Koch und BB

Am Ende seiner Regierungszeit ließ er mit Hilfe seiner Kommunikationsstrategen noch heftig dementieren, dass er an die Spitze des Baukonzern Bilfinger Berger wechseln werde, wenn er denn die Politik hinter sich lässt. Der Bild-Zeitung gelang damals dieser Scoop – wobei man da auch vorsichtig sein muss, schließlich kann sogar das Durchsickern der Information Teil der Strategie gewesen sein.

Heute ist nun klar, das der umstrittene Machtpolitiker der Union künftig Boss und Unternehmenslenker sein wird. Ganz spontan kommt einem die Frage: Was qualifiziert einen Spitzenpolitiker für ein solches Amt, außer seinen rhetorischen Fähigkeiten und dem Netzwerk, das er während seiner politischen Laufbahn geknüpft hat? Reicht das tatsächlich schon aus, um die Geschicke eines Unternehmens mit rund 10 Mrd. Euro Jahresumsatz und 68000 Mitarbeitern zu lenken? An der Börse wurde die Nachricht nicht sehr positiv beurteilt.

Das Ganze mutet doch sehr anrüchig an. Es ist kein Geheimnis, dass Bilfinger Berger von dem mit aller Macht von der Koch-Regierung vorangetriebenen Flughafenausbau in Frankfurt profitieren wird. Schäbig ist es allerdings, dass sich vor allem die Politiker anderer etablierter Parteien empören. Schließlich sind auch die Karrieren anderer politischer Spitzenkräfte in der Wirtschaft fortgesetzt worden, nachdem sie keine Lust mehr auf die immer gleichen Machtkämpfe auf der politischen Bühne hatten.

Den Medien tut sich hier ein schönes Feld auf, um diesen Fall und künftige, ähnlich gelagerte Fälle zu beleuchten und zu analysieren. Also Qualitätsjournalismus, jetzt musst Du ran!

Vielleicht wird man allerdings zu dem Ergebnis kommen, dass das Zusammenwachsen von Politik und Wirtschaft – nicht nur durch auf den ersten Blick unsichtbaren Lobbyismus – integraler, systemimmanenter Teil unserer Gesellschaft, unserer Demokratie ist. Das mag man finden, wie man will. Möglicherweise lässt sich dieser Trend aber auch nicht stoppen. Und dann?

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Großer Schritt

Die Frankfurter Rundschau hat den Spätsommer genutzt, um auch in Deutschland Dinge zu präsentieren, die deutlich zeigen: Die Transformation der Medien ist in vollem Gange. Noch weit revolutionärer, als das neue Konzept mit den Lokalnachrichten umzugehen, ist der jetzt erfolgte Launch der iPad-Version der FR.

Die Kritiker sind voll des Lobes. Von Meedia oder Spiegel: Alle meinen, dass die Rundschau im Moment der Maßstab für die Tageszeitungs-Apps darstellt. Und sie haben recht. Die Inhalte sind speziell für die Möglichkeiten des Tablet-Computers optimiert worden. Dafür hat man offenbar auch die Multimedia-Redaktion personell aufgestockt. Es gibt sogar zwei Versionen in einer App: Wer das iPad vertikal hält, erhält eine reine Magazin-Umsetzung der Zeitung, in der Horizontal-Variante gibt es die Anreicherung mit multimedialen Inhalten. Beide Versionen stellen allerdings nur einen Auszug aus der aktuellen Print-Ausgabe dar. Jede Ausgabe kostet dafür nur 79 Cent statt 1,60 Euro im Einzelverkauf am Kiosk.

Besonders interessant: Der Verlag arbeitet an Bundle-Angeboten. Dann gibt es ein Abo der digitalen Ausgabe in Verbindung mit einem iPad zu einem Bundle-Preis. Wenn sich solche Angebote häufen, dann ist auch der Weg frei für die massenhafte Verbreitung von iPad und anderen Tablet-Computern. In wenigen Wochen will die Frankfurter Rundschau entsprechende Angebote präsentieren. Man darf gespannt sein.

Das Revolutionäre? Die FR hat einen großen Schritt hin zur Digitalisierung der Zeitung gemacht. Ich kann mir gut vorstellen, dass die FR – auch aufgrund des wirtschaftlichen Drucks – eine der ersten Zeitungen in Deutschland sein wird, die das Analoge, mit Druckmaschinen und physischem Vertrieb, hinter sich lassen wird. Dieser Prozess kann nicht in drei Jahren über die Bühne gehen, aber vielleicht in fünf oder acht. Irgendwie ist es auch ein Wettlauf mit der Zeit. Wollen die klassischen Medien die Transformation rasch schaffen (und manche müssen das sogar), dann müssen sie auch für die Verbreitung der Trägermedien für ihren Content sorgen.  Die Rundschau hat das fest vor.

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Von der Auflösung der Zeitungsbücher

Wenn wir jammern, dann auf einem hohen Niveau – das ist richtig. Und das „wir“ schließt mich eindeutig ein. Dennoch kann ich nicht aufhören, mir um den Journalismus und dessen Zukunft – und damit auch meiner beruflichen wie privaten Zukunft – Sorgen zu machen.

Vergangene Woche habe ich mit ehemaligen Kollegen vom Darmstädter Echo zusammengesessen. Ich konnte es mir nicht verkneifen, das Gespräch einmal kurz in Richtung Lokaljournalismus und Qualitätsjournalismus sowie die Zukunft der klassischen Medien in einer sich rasch verändernden Informations-, Wissens- und Kommunikationsgesellschaft zu drehen.

Die zwei Kollegen (Er, Anfang 40, Sie, Anfang 60) haben mich mit ihren Aussagen zum Nachdenken gebracht. Während die Kollegin betonte, der ganze Wandel inkl. dem Schwund von Lesern und Abonnenten sei bei weitem nicht so katastrophal, wie es gerne (auch von mir) beschrieben wird. Die Arbeitsbedingungen seien den Umständen entsprechend noch immer sehr gut.

Der Kollege hat die Situation etwas anders beurteilt. Er bedauert, dass der Redaktionsalltag mit unter anderem dem Redigieren von Fremdtexten immer weniger Freiräume für eigene Geschichten lässt. Der Personalnotstand schlägt also unerbittlich zu. Gerade eigene Geschichten wären es ja, die eine Zeitung von einer anderen unterscheidet. Vielleicht wären diese Geschichten jene, die auch die Erosion bei den Abonnentenzahlen stoppen könnte. Mehr Personalisierung, mehr Meinung, mehr Nähe zum Leser, mehr Exklusivgeschichten, mehr Profil: Das sind meiner Meinung nach einige der Zutaten eines Erfolgsrezeptes. Tatsächlich sind die Verleger da auf einem anderen Trip. Jetzt ist ja beispielsweise bekannt geworden, dass bei der Münchner Abendzeitung 22 von 80 Mitarbeitern aus der Redaktion gehen müssen. Bei gleich bleibender Qualität?

Die Kollegin hat noch etwas anderes Interessantes gesagt. Sie sprach davon, dass die Redaktion selbst, also eigentlich die Redakteure definieren, was sie unter Qualität verstehen. Da dürfe man nicht zu sehr den Leser im Blick haben. Das Niveau gerate da leicht in Gefahr. Ein schöner idealistischer Ansatz. Nur: Inwieweit ist ein solcher, nennen wir ihn einmal anspruchsvollen, Journalismus auf Lokal- und Regionalebene refinanzierbar? Auch dieser Spagat wird aus meiner Sicht immer schwieriger. Die Leserschaft ist einfach zu heterogen, um sich entweder nur auf Intellektuellen- oder nur auf Boulevardjournalismus zu konzentrieren.

Es braucht nicht nur im Netz eine konkrete Ansprache der Zielgruppe. Zur Not muss man dort mehrere Produkte anbieten, um alle potenziellen Nutzer abzufangen. Vielleicht ist es in Print ganz genauso. Insofern ist der Ansatz vieler Verlage mit ihren – nennen wir es einmal – Line-Extensions möglicherweise doch nicht ganz falsch.

Ein regionale Tageszeitung muss künftig vielleicht in mehrere Produkte zerschlagen werden. In enger Abstimmung mit den Aktivitäten im Netz braucht es vielleicht nur zwei Ausgaben pro Woche mit Lesegeschichten und ordentlich recherchierten Storys. Täglich können dann eher die bunteren Themen abgefeiert werden. Ergänzt um einen schlanken Bereich, der sich mit überregionalen Dingen befasst. Zwei Sportausgaben pro Woche wären wahrscheinlich auch ausreichend. Die Kultur wäre außer einem nachrichtlichen Part in der schmalen Tagesausgabe auch mit einer wöchentlichen Variante gut bedient. Das sind jetzt einmal erste Gedanken für eine Neuaufstellung einer klassischen Tageszeitung. Die Redaktionen müssten sich an einen anderen Rhythmus gewöhnen. Ich glaube aber: Es gäbe dann mehr Zeit für eigene Geschichten, mehr Meinung und mehr Profil. Von den Entscheidern wird Mut verlangt – heute mehr denn je.

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Impfstimmung

Heute waren wir zur familiären Massenimpfung in Sachen Neue Grippe bzw. Schweinegrippe bei unserer Kinderärztin. Eines vorweg: Nebenwirkungen, außer einem leichten Schmerz an der Einstichstelle, spüre ich noch nicht.

Ich persönlich glaube ja, dass die Schweinegrippe in ihrer existierenden Form nicht gefährlicher ist als die saisonale Grippe, die jährlich in Deutschland 8000 bis 11000 Opfer fordert. Opfer sind in der Regel geschwächte Personen bzw. Personen mit erheblichen Vorerkrankungen. Dennoch haben wir uns impfen lassen.

Hauptgrund: Wir wollen eine Art Schutzschirm um Nora aufbauen. Babys unter sieben Monaten dürfen nicht geimpft werden. Es scheint aber tatsächlich so zu sein, dass Kinder eher an der Neuen Grippe erkranken als Erwachsene – wenn auch in der Regel der Verlauf leicht sein dürfte. Wenn Nora erkrankt, könnte es aber auch ein schlimmerer Verlauf sein. Zudem wird wohl in den Krankenhäusern im Akutfall Tamiflu verabreicht, was für kleine Kinder auch nicht geeignet ist. Da wollen wir alles tun, um dies zu verhindern. Die Impfung ist unser Beitrag.

Lächerlich ist die emotionale Diskussion, für die vor allem Impfgegner verantwortlich sind. Ihre Argumente halten fast nie wissenschaftlichen Kriterien stand. Sie zitieren Studien, die ihnen in den Kram passen. Die anderen werden verschwiegen. Tatsache dürfte sein, dass in der Regel kein direkter Zusammenhang zwischen einer Impfung und einer vermeintlichen Folgeerscheinung – von schweren Krankheiten bis hin zum Tod – hergestellt werden kann. Das dürfte bei aller Unerforschtheit der Schweingrippe-Impfstoffe auch für diese gelten.

Gleichwohl muss man die Risiken abwägen, keine Frage. Eine Impfung ist ein Eingriff in die Prozesse des Körpers, wie eine Medikation. Aber sind es nicht die gleichen Leute, die die Zähne voller Quecksilber haben, die dem Laster Rauchen frönen, die sich mit Nahrungsergänzungsmitteln vollstopfen, die beim 1-Euro-Shop um die Ecke Kinderspielzeug kaufen und und und, die mit ihrem Halbwissen vor den Nebenwirkungen einer Impfung – und in diesem Fall der Impfung gegen die Neue Grippe – warnen?

Die Medien spielen in einer solchen Situation eine wichtige Rolle – ihrer Verantwortung werden sie leider systemimmanent nicht gerecht. Die Bild titelte heute halbseitig: Kind (1) stirbt nach Impfung. Im Kleingedruckten und im Internet kann man lesen, dass es an einem angeborenen Herz-Lungen-Fehler litt. In einer emotional aufgeladenen Gesellschaft kann eine solche Berichterstattung Hysterie auslösen.

Leider wird mit der steigenden Zahl der Geimpften auch die Zahl der Gestorbenen steigen, deren Ableben in Zusammenhang mit der Impfung gebracht werden. Klar, ließen sich alle Deutschen impfen, könnte theoretisch jeder Tote in Zusammenhang mit der Impfung gebracht werden. Das ist natürlich Schwachsinn – aber es laufen eben nicht nur Statistiker durch die Gegend, die von solchen Effekten wissen.

Außer unserem sehr persönlichen Motiv spricht noch etwas anderes für eine Impfung, selbst wenn man bei ihr von einem gewissen Risiko ausgeht. Dem Virus muss der Gar ausgemacht werden. Nur wenn wir als Wirt das Virus weitergeben, geraten Risikogruppen wirklich in Gefahr. Das hat etwas von sozialem Denken – dafür sind wir aber vielleicht zu individualisiert. Zudem würde eine rasche Ausrottung des Virus sein Mutieren zu einem vielleicht viel gefährlicheren Erreger verhindern helfen. Kann man ja einmal drüber nachdenken.

Unterm Strich bleibt es natürlich aber eine persönliche Entscheidung. Jene, die bislang nicht gar nicht wussten, dass sie Impfgegner sind, nun aber andere maßregeln und am Impfenlassen hindern wollen, sollten dies aber auch in angemessener Weise beherzigen.

PS: Eine Rundmail bezüglich des Golfkriegssyndroms als Folge der Impfung hat übrigens ihren Ursprung in der Praxis einer Privatärztin in Frankfurt. Ich will hier niemanden denunzieren. Auf der Website dieser Frau kann man auf jeden Fall lesen, dass die richtige Ernährung hilft, Aids zu bekämpfen.

Ach ja: Natürlich hoffe ich, dass dieser Beitrag zur Versachlichung des Ganzen beiträgt. Die herkömmlichen Medien sind in vielen Fällen nicht in der Lage dazu, glaube ich.

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Der King ist tot

Ja, der King of Pop ist tot. Ja, er hat eine Phase der Geschichte der Pop-Musik mitgeprägt. Ja, er hat einige ganz unterhaltsame Pop-Songs interpretiert. Punkt.

Michael Jackson ist gestorben – und die Medien laufen Amok. 50 Jahre alt ist er nur geworden. Es war ja noch so jung. Er war doch allein für die Erziehung seiner drei Kinder verantwortlich. Es ist alles so unerwartet.

Der Mann war krank. Psychisch, körperlich. Er hat Raubbau an seinem Körper getrieben. Jetzt sprechen die „Fachleute“ von einem unerwarteten Ereignis. Herzstillstand. Zuletzt hieß es, es könnte Medikamentenmissbrauch im Spiel sein. Das sagt doch schon alles. Wahrscheinlich ist er mit dem Stress nicht klar gekommen. Schließlich wollte er ein großes Comeback auf der Bühne feiern. Daraus wird jetzt nichts – und in einem Jahr findet das ach kaum einer noch schlimm.

Am meisten widert mich an, dass jetzt ein Mythos vom alleinerziehenden fürsorglichen Vater zusammengebastelt wird. Wer’s glaubt, wird selig. Ich sage nur Neverland-Ranch und Affenliebe.

Ich hoffe, dass das Thema schnell wieder aus den Medien verschwindet. Die Radiosender sollen ein paar mehr Jacko-Songs spielen und sich das Gelaber sparen.

Gestern hat sich auch an einer anderen Geschichte der Medien-Wahnsinn gezeigt. In allen Nachrichtensendungen stand der Verlust des Weterbetitels des Dresdner Elbtals ganz oben auf der Agenda. Das ist eigentlich nicht mehr als eine Nachricht. Aber ARD und ZDF haben daraus ein Drama gemacht. Lächerlich. Ein Ziel wurde erreicht: Harte Berichte wie zur Wirtschaftskrise oder der Lage in Iran wurden zugekleistert. Soviel zum Thema Agenda Setting.

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Sie ist zurück

Gar nicht verschwunden gewesen, ist sie nun mit aller Macht zurück: Die Schweinegrippe oder mexikanische Grippe – oder was auch immer.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat den Pandemie-Fall ausgerufen. Das ist eine Nachricht – und was machen die Medien. Sie kolportieren die Nachricht. Sie haben keine andere Wahl.

Wenn jetzt völlig unbegründete Panik entstehen sollte, muss man sich fragen: Wer ist daran schuld?

In der Zeit steht ein auf den ersten Blick ein sehr kompetenter Aufsatz darüber, dass die WHO gar nicht so recht weiß, was sie da vermeldet hat und vor allem warum. All die Sicherheitsvorkehrungen, auf die es in einem solchen Fall ankommt, wurden ergriffen. Die Aufmerksamkeit für das Virus ist da. Panik ist nicht angebracht – könnte aber durchaus entstehen, wenn man sieht, dass es eher selten vorkommt, dass die WHO diese höchste Warnstufe ausspricht.

Letzte Zahlen sagen, das 30000 Schweingrippe-Fälle dokumentiert sind und 130 Menschen daran gestorben sind. Noch einmal zur Erinnerung: An der Standardgrippe sterben allein in Deutschland jährlich tausende Menschen.

In jedem Fall muss die WHO überlegen, was sie eigentlich für Regeln haben möchte und was sie erreichen möchte. Im Prinzip gibt es keine neuen Erkenntnisse. Das Virus ist unterwegs – vergleichsweise harmlos – und die Menschen sind aufmerksam. Nur jetzt ist die Saat für eine wachsende Panik ausgebracht.

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Worum es wirklich geht

Warum müssen sich Frauenzeitschriften – und mittlerweile auch vermeintlich coole Familienzeitschriften – so oft des Themas Sex annehmen? Natürlich auf total intellektuell-psychologischer Ebene und nicht auf die plumpe Art der Männermagazine. Dort herrscht eher das Motto vor: Gib dem Mann die Abbildung einer nackten Frau, dann weiß er schon selbst, was er zu tun hat!

Der Familienableger des Stern, Nido , hat zum Start auch das Prinzip Sex Sells befolgt. „Guter Sex trotz kleiner Kinder – Wie auch müde Eltern mehr Spaß im Bett haben“: So eine Grütze.

Wenn Eltern warum auch immer müde sind, dann sollten sie schlafen. Sie sollten ihre Bedürfnisse befriedigen und sich nicht vorschreiben lassen, dass sie nun doch um des Familienfrieden-Willen miteinander schlafen sollen – und nicht gegeneinander.

Gegen Müdigkeit helfen nur Drogen und sicher keine Zeitschriften-Texte. Und den Konsum von Drogen sollte ein Familienmagazin wie Nido sicher nicht propagieren.

Wenn Eltern miteinander schlafen wollen, dann sollen sie es tun. Wenn sie – aus welchem Grund auch immer – keinen Bock drauf haben, dann sollen sie es lassen. Wen bringt es weiter, wenn pseudo-psychologische Ratschläge erteilt werden, die einem erst einreden, dass in der Beziehung ja wohl etwas nicht stimmen kann, wenn man körperlich gesehen gerade einmal keinen Bock aufeinander hat.

Partnerschaft und Familie besteht ja wohl aus ein bisschen mehr.

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The new new economy

Es gibt einfach Medien, die sind genial. Es gibt auch geniale Journalisten. Manchmal treffen beide aufeinander – und schon haben wir es mit einem herausragenden und inspirierenden Ergebnis in welcher Form auch immer zu tun.

Die neue Ausgabe der Wired-Magazins ist auf dem Markt. Chris Anderson, Chefredakteur und Autor des kongenialen Buches „The Long Tail“, beschäftigt sich zusammen mit einigen Kollegen wieder einmal mit seinem Lieblingsthema.

Das Großartige an seiner Vorgehensweise ist die Darstellung von Phänomenen und die unglaublich fundierte Analyse. Interessanterweise ist die globale Wirtschaftskrise ein Katalysator der Effekte, die in „Long Tail“ beschrieben werden. In vielen Bereichen wird deutlich, dass die Zeit von Konzernen abläuft. Arbeit und Risiken werden wieder auf mehr Schultern verteilt. Konzern sind zu schwerfällig, beschäftigen sich zu viel mit sich selbst. Es mangelt an Innovationskraft. Der Mut fehlt. Das sind alles Dinge, die sich im Moment gut beobachten lassen.

Ein gefundenes Fressen ist da die Automobil-Industrie und deren Niedergang in der tradierten Form. Die Konglomerate zerfallen. Der Autor Charles C. Mann geht sogar soweit, dass er die Ingenieurs-Tradition beispielsweise für gar nicht so wichtig hält. Kleine Think Tanks seien durchaus in der Lage, die Autobauer zu befruchten. Nicht immer ist das Einverleiben von beispielsweise Zulieferern der richtige Schritt. Die Vertikalisierung – also die Kontrolle der gesamten Wertschöpfungskette – mag aus Controller-Sicht der richtige Weg sein, zur besten technische Lösung muss sie noch lange nicht führen.

Die Automobil-Industrie leidet natürlich auch unter Blasenbildung. In diesem Zusammenhang muss auf die künstliche Nachfrage durch FLotten- und Leasingunternehmen hingewiesen werden. Der Anspruch auf Dienstwagen tut auch seinen Teil dazu. Die privaten Investitionen in Fahrzeuge sind in vielen Fällen gar nicht das Problem. Ich habe einmal gehört, das Mercedes-Benz und BMW nur jeweils ein Drittel der Produktion an Privatleute verkaufen – kein Wunder, dass in wirtschaftlich schwierigen Zeiten das Heulen und Zähneklappern laut ist. Es gibt Überkapazitäten – das ist sicher neben der Schwerfälligkeit von Konzernen ein weiteres gewichtiges Problem.

Zurück zum Beitrag von Charles C. Mann: Die Analyse ist klasse. Auto-Manager und vor allem Politiker sollten sich den Text einmal reinziehen und weit ab von aller Ideologie darüber nachdenken.

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Gezwitscher im Namen des Herrn

Twitter ist ein Hype. Keiner weiß so genau, wie nachhaltig sich das Microblogging im Alltag verankern wird. Es gibt Stimmen, die in Twitter die Killer-Applikation des Web 2.0 sehen. Diese Entschätzung hat was. Schließlich ist Twitter der SMS entlehnt, die sich unerwartet zur Killer-Applikation des Mobilfunks entwickelt hat.

Twitter ist aber auch ein Medienthema. Jetzt wird es nach dem Twitter-Skandal bei der Wahl des Bundespräsidenten zum Politikum. Mitglieder von Wahlkommission und Bundesversammlung haben das Ergebnis herausgetwittert noch bevor es offiziell bekanntgegeben wurde. Nun wird sich der Bundestag mit dem Vorfall beschäftigen.

In den USA wird heftig in Gottesdiensten getwittert. Eine Reihe von Predigern unterstützt das göttliche Gezwitscher. Aus deren Sicht sollen die Menschen ruhig immer dann twittern, wenn der Geist in sie hineinfährt, um die frohe Botschaft digital zu verbreiten. Einige Prediger lassen sich von den Kurzbotschaften sogar während ihrer Vorträge via Leinwände unterstützen. Und sie twittern selbst.

Jetzt stelle ich mir die Umsetzung bei den großen Glaubensgemeinschaften in Deutschland vor. Besonders bei den Katholiken in barocken Gotteshäusern dürfte es doch ein interessantes Bild sein, wenn die Gläubigen mit ihren Macs und Netbooks auf den harten Kirchenbänken sitzen und ihre göttlichen Eingebungen live in das Netz jagen. Modern ist es allemal. Nun ist die Frage, wie modern die Kirchen wirklich sein wollen. Manchmal ist es ja besser, der Tradition verhaftet zu bleiben.

Kennt eigentlich jemand einen katholischen, twitternden Priester? Oder liest diese Zeilen gar ein katholischer, twitternder Pfarrer? In beiden Fällen und darüberhinaus würde mich interessieren, wie so etwas aussehen kann und was Ihr darüber denkt. (Das ist mal wieder ein Hinweis darauf, dass ich mich über die Nutzung der Kommentarfunktion freuen würde. Also, nur zu.)

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Sorgfaltspflicht

Der letzte Beitrag und dieser hängen eng miteinander zusammen. Es geht weiter um die Qualität des Journalismus.

Im Lokalteil Darmstadt-Dieburg des Darmstädter Echo ist heute zu lesen, dass sich HP mit einer Niederlassung in der zum Landkreis gehörenden Kommune Weiterstadt ansiedelt. Das habe die Stadt Weiterstadt bekannt gegeben.

Interessant: Die Firma HP kommt nicht zu Wort. Es ist nicht klar, wieviele Arbeitsplätze an dem neuen Standort für ein Rechenzentrum entstehen sollen. Es steht auch nicht drin, dass HP für eine Stellungnahme nicht zu erreichen war. Es steht eigentlich nur die Selbstdarstellung des Bürgermeisters drin. Und sein Gerede von HP ale einer Größe in der IT-Welt. Also hohles Zeug.

Auch am Standort Rüsselsheim soll etwas Neues entstehen. Wie sieht es jetzt aber mit der Recherche aus. HP baut zigtausend Arbeitsplätze ab, auch in Deutschland. Mit der Übernahme des IT-Dienstleisters EDS, die auch einen bedeutenden Standort in Rüsselsheim haben, hat HP natürlich Einsparungen im Auge gehabt. Wie hängt das Ganze zusammen?

Ich erwarte an dieser Stelle keinen ausufernden Roman. Aber gewisse Standards sollte es schon erfüllen. Kurzum: Der Beitrag ist schlecht recherchiert, es handelt sich um Klientel-Journalismus. Man will es sich mit dem Verwaltungschef nicht verscherzen. Besser weiß man es auch nicht. Das Verhältnis zum Bürgermeister scheint sowieso gut zu sein. So soll das auch bleiben. Schlimm ist es, wenn man aus Berichten solche Verbindungen rauslesen kann.

Mit welchen Qualitäten will die lokale Tageszeitung die Abonnenten halten? Ich sage es nochmal. Der eine oder andere Rechtschreibfehler ist völlig unproblematisch. Es geht um die Kernkompetenzen von Zeitungsmachern. Wenn man sich mit ihnen unterhält, dann verurteilen sie das Treiben im Netz. Der Untergang des Journalismus habe dort begonnen. Gerade dann müssen die Hüter der wahren Werte im Journalismus aber auch beweisen, dass sie es können. Ein Stichwort ist die journalistische Sorgfaltspflicht.

Und: Nicht, dass man mich falsch versteht. Das Darmstädter Echo steht hier nur ganz exemplarisch. Ich bin mir sehr sicher, dass in so gut wie allen regionalen Kaufzeitungen solche Dinge zu beobachten sind. Nur kann ich leider nicht noch mehr klassische Medien konsumieren. Noch zählt das Echo zu meiner Pflichtlektüre.

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