur nicht bestätigen werden. Moors Frau Sonja hat den Hof selbstständig ausgesucht – und zuerst sieht alles nach einem katastrophalen Fehlkauf aus. Nach und nach bauen beide Seiten – Zugezogene und Einheimische – ihre Vorurteile ab. Gemeinsam gehen sie in eine rosige Zukunft voller Hilfsbereitschaft und Vertrauen.

Besonders hängen geblieben sind die Episoden rund um das Fällen einer Tanne auf dem Grundstück in Gebäudenähe und die Story, als Moor mit seinen neuen Freunden Neonazis vom Feuerwehrfest vertreiben.

„Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht – Geschichten aus der arschlochfreien Zone“ ist ein wunderbar kurzweiliges und mit viel Wortwitz durchsetztes Buch. Absolute Leseempfehlung. 8 von 10 Punkten hat es allemal verdient – an zwei oder drei Stellen sind mir Charakterisierung von Typen und die Schilderung bestimmter Ereignisse zu ausführlich geraten.

Dieter Moor, Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht – Geschichten aus der arschlochfreien Zone, 2009, RoRoRo, 304 Seiten, 8,95 Euro

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Alle Kanäle und vieles anders

Mich wie viele andere der Szene umtreibt die Frage, wie der Journalismus der Zukunft aussieht. Welche herkömmlichen Medien werden die Zeiten überstehen, für wen ist kein Platz mehr? Wie ändert sich die Art der Rezeption? Was wollen die Medienkonsumenten der Zukunft? Wie heißen die Meinungsführer von morgen? Welche Möglichkeiten der Refinanzierung von Informations- und Lebenshilfeangeboten wird es geben. Ist herkömmlicher Journalismus überhaupt finanzierbar? Was ist Journalismus überhaupt? Und, und, und…

Der Prognosen gibt es viele, immer wieder muss man aber auch den Status Quo in Frage stellen und seine einmal erstellte Prognose hinterfragen. Clive Thompson hat mit seinem Beitrag in der aktuellen Wired meine Gehirnzellen angeregt. Er versucht mit dem Vorurteil aufzuräumen, das Twitter-Nachrichten und Status-Updates dafür gesorgt haben, dass die neuen Leser weder dazu bereit noch in der Lage sind, sich mit tiefgehenden und ausführlichen Texten und Analysen auseinanderzusetzen.

Er zeigt, wie sich das Microblogging auf das herkömmliche Bloggen auswirkt. Früher war es wichtig, dass der Blogger am besten mehrmals täglich eher kürzere Beiträge gepostet hat. Durchaus mit analytischem, aber nicht gerade sehr tief greifendem Ansatz. Heute sei es üblich, tiefer gehende und ausrecherchierte Beiträge zu bloggen. Die Aktualität und Frequenz spiele dabei nicht die ganz große Rolle. Für die USA sieht er diesen Prozess schon recht weit fortgeschritten. Er zitiert einen anerkannten Blogger, der ganz klar sagt, das die schnelle Nachricht/Information über Twitter raus geht. Blogbeiträge entstehen nur dann, wenn er wirklich etwas zu sagen hat. Und das muss keinesfalls täglich der Fall sein.

Ich teile diese Einschätzung. Die Nutzung aller Kanäle sind der Königsweg, heute zumindest. Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Tweet von Thomas Knüwer vom 5. Januar 2010 („5 neue Volontäre an einer Journalistenschule – keiner hat ein Blog, keiner ist bei Twitter. Viel Glück – Ihr werdet es verdammt nötig haben“).

Clive Thompson bringt natürlich auch das Thema Long Tail auf den Tisch. Die Nachhaltigkeit von im Internet publizierten Beiträgen ist durchaus vorhanden. Selbst ich merke mit meinen noch bescheidenen Blog-Projekten, dass bestimmte Themen ein lange Karriere haben und immer wieder alte Beiträge über Google aufgerufen werden.

Aus seiner Sicht wären die Verlierer dieser Entwicklung die Wochenmagazine wie Time und Newsweek (und natürlich die Entsprechungen auf anderen Märkten), die versuchen in kürzester Zeit mit mitteltiefgehenden Analysen auf aktuelle Ereignisse zu reagieren. Andere – ich meine vor allem hiesige – Stimmen sagen, dass gerade diese Medien vor allem im Vergleich zur Tageszeitung eine „rosige“ Zukunft vor sich haben. Das dachte ich bislang auch. Allerdings sind die Aussagen von Thompson wirklich stichhaltig. Abschließende Analysen sind aus dessen Sicht nicht mehr nur den Buchschreibern vorbehalten. Auch im Netz ist Tiefgang möglich – auch das sehe ich genau so.

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Gelesen 16

146514117 e2dae842a5Irgendwie passt das Buch zu Weihnachten. Engel spielen im Leben und entsprechend auch in den Memoiren von Modeschöpfer Harald Glööckler eine herausragende Rolle. Er glaubt an die Macht der Engel – in vielen Lebenssituationen standen sie ihm zur Seite und halfen dem Meister der Selbstinszenierung die richtige Entscheidung zu treffen.

Harald Glööckler stammt aus dem Maulbronner Ortsteil Zaiersweiher, schwäbische Provinz. Die Eltern seines Vaters hatten einen großen Bauernhof, sein Vater war Metzger und seine Mutter war seine erste große Liebe. Dramatischer Höhepunkt des ersten Kapitels ist der Tod seiner Mutter. Glaubt man der Darstellung Glööcklers, dem zum Verfassen des Buches die Autorin Christiane Stella Bongertz zur Seite stand, ist die Mutter im Alter von 39 Jahren an den Folgen eines Treppensturzes gestorben. Sein Vater habe sie in Rage und volltrunkenem Zustand die Treppe hinuntergestoßen, schreibt Glööckler.

Im weiteren Verlauf des Buches beschreibt der exaltierte Modeschöpfer das Auf und Ab seiner geschäftlichen Bemühungen, an denen von Beginn an sein Lebensgefährte Dieter Schroth beteilgt war und bis zum heutigen Tage ist. Deutlich mehr Aufwand betreibt er allerdings beim Beschreiben seiner aus seiner Sicht überschwänglichen Erfolge. Die harten Zeiten kommen oft nur beiläufig vor. Dennoch erfährt man viel über das System Glööckler und die Bedeutung von Show und Promis für seinen mutmaßlichen Erfolg. Es kann einem schon schwindlig werden, wenn man liest wie Glööckler um die Welt jettet, um Promis zu besuchen und seine Shows (die eher im näheren Umfeld) zu bestreiten. Dabei handelt es sich natürlich in der Regel um Frauen. Am liebsten hat er Gina Lollobrigida, Brigitte Nielsen und die Weather Girls. Zugegeben, seine Top-Stars hatten zu jener Zeit, als er sie zu seinen Shows bestellte, die besten Zeiten schon hinter sich. Offensichtlich hat das dem bunten Treiben von Harald Glööckler nicht geschadet.

Zufälle haben ihn immer wieder in die Arme von Leuten getrieben, die ihm mit Anerkennung begegneten und zu neuen Aufträgen und Aufgaben verholfen. Leute, die den selbst ernannten Modezar nicht schon seit 20 Jahren auf dem Schirm haben, werden ihn wohl hauptsächlich als Verkäufer in Teleshoppingsendern kennen. Schicksalhaft war seine Begegnung mit dem damaligen Chef von HSE 24, Dr. Konrad Hilbers. Er machte Glööckler zum Teleshoppingstar und brachte diesen seinem Traum ein bisschen näher, aus jeder Frau eine Prinzessin zu machen. Ab 2011 ist Glööckler bei QVC unter Vertrag. Seit Hilbers 2007 eine Aufgabe im damaligen HSE 24-Mutterkonzern Arcandor antrat, habe sich bei dem Ismaninger Unternehmen vieles zum Schlechten verändert, schreibt Glööckler ein wenig enttäuscht und verbittert. Jetzt geht er mit den Teilen seiner Pompöös-Kollektion beim Düsseldorfer Konkurrenten auf Sender. Im Klingel-Katalog ist er mittlerweile mit dem Label Glööckler präsent.

Die Autobiographie von Harald Glööckler ist insgesamt eine recht kurzweilige und unterhaltsame Lektüre. Er ist eine schillernde Figur in der Modeszene. Er ist umstritten und wird sicher nicht von allen geliebt. Viele seiner Kundinnen scheinen jedoch echte, hartgesottene Fans zu sein. Für alle, die an Engel glauben und den Protagonisten gut finden, ist dieses Buch eine Pflichtlektüre. Man muss allerdings stets beachten, dass die Grenze zwischen Realität und Fiktion nicht ganz klar ist, in Glööcklers Buch wie in seinem Leben.

Absolutes Manko: Es fehlen die Bilder im Buch. Gern würde man sehen, in welchen Outfits sich Glööckler bei seinen Shows und Partys präsentiert hat. Auch die Auftritte mit den Promis hätte ich gern dokumentiert bekommen. Genial hingegen ist der Schutzumschlag, der sich zu einem Poster auffalten lässt, mit großartigen Porträts des 45-Jährigen. Da ich nicht wirklich ein Glööckler-Fan bin, bekommt das in vielen Passagen etwas zu leicht daher kommende Buch 4 von 10 Punkten.

Harald Glööckler und Christiane Stella Bongertz, Harald Glööckler, Lübbe, 2010, 272 Seiten, 19,90 Euro.

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Dann wandern Sie doch aus, Frau Weiguny!

Ich finde es wirklich großartig, wenn sich Akademiker dafür entscheiden, auch mal mehr als ein oder gar zwei Kinder in die Welt zu setzen. Ich finde es auch großartig, dass Bettina Weiguny von der FAS drei Kinder hat. Gefallen kann mir nicht, dass die FAZ seit Monaten, ja eigentlich seit Jahren, gegen das Elterngeld wettert.

Frau Weiguny lässt sich darüber aus, dass es Leute gibt, die sich mit den 3600 Euro (in einzelnen Fällen kommen übrigens noch Zulagen hinzu) zwei Monate Urlaub in weit entfernten Destinationen gönnen. Ich finde das auch nicht sinnhaft, allerdings hätte ich mir solche Eskapaden auch nicht leisten können. Normal verdienende Menschen mit einem spießigen Leben wie ich, müssen nämlich Rücklagen bilden. Dazu kommen noch die Gehaltseinbußen durch Reduzierung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld (falls vorhanden). Dem zu versteuernden Einkommen wird das Elterngeld auch noch hinzugerechnet, Frau Weiguny. Dann ist die Belastung für die armen Steuerzahler, die die Familien an dieser Stelle unterstützen, auch nicht mehr ganz so arg.

Natürlich haben wir unser drittes Kind nicht wegen des Elterngeldes bekommen. Da bin ich völlig bei der Autorin des FAS-Beitrags „Elterngeld zeugt keine Kinder“. Wenn das Elterngeld aber dazu beiträgt, dass das Klima pro Kind in unserer Gesellschaft besser wird, dann lohnt es sich allemal. Es ist doch immer noch so, dass der Großteil der Arbeitgeber es nicht so gern sieht, wenn seine männliche Fachkraft um die Auszeit bittet. In der Wirtschaft, die ein Spiegelbild der Gesellschaft ist, herrscht Familien- und Kinderfeindlichkeit. Wie kann man dieses Thema denn in den Griff bekommen, FAZ, FAS und Frau Weiguny?

Und dabei sind es gerade auch Menschen mit Familie, die eine große Leistungsbereitschaft haben und sehr produktiv sind. Leider kann man das nicht in Zahlen fassen wie das Elterngeld und die Kosten, die die arme Gesellschaft zu schultern hat, um etwas wie Familie zu fördern.

Frau Weiguny ist nicht mehr bereit, den gut Verdienenden ihren Urlaub nach Niederkunft zu finanzieren. Da bleibt nur Auswandern oder weiter Stimmung gegen das Elterngeld zu machen, bis sich eine Regierung findet, die es wieder abschafft. Ich glaube, wir haben andere, dringlichere Probleme

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Gelesen 15

Das Ende ist mein Anfang von Tiziano Terzani.

Ich bin zum Glück eher selten auf Beerdigungen. Jetzt wollte es der Zufall, dass ich mit der Lektüre eines Buches, in dem es ums Sterben geht, genau einen Tag vor der Beerdigung meines Onkels fertig wurde.

„Das Ende ist mein Anfang“ heißt das Buch, in dem die Gespräche von Schriftsteller und Journalist Tiziano Terzani mit seinem Sohn Folco festgehalten sind, die die beiden in den letzten Lebensmonaten des ehemaligen Spiegel-Korrespondenten geführt haben.

Der Vater hat seine Sohn gebeten, sich die Zeit zu nehmen und die Gespräche aufzuzeichnen. Das Buch ist schon einige Zeit erhältlich und hat sich zu einem Longseller gemausert.

Es besteht grob gesagt aus zwei Teilen. Zum einen erzählt Tiziano Terzani von der Zeit, als er mit seiner Familie an verschiedenen Orten in Fernost lebte und als Korrespondent tätig war. Die Darstellung der Situationen in China und Japan ist sehr lebendig. Man lernt einiges über die jüngere Geschichte. In einem zweiten Teil steht das Sinnieren über das Leben und Sterben im Mittelpunkt.

Der Stil in dem ganzen Buch ist unaufgeregt und entspannt, selbst wenn dramatische Szenen beschrieben werden. Dieser rote Faden ist es auch, der die Lektüre sehr angenehm macht. Die Gedanken zur Vergänglichkeit beinhalten nun nicht unbedingt neue Aspekte. Allerdings baut der Leser im Verlauf des Buchs natürlich ein Beziehung zu den beiden Protagonisten auf. Tiziano Terzani blickt auf ein erfülltes Leben zurück, er ist zufrieden. Diese Zufriedenheit strahlt auf die Einschätzung von Leben und Sterben aus. Es handelt sich um ein Kontinuum. Sterben gehört zum Leben dazu. Die Möglichkeiten und Chancen, die das Leben bietet, stellt Terzani als etwas Wunderbares dar. Damit wird „Das Ende ist mein Anfang“ zu einem Mut-Mach-Buch.

Auf der anderen Seite habe ich allerdings relativ lange an der Lektüre gearbeitet. Phasenweise wird es dann doch zu ausführlich. Einem zu großen Teilen entspannten Buch fehlt es natürlich an Spannung. Auch die Ausdrucksweise und der Stil sind mir gelegentlich zu pathetisch-italienisch. Einblick in das Leben und Arbeiten eines Journalisten gibt das Werk nur sehr rudimentär.

Wenn die Lektüre zu Lebenssituation passt, es also einen Anlass gibt, sich mit Leben und Sterben auseinanderzusetzen, dann kann sie schon sehr bereichernd sein. In diesem Fall vergebe ich 8 von 10 Punkten. Als Lektüre einfach nur so, würde ich „Das Ende ist mein Anfang“ nur eingeschränkt empfehlen (5 von 10 Punkten).

„Das Ende ist mein Anfang“ von Tiziano Terzani, 2007, Deutsche Verlags-Anstalt, 416 Seiten, gebunden, 19,95 Euro. Das Buch ist auch bei Goldmann als Taschenbuch für 9,99 Euro erhältlich. Das Buch wurde auch verfilmt. Im Oktober hatte der Kinofilm mit Bruno Ganz in der Hauptrolle Premiere.

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Nichts ist schneller als Twitter

Am Dienstag war ich auf dem Weg nach Düsseldorf. Im Zug. Um 10 Uhr sollte der Kongress beginnen. Ein bisschen Puffer hatte ich eingeplant. Ein Blick aufs Smartphone, Twitter. Wirtschaftswoche-Kollege Thomas Kuhn (@ThomasKuhn) schreibt um kurz nach 8, dass der Düsseldorfer Hauptbahnhof gesperrt ist. Polizeiliche Ermittlungen nach dem Fund eines herrenlosen Koffers. Die Züge stauen sich, ein Halten oder Durchfahren unmöglich.

Diese Meldung war sicher nicht die erste zu dem Thema, allerdings war Twitter mal wieder schneller als alle anderen. Auch über die Accounts der Medien, die ihr klassisches Geschäft vor Ort betreiben (wie die Rheinische Post), kam nichts. Über das kontinuierliche Suchen mit den Hashtags #duesseldorf und #düsseldorf hat sich das Bild zur Situation in Düsseldorf weiter geklärt. Die Durchsagen an den unterschiedlichen Orten (Bahnhöfe und betroffene Züge) wurden nicht in großer Zahl, aber doch gut wiedergegeben.

In Köln sind wir dann zurückgehalten worden, zuerst hieß es, der Zug umfahre Düsseldorf und fahre direkt nach Duisburg, dem nächsten Halt. Doch dann kam über Twitter die Nachricht, dass der Bahnhof wieder freigegeben ist. Dann folgte auch die Durchsage in unserem Zug. Schließlich ging es weiter nach Düsseldorf. An Gleis 13 war noch alles abgesperrt. Ein Foto von dem Koffer konnte ich auch noch machen. Ich hatte telefonisch (wie altmodisch!) nach Düsseldorf durchgegeben, dass es im Zugverkehr zu Problemen kommt. Der Kongress begann eine Viertel Stunde später. Ich habe noch alles mitbekommen.

Solche Geschichten über Twitter sind nicht neu. Dennoch ist es ganz beeindruckend, wenn man mit dem eigenen Leib und Geist erleben kann, wie großartig dieser Microblogging-Dienst ist und funktioniert. Die Nachrichten-Websites haben hier ihre große Konkurrenz, wenn es um Schnelligkeit geht. Aber sie haben hier auch eine unschätzbare Quelle und Chance.

Nur Letzteres müssen viele erst noch begreifen. Im Grundssatz lehnen sie ja diese Art des Bürgerjournalismus ab. Mit ihren Verweisen auf Qualitätsjournalismus und mit einem ordentlichen Schuss Arroganz.

Übrigens: Die Geschichte mit dem Koffer war ja eher ein lokales Ereignis und ist daher in den überregionalen Medien meines Wissens nicht besonders hoch gekocht worden – und das ist auch gut so. Daher gebe ich hier in eigenen Worten wieder, was ich dann gestern in der Rheinischen Post Print (wie altmodisch!) gelesen habe (ja, Tageszeitungen haben noch eine Relevanz). Ein 39-jähriger Pole hat demnach den Koffer mit Sperrmüll und Bierflasche auf dem Bahnsteig abgestellt. Er wollte noch einmal in den Stadtteil Garath zurück, um dort noch mehr Sperrmüll abzuholen, den er dann in der Heiimat verhökern wollte. Als er wieder im Hauptbahnhof auftauchte, wurde er als der Mann identifiziert, der den Koffer dort abgestellt hatte (Aufzeichnung der Überwachungskamera). Er dachte, den Deutschen könne man trauen, und sie würden das Gepäckstück nicht einfach mitnehmen, weil sie so ehrliche Menschen seien.

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Koch und BB

Am Ende seiner Regierungszeit ließ er mit Hilfe seiner Kommunikationsstrategen noch heftig dementieren, dass er an die Spitze des Baukonzern Bilfinger Berger wechseln werde, wenn er denn die Politik hinter sich lässt. Der Bild-Zeitung gelang damals dieser Scoop – wobei man da auch vorsichtig sein muss, schließlich kann sogar das Durchsickern der Information Teil der Strategie gewesen sein.

Heute ist nun klar, das der umstrittene Machtpolitiker der Union künftig Boss und Unternehmenslenker sein wird. Ganz spontan kommt einem die Frage: Was qualifiziert einen Spitzenpolitiker für ein solches Amt, außer seinen rhetorischen Fähigkeiten und dem Netzwerk, das er während seiner politischen Laufbahn geknüpft hat? Reicht das tatsächlich schon aus, um die Geschicke eines Unternehmens mit rund 10 Mrd. Euro Jahresumsatz und 68000 Mitarbeitern zu lenken? An der Börse wurde die Nachricht nicht sehr positiv beurteilt.

Das Ganze mutet doch sehr anrüchig an. Es ist kein Geheimnis, dass Bilfinger Berger von dem mit aller Macht von der Koch-Regierung vorangetriebenen Flughafenausbau in Frankfurt profitieren wird. Schäbig ist es allerdings, dass sich vor allem die Politiker anderer etablierter Parteien empören. Schließlich sind auch die Karrieren anderer politischer Spitzenkräfte in der Wirtschaft fortgesetzt worden, nachdem sie keine Lust mehr auf die immer gleichen Machtkämpfe auf der politischen Bühne hatten.

Den Medien tut sich hier ein schönes Feld auf, um diesen Fall und künftige, ähnlich gelagerte Fälle zu beleuchten und zu analysieren. Also Qualitätsjournalismus, jetzt musst Du ran!

Vielleicht wird man allerdings zu dem Ergebnis kommen, dass das Zusammenwachsen von Politik und Wirtschaft – nicht nur durch auf den ersten Blick unsichtbaren Lobbyismus – integraler, systemimmanenter Teil unserer Gesellschaft, unserer Demokratie ist. Das mag man finden, wie man will. Möglicherweise lässt sich dieser Trend aber auch nicht stoppen. Und dann?

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Lesen, Schreiben, Lesen

Nur zwei Stunden war ich auf der Buchmesse in Frankfurt unterwegs. Und es war wahnsinnig inspirierend. Großartige Bücher werden dort regelmäßig großartig präsentiert. Die Atmosphäre gefällt mir immer sehr gut. Kreative treffen auf Neugierige, die ihren Wissensdurst mit Hilfe des – noch immer meist – gedruckten Wortes befriedigen wollen. Und natürlich auf Händler, die ich hier nicht unterschlagen möchte.

Besonders viel Spaß haben mir die Kinderbuchverlage gemacht. Bücher für Kinder sind etwas Wunderbares. Heute lese ich noch sehr viel vor. In wenigen Jahren werden die wissbegierigen Kleinen hoffentlich vornehmlich Bücher (oder auch digitale Endgeräte, auf denen Buchstaben und Illustrationen weiterleben werden) nutzen, um ihre Neugier und ihren Wissensdurst zu befriedigen.

Man sagt mir innerfamiliär nach, dass ich schon immer eine Leseratte gewesen bin. Objektiv betrachtet ist das nicht ganz richtig. Es gibt sicher Menschen, die noch viel mehr lesen und gelesen haben als ich. Dennoch halte ich mich für ein recht gutes Vorbild für meine Kinder. Fast schon peinlich ist es mir, dass es jemanden in meiner näheren Verwandschaft gibt, der geradezu stolz ist, nie auch nur ein einziges Buch gelesen zu haben bzw. sich nicht mehr daran erinnern zu können. Wie ist ein solches Leben möglich?

Nun gut. Das mit den Maßstäben ist so eine Sache. Neulich habe ich aber auch anderer Stelle etwas gehört, was mich damals nachdenklich gemacht hat und nach dem Besuch der Messe wieder in mir hochgekommen ist. Es wurde in einem größeren Kreis darüber diskutiert, ob es sinnvoll ist, dass die Kinder so schreiben lernen, wie es im Moment modern ist. Also nach Gehör und mit Hilfe einer Buchstabentabelle ohne ein Korrektiv. Ein Vater sagte, dass es bei seinem größeren Sohn später nie mehr mit der Rechtschreibung geklappt habe. Die Pädagogen setzen unter anderem darauf, dass durch das Lesen Orthographie nebenbei gelernt wird. Er sagte, Lesen sei halt nicht das Ding des Jungen.

Bong, das hat gesessen und einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen. Das Heranführen an das Lesen, die Bücher, von mir aus auch an digitale Endgeräte ist doch in der Regel die Aufgabe der Eltern, allenfalls der Eltern in Kooperation mit der Schule und den Lehrern. Einfach die Lehrmethode zu hinterfragen und zu verurteilen, und dann noch seinen Anteil am Ganzen auszublenden, halte ich für schwierig.

Ich bin froh, wenn die Kinder den Spaß am Schreiben nicht schon in den ersten Monaten in der Schule verlieren. Ich schreibe gern, wenn das meinen Kindern genauso geht (sie müssen ja nicht gerade Schriftsteller oder Journalist werden), ist mir das sehr recht. Und lesen sollen sie auch – und zwar sollen sie mehr Zeit damit verbringen, als mit jeder anderen Indoor-Aktivität. Ich weiß, die positiven Effekte von Fernsehen, Computer/Internet und Videospielen zu schätzen. Doch den Wissensdurst stillt man immer noch am besten mit Lesen. Weitere positive Effekte nimmt man da doch gerne mit.

Also: Lesen, Schreiben, Lesen – und das mit Spaß und Begeisterung. Nur so können die Kinder auch Gefallen an Sprache und Schrift finden. Der Rest ist dann eigentlich egal.

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Gelesen 14

Nein, nicht schon wieder Managementliteratur. Das hunderttausendste Buch, das mit erhobenem Zeigefinger und apokalyptischen Drohgebärden Druck auf mich und meine Art, meine Leute und das Unternehmen zu führen, ausüben möchte. In Buchstaben gegossenes Besserwissertum, von Leuten (Beratern!), die keine Ahnung haben – und davon ziemlich viel. Ein Bombardement von markigen Sprüchen mit Gehirnwindungsverankerungspotenzial – die sich nach genauem Hinsehen als Worthülsen entlarven lassen.

Stopp. Genau das ist es nicht. „Nur Tote bleiben liegen“ von Anja Förster und Peter Kreuz wirkt da ganz anders – wenn die typischen Eigenschaften von Managementliteratur auch hier an einigen Stellen aufblitzen. Dieses Buch wirkt auf den Leser – Offenheit vorausgesetzt – wie ein reinigendes Gewitter. Die Autoren, als Berater sind sie regelmäßig für die ganz großen Unternehmen unterschiedlicher Branchen im Einsatz, machen nicht nur deutlich, dass in Unternehmen zahlreiche Fehler gemacht werden, und damit das Potenzial von Mitarbeitern und Organisation mit Füßen getreten aber sicher nicht realisiert wird. Die positive Stimmung überwiegt. Zahlreiche Beispiele von Unternehmen, die das Außergewöhnliche wagen und damit vom Unternehmensführungs-Mainstream abweichen, machen Mut, als Führungskraft/Entscheider eben auch einmal aus den engen Vorgaben überholter Methoden auszubrechen. Das Buch ist gut strukturiert, sehr gut gestaltet, leicht erfassbar. Also Manager: Es gibt keine Ausrede, die paar Stunden nicht zu investieren. Außerdem gibt es das Buch auch als Hörbuch. Auto-CD-Player, MP3-Player – ist ja alles schon erfunden.

Du bist kein Entscheider, bist aber irgendwie Teil der Wissensgesellschaft, und glaubst, dieses Buch ist nichts für Dich? Weit gefehlt. Die Autoren schaffen es in diesem Buch, dass sich offensichtlich an Manager richtet, die Relevanz bestimmter Strömungen in der Internet-Gesellschaft vom unternehmerischen Umfeld auf alle Bereiche des Lebens auszuweiten. Neue Theorien oder gesellschaftsanalytische Aspekte decken sie vielleicht nicht gerade auf. Es gelingt ihnen jedoch herausragend, solche Themen wie Schwarmintelligenz und Tipping Point so geschickt unter einen Hut zu bekommen, das die Horizonterweiterung beim Lesen ganz automatisch kommt. Sie zeigen, was eine Internet-Gesellschaft, für die es ganz normal ist, sich massenmedial mitzuteilen und für alle sichtbar mitzureden, auszeichnet. Sie zeigen, wie sich das auf Unternehmen und de Art der Mitarbeiterführung auswirkt. Und gleichzeitig stellen sie dar, wie sich die ganze Welt durch das – sagen wir abgedroschenerweise – Web 2.0 verändert. Man muss sich fragen: Wie ist in unserer Zeit Unternehmensführung möglich? Genauso: Wie ist Politik möglich? Wie ist überhaupt Gesellschaft möglich? Auf die erste Frage gibt es reichlich Antworten in dem Buch. Die beiden letzte Fragen sind nur durch Ableitung zu beantworten, aber natürlich nicht endgültig.

Der Wirbel um Stuttgart 21 ist für mich durch das Buch nochmal verständlicher geworden. Social Media spielt bei der Entwicklung dieses Themas eine riesige Rolle. Das lokale Ereignis gewinnt nicht nur mittels Berichterstattung in Tagesschau und Heute Journal eine überregionale Bedeutung. Die Macht der Vielen manifestiert sich nicht mehr nur an der Wahlurne. Politik muss umdenken. Politiker sollten dieses Buch lesen und sich spätestens dann Gedanken machen.

Mir persönlich gefallen die Gedanken in den ersten drei der elf Kapitel des Buches am besten. Hervorragend wird gezeigt, wie sich die Unternehmensführung zur Not auch von unten ändern wird. Die Führungskraft in einem Unternehmen der Wissensgesellschaft muss sich und seine Aufgabe neu definieren – das wird mit der Lektüre evident. Ein Mutmacher für einen wie mich ist das Buch allemal. Ziel erreicht.

„Nur Tote bleiben liegen“ von Anja Förster und Peter Kreuz erhält von mir 9 von 10 möglichen Punkten. Abstriche gibt es, weil es eben Managementliteratur ist, die ein besseres Bild vom Unternehmertum zeichnet, als es im Moment tatsächlich noch ist. Dabei schwingt die Angst mit, dass dieses Buch zu wenige Entscheider lesen. Und: Wenn es welche lesen, besteht immer noch die Gefahr, dass sie die Inhalte nicht verstehen, nicht an sich heranlassen oder sowieso der Meinung sind, dass sie genau so sind, wie es in dem Buch idealtypisch beschrieben wird – obwohl es keineswegs so ist.

Anja Förster und Peter Kreuz, Nur Tote bleiben liegen, Campus, 247 Seiten, 24,90 Euro

Da Transparenz alles ist, sei hier erwähnt, dass ich das Buch kostenlos erhalten habe, weil ich als einer von zehn Bloggern ausgewählt wurde, über dieses Buch zu schreiben.

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