Spaß beim Lesen

Heute hatte ich wieder einmal richtig Spaß beim Lesen „meiner“ Zeitung (ich habe sie übrigens im Zeitungsladen gekauft). Der Darmstädter-Echo-Chefredakteur persönlich hat für die Sonntagsbeilage über das Forum Lokaljournalismus in Dortmund in die Tasten gegriffen. Das Ergebnis: Ein überheblicher und ignoranter Aufsatz über die Zukunft des Lokaljournalismus, die künftige Rolle der Lokalzeitungen, das Verhältnis von Print und Online, das Mitmach-Internet, den Bürgerjournalismus und das Ende der Blog-Ära. Der Titel: „Stochern im Nebel 4.0“

Als erstes fällt in diesem Text, aber eigentlich auch allgemein, auf, dass sich Chefredakteure immer häufiger mit der Re-Finanzierbarkeit von Journalismus beschäftigen. Das ist eigentlich klassisch das Geschäft des Verlegers. Im gleichen Atemzug wird von Qualitätsjournalismus gesprochen – das ist leider oft ein Widerspruch in sich selbst. Die Unabhängigkeit einer Redaktion garantiert Qualitätsjournalismus. Das Argument der Re-Finanzierbarkeit für das Erstellen von Medieninhalten und die Aggregation von Content macht unglaubwürdig.

Chefredakteur Jörg Riebartsch betont, dass die Teilnehmer des Kongresses neidisch nach Südhessen blicken, weil man es hier geschafft hat, re-finanzierbare Printprodukte zu lancieren. Als Beispiel führt er das einmal im Monat dem Echo beigelegte Kinderheft und das alle zwei Monate erscheinende Wirtschaftsecho, mit dem auch Vertriebserlöse erzielt werden, an. Die Eigen-PR kommt an dieser Stelle sehr unglaubwürdig rüber. Dass sich die Objekte wirklich rechnen, legt er öffentlich nicht dar. Und ich glaube, dass bei einer Vollkostenrechnung die Bilanz nicht positiv sein dürfte. Die Verlage versuchen, Line Extensions über vorhandene personelle Bordmittel zu realisieren. Würde man die Arbeitszeit korrekt verrechnen, sähe das Ganze schon anders aus. So lange aber die Mitarbeiter tendenziell zur Selbstausbeutung neigen, geht es eben noch gut.

Zweiter Punkt an dieser Stelle: Die Einsparmaßnahmen beim Medienhaus Südhessen sind vielfältig. So wurde schon vor vielen Jahren die Foto-Redaktion abgeschafft. In den Lokalredaktionen arbeiten mittlerweile auch weniger Redakteure als noch vor einigen Jahren. Es werden auf Gedeih und Verderb Volontäre beschäftigt, die oft nur wenig Aussicht auf eine Weiterbeschäftigung haben, aber zur Selbstausbeutung neigen. Die Schließung der Druckerei am Hauptsitz mit der einhergehenden Kündigung aller Mitarbeiter, die teilweise zu schlechteren Konditionen in dem neu entstehenden Druckzentrum, das gemeinsam mit Konkurrent Rhein-Main-Presse in Rüsselsheim gebaut wird, anheuern dürfen, ist ein weiteres Indiz dafür, dass die von allen beneideten Print-Produkte auch nicht helfen, die Erosion zu stoppen. Die Auflagenzahlen gehen zurück. Die Abonennten sterben weg. Es fehlt an jungen Lesern. Die im Echo erscheinenden Stellenangebote lassen sich an wenigen Händen abzählen. Der Kleinanzeigenmarkt schwächelt auch. Die Erfolgsbilanz des wirtschaftlich denkenden Chefredakteurs und seines Vorgängers ist jetzt auch nicht so beeindruckend.

Das ist nun nur die eine Seite der Medaille und dieses denkwürdigen Aufsatzes. Den Löwenanteil nimmt eine Generalabrechnung mit den Aktivitäten der anderen Verlage im Internet ein. Ein Zitat: „Verunsichert, ob teuer bezahlter Journalismus überhaupt noch eine Zukunft hat, mühen sich viele Chefredakteure und Redaktionsleiter im Internet mit Blogs ab und twittern – plappern wäre die korrektere Bezeichnung – munter die Kanäle im weltweiten Web voll.“ Ich finde, das ist harter Tobak. Eigentlich ist das niveaulos für einen Chefredakteur. Der ganze Text strotzt nur so vor abqualifizierenden Äußerungen. Die Wertschätzung für die Arbeit der Kollegen nähert sich Satz für Satz dem Nullpunkt. Mich würde einmal interessieren, wie das die Angesprochenen sehen. Vielleicht liest diese Zeilen ja jemand. Deutliche Kommentare würden mich freuen.

Ganz nebenbei beerdigt Riebartsch mit der virtuellen Welt „Second Life“ auch die Blogs. Alles Dinge, die einmal kommen und schnell wieder verschwinden. So wäre es den konservativen Medienmanagern am liebsten. Tatsache ist, dass man gerade beim Darmstädter Echo Entwicklungen im Netz massiv verschlafen hat. Nach dem ernsthaften Start mit einem medienadäquaten Angebot im Internet hat es über zehn Jahre gedauert, bis man sich zu einem Relaunch durchringen konnte. Das Internet hatte beim Echo noch nie eine Chance – und das wird nach diesem Aufsatz auch so bleiben. Dann muss man sich die Frage stellen, welche Chance das Medienhaus überhaupt hat.

Riebartsch hat Angst vor dem Bürgerjournalisten. Und tatsächlich ist es ja auch so, dass Qualität dauerhaft eine Rolle bei der Verbreitung von Inhalten im Internet spielen muss. Wer sich aber so verhält, wird eben bald keine Relevanz mehr haben, weil man weder die Person noch das Medium mehr ernst nehmen kann – dann kann auch die Rolle nicht mehr gespielt werden, Dinge einzuordnen und der Wahrheit möglichst nah auf den Pelz zu rücken. Die Aktivitäten von Leuten wie Christian Lindner (@RZChefredakteur), einem der Chefredakteure der Rhein-Zeitung, tragen maßgeblich dazu bei, dass der Wert der Medienmarke Rhein-Zeitung sukzessive steigt. Personalisierung war und ist ein wesentliches Element der Leser-Blatt-Bindung. Mit Verlaub: In keiner Zeitung schreibt der Chefredakteur weniger Leitartikel als beim Darmstädter Echo. Das war aber auch schon vor 20 Jahren so, vor der Riebartsch-Ära.

Social Media ist aus Sicht von Riebartsch auch Firlefanz. Noch ein Zitat: „Richtig ist sicher, dass viele große Zeitungen so weit weg von ihren Leserinnen und Lesern sind, dass es für sie offenbar eine neue Erkenntnis ist, es sei wohl doch hilfreicher nahe am Leser dran zu sein. Kontakte in Facebook mögen da ein Hilfsmittel sein zu erfahren, was die Kundschaft, in dem Fall die Leser, wünschen. Ansonsten hilft auch einfach das gute alte persönliche Gespräch.“ Na, da scheint ja das Echo ganz weit vorn zu sein, beim Thema Lesernähe. Das kann ich leider ganz und gar nicht bestätigen. Immerhin: Eine Veränderung gab es mit Riebartsch: Das Echo veranstaltet Podiumsdiskussionen zu lokalpolitischen Themen und er oder ein Ressortleiter moderieren sie. Das ist schon mal etwas. Aber erfunden hat das Medienhaus Darmstadt diese Veranstaltungsform auch nicht.

Es ist absolut richtig, das ganze Geschehen im Netz zu beobachten und zu analysieren und die Schwächen aufzudecken. Dagegen gibt es nichts einzuwenden. Allerdings Nestbeschmutzung und Publikumsbeschimpfung in einem Beitrag in einer Zeitung zusammenzubringen, das empfinde ich als starkes Stück. Wenn Jörg Riebartsch und andere gleichdenkende Chefredakteure sowie Medienmanager zeigen können, dass ihre Strategie erfolgreich ist und die Lokalzeitung auch nach deren Ära noch lebt, dann sollte mich das sehr wundern. Schade eigentlich, wenn die Lokalzeitungen ihre Bedeutung und Relevanz verlieren. Eine Konstante weniger im Leben. Sie hatten aber ihre Chance.

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Schirrmachers Ängste

FAZ-Mitherausgeber Frank Schirrmacher hat sich dem Digitalen verschrieben und setzt das Verfassen von intellektuellen und zugegebenermaßen mit viel Wahrheit geschmückten, kulturkritischen Aufsätzen fort. Jetzt hat Steve Jobs das iPad vorgestellt und schon hat Schirrmacher in die Tasten gehauen und einen Aufsatz für die FAS hervorgebracht.

Eigentlich kann ich zum Thema iPad nicht mehr viel Neues beitragen. Sicher hat dieses Gadget für die größte Flut an Blog-Beiträgen seit der Etablierung des Web 2.0 gesorgt. Und doch: Schirrmacher hat mich inspiriert.

Zuerst ein Blick auf seine Haltung, die in jedem Text deutlich wird, den er über fortschreitende Digitalisierung der Welt verfasst. Nicht erst seit Payback kokettiert er mit der Tatsache, dass ihn die neue Welt überfordert. In jeder Aussage dazu steckt auch der großväterliche Ausspruch: „Früher war alles viel besser.“ An dieser Stelle fehlt mir die Bereitschaft, sich mit der Realität nach vorne blickend auseinanderzusetzen. Das passiert in seinen Aufsätzen nur vermeintlich – eben nur soweit es für kulturkritische Aussagen notwendig ist. Zahlreiche Entwicklungen sind absehbar: Die Kommunikation der Kindergeneration wird sich grundlegend ändern, die Rolle der Medien muss neu definiert werden und ja, die Gesellschaft wird in wenigen Jahren schon ganz anders funktionieren. Jetzt kann man sich hinter seinem Intellekt zurückziehen und insgeheim denken: „Nach mir die Sintflut.“ Ich verstehe unser aller Aufgabe anders. Wir müssen begreifen, was da geschieht. Wir müssen unsere Kinder auf ihrem Weg in die neue Welt begleiten. Wir dürfen uns nicht einfach so geschlagen geben.

Dann merkt man Schirrmacher auch immer wieder an, dass er eben Angst um die Rolle der klassischen Medien hat. In seinem Aufsatz über das iPad und dessen Potenzial, die Welt zu verändern, schreibt er von einer Reduzierung der Komplexität, die ihm eigentlich nicht wirklich gefällt. Andererseits sieht er schon das Ende des Bloggertums heraufziehen. Internet werde bald nur noch etwas für Freaks sein. Für die sei auch das iPad oder ein ähnliches Gerät keine Alternative zu ihren abgenutzten und traktierten Note- oder Netbooks. Die Masse werde sich aber von Browsern und ähnlichem verabschieden – viel zu kompliziert. Apps sind die Programme der Zukunft. Reduzierte Programme, die leicht zu bedienen sind – und die sich auch verkaufen lassen. Wenn da nur der Wunsch Vater des Gedanken ist, ist das zuwenig. Meinungsbildung über Blogs und von mir aus auch Bürgerjournalismus wird lange eine wichtige Rolle spielen. Wer diese Tatsache negiert, verhindert, dass die jungen Leute ernsthaft lernen mit den Medien (Blogs) umzugehen und das Wahre vom vermeintlich Wahren zu unterscheiden. Auch hier müssen wir alle unsere Aufgaben machen.

Ich finde es gut, dass Schirrmacher das Thema für sich entdeckt hat. Seine Arbeiten sind lesenswert. Nur als das letzte Wort darf man sie in keinem Fall begreifen. Das wäre fatal.

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Qualitätsjournalismus, nächster Teil

Vor Kurzem saß ich mit einigen Kollegen vom Darmstädter Echo zusammen. Es stand wieder einmal ein Treffen der DJV-Ortsgruppe auf dem Plan. Es ging unter anderem um das Internet und dessen Auswirkungen auf den Journalismus. Konkret ging es um den Relaunch von www.echo-online.de. Dadurch ändert sich nochmal einiges an der Arbeitsweise der Kollegen. Die Erkenntnis des Abends: Klassische Printleute sehen im Internet große Gefahren für sich und den Qualitätsjournalismus.

Im Web 2.0 lauerten überall Gefahren. Keine Qualitätskriterien, üble Stimmungsmache, falsche Meinungen und Ansichten setzten sich durch. Nur echte Journalisten, die für ein echtes Medium arbeiten, stehen für echten Qualitätsjournalismus.

Dafür liefert das Darmstädter Echo heute wieder den Beweis. Der Ressortleiter der Lokalredaktion Darmstadt schreibt einen Artikel über einen altgedienten Kommunalpolitiker. Er feiert seinen 80. Geburtstag. Er heißt Willi Franz. Überrascht ist der Leser, als er zwischendurch auch einmal den Namen Willi Wagner liest.

Fehler passieren, das ist klar und verzeihlich. Wer allerdings das prachtvolle Ross Qualitätsjournalismus reitet und die Tageszeitung für die Manifestation dieses Begriffes hält, sollte da genauer sein – und besser als das Web 2.0. Schrott kann man in beidem lesen. Also: Runter vom hohen Ross, nicht nur von Qualitätsjournalismus reden, sondern auch welchen abliefern. Journalisten müssen ihre Arroganz ablegen, und die Verleger sollten Qualitätsjournalismus ermöglichen oder heute schon an die Abwicklung ihrer Unternehmen denken.

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Springer futurisiert

Grundsätzlich finde ich es ja gut, wenn sich Verlage etwas trauen. Der Axel Springer Verlag hat am vergangenen Sonntag erstmals sein WamS-EMag präsentiert. Paid Content. Im Moment kostet eine Ausgabe 1,50 Euro. Später soll es ein Abo-Modell geben.

In der Blogosphäre und der Web 2.0-Community ist die erste Ausgabe weitgehend durchgefallen. Es wurden zurecht zahlreiche technische Mängel festgestellt und diskutiert.

Das ist nur eine Seite des Themas – vieles von den technischen und strukturellen Unzulänglichkeiten ist zu beheben. Jeder, der schon einmal Webprojekte begleitet hat, weiß, dass das leider immer so ist. Was ist aber mit der strategischen Seite? Die Verlage wollen Paid Content wieder salonfähig machen. Das EMag ist nun ein Ansatz.

Wie gesagt, Mut sollte auch belohnt werden. Nur ist zu bezweifeln, dass das EMag monetär ein großer Erfolg werden wird. Bei diesem Projekt hat man zu wenig vom Nutzer aus gedacht. Will und braucht der Digital Native ein solches Produkt? Wie viele Abonnenten sollen mittelfristig das EMag konsumieren?

Unter dem Strich dürfte ein kleiner Haufen von Personen übrigbleiben, die sich vor allem professionell mit dem Thema Medien beschäftigen, die ein solches Produkt mehr oder weniger regelmäßig lesen. Ich bezweifle, dass eine breite Leserschaft gefunden werden kann. Und das hat dann sicher nichts mit den technischen Unzulänglichkeiten zu tun. Also Springer und Konsorten: Weiter denken!

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Impfstimmung

Heute waren wir zur familiären Massenimpfung in Sachen Neue Grippe bzw. Schweinegrippe bei unserer Kinderärztin. Eines vorweg: Nebenwirkungen, außer einem leichten Schmerz an der Einstichstelle, spüre ich noch nicht.

Ich persönlich glaube ja, dass die Schweinegrippe in ihrer existierenden Form nicht gefährlicher ist als die saisonale Grippe, die jährlich in Deutschland 8000 bis 11000 Opfer fordert. Opfer sind in der Regel geschwächte Personen bzw. Personen mit erheblichen Vorerkrankungen. Dennoch haben wir uns impfen lassen.

Hauptgrund: Wir wollen eine Art Schutzschirm um Nora aufbauen. Babys unter sieben Monaten dürfen nicht geimpft werden. Es scheint aber tatsächlich so zu sein, dass Kinder eher an der Neuen Grippe erkranken als Erwachsene – wenn auch in der Regel der Verlauf leicht sein dürfte. Wenn Nora erkrankt, könnte es aber auch ein schlimmerer Verlauf sein. Zudem wird wohl in den Krankenhäusern im Akutfall Tamiflu verabreicht, was für kleine Kinder auch nicht geeignet ist. Da wollen wir alles tun, um dies zu verhindern. Die Impfung ist unser Beitrag.

Lächerlich ist die emotionale Diskussion, für die vor allem Impfgegner verantwortlich sind. Ihre Argumente halten fast nie wissenschaftlichen Kriterien stand. Sie zitieren Studien, die ihnen in den Kram passen. Die anderen werden verschwiegen. Tatsache dürfte sein, dass in der Regel kein direkter Zusammenhang zwischen einer Impfung und einer vermeintlichen Folgeerscheinung – von schweren Krankheiten bis hin zum Tod – hergestellt werden kann. Das dürfte bei aller Unerforschtheit der Schweingrippe-Impfstoffe auch für diese gelten.

Gleichwohl muss man die Risiken abwägen, keine Frage. Eine Impfung ist ein Eingriff in die Prozesse des Körpers, wie eine Medikation. Aber sind es nicht die gleichen Leute, die die Zähne voller Quecksilber haben, die dem Laster Rauchen frönen, die sich mit Nahrungsergänzungsmitteln vollstopfen, die beim 1-Euro-Shop um die Ecke Kinderspielzeug kaufen und und und, die mit ihrem Halbwissen vor den Nebenwirkungen einer Impfung – und in diesem Fall der Impfung gegen die Neue Grippe – warnen?

Die Medien spielen in einer solchen Situation eine wichtige Rolle – ihrer Verantwortung werden sie leider systemimmanent nicht gerecht. Die Bild titelte heute halbseitig: Kind (1) stirbt nach Impfung. Im Kleingedruckten und im Internet kann man lesen, dass es an einem angeborenen Herz-Lungen-Fehler litt. In einer emotional aufgeladenen Gesellschaft kann eine solche Berichterstattung Hysterie auslösen.

Leider wird mit der steigenden Zahl der Geimpften auch die Zahl der Gestorbenen steigen, deren Ableben in Zusammenhang mit der Impfung gebracht werden. Klar, ließen sich alle Deutschen impfen, könnte theoretisch jeder Tote in Zusammenhang mit der Impfung gebracht werden. Das ist natürlich Schwachsinn – aber es laufen eben nicht nur Statistiker durch die Gegend, die von solchen Effekten wissen.

Außer unserem sehr persönlichen Motiv spricht noch etwas anderes für eine Impfung, selbst wenn man bei ihr von einem gewissen Risiko ausgeht. Dem Virus muss der Gar ausgemacht werden. Nur wenn wir als Wirt das Virus weitergeben, geraten Risikogruppen wirklich in Gefahr. Das hat etwas von sozialem Denken – dafür sind wir aber vielleicht zu individualisiert. Zudem würde eine rasche Ausrottung des Virus sein Mutieren zu einem vielleicht viel gefährlicheren Erreger verhindern helfen. Kann man ja einmal drüber nachdenken.

Unterm Strich bleibt es natürlich aber eine persönliche Entscheidung. Jene, die bislang nicht gar nicht wussten, dass sie Impfgegner sind, nun aber andere maßregeln und am Impfenlassen hindern wollen, sollten dies aber auch in angemessener Weise beherzigen.

PS: Eine Rundmail bezüglich des Golfkriegssyndroms als Folge der Impfung hat übrigens ihren Ursprung in der Praxis einer Privatärztin in Frankfurt. Ich will hier niemanden denunzieren. Auf der Website dieser Frau kann man auf jeden Fall lesen, dass die richtige Ernährung hilft, Aids zu bekämpfen.

Ach ja: Natürlich hoffe ich, dass dieser Beitrag zur Versachlichung des Ganzen beiträgt. Die herkömmlichen Medien sind in vielen Fällen nicht in der Lage dazu, glaube ich.

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Schlecht recherchiert, nichts verstanden

Eines meiner Lieblingsthemen ist ja die Beobachtung der regionalen Presse. Meine Zeitung ist das Darmstädter Echo – noch.

Heute sind wieder einige ungewollt komische und ungekonnte Beiträge im Blatt, die auch die Provinzialität von Darmstadt und der einzigen ernst zu nehmenden Tageszeitung am Ort zeigt.

Als Anreißer auf der 1 für eine Themen-Seite steht: Das Zölibat – wenn Priester sich verlieben. Aha, wenn sich also Priester verlieben, dann nennt man das Zölibat. Sehr interessant – aber leider total hohl.

Im Lokalteil Darmstadt geht es dann darum, dass der Einzelhandel in der City die Verlängerung seiner Geschäfte in den öffentlichen Raum geregelt bekommen soll. Es soll ein einheitlicher Auftritt erreicht werden. Der Ressortleiter lässt sich zu einem provinziellen Kommentar hinreißen, mit dem er dokumentiert, dass er sich in seinem Leben noch nicht besonders weit von seiner Scholle weg bewegt hat. Eine Reihe von Kommunen hat mit solchen zugegeben bürokratischen Regelungen sehr gute Erfahrungen gemacht. Die Innenstadt ist attraktiver geworden, die Leute gehen jetzt lieber in der City einkaufen. Sogar im Schwarzwaldstädtchen Nagold gibt es so etwas. Er hätte nur einmal beim Dachverband der Citymanager anrufen müssen, um sich dort ein bisschen Input zu holen. Aber er schreibt lieber einen unfundierten populistischen Kommentar. Schlecht recherchiert, nichts verstanden eben.

Auch die Leserbrief-Auswahl ist manchmal zweifelhaft – aber man kann ja schon froh sein, dass der Meinungsmonopolist überhaupt Leserstimmen zulässt.

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Grüne Wiese vs. City

Vor den Toren Darmstadts kündigt sich schon seit Jahren Großes an. In Weiterstadt ist ein Shopping-Center riesigen Ausmaßes entstanden. Über 50.000 m² vermietbare Fläche, mehr als 170 Ladenlokale. Die Lage ist perfekt. Das Loop5 liegt direkt an der A5. Die Autobahn dort ist vierspurig – in jede Richtung. Das zeigt, wie hoch das Verkehrsaufkommen dort ist. Die A5 ist an dieser Stelle eine Pendlerpiste. Die Geschäfte im Loop5 habe täglich bis 22 Uhr geöffnet – da wird mancher eine Schleife drehen und seine Einkäufe abends dort erledigen, für die man sonst einen Samstagvormittag opfern muss.

Leidtragende werden die Einzelhändler in Darmstadts City sein. Während die Darmstädter, wenn sich nicht gerade Frankfurt-Pendler sind, noch in die City zum Einkaufen gehen werden, wird das Loop5 Kaufkraft aus dem Umland abschöpfen. Schließlich gibt es dort – genauso wie in der Noch-Einkaufsstadt Darmstadt – alles, was das Herz begehrt. In Zeiten knapperer Kassen spielt es durchaus eine Rolle, ob man für die angefangene 3/4-Stunde in einem Parkhaus 1,50 Euro berappen muss (wie in der City) oder 0 Euro (wie am Loop5). Ein Hoffnungsschimmer: Die Verkehrssituation direkt am Loop5 wird extrem chaotisch sein, weil man zu wenig Platz hat, um die Autos vernünftig an den Einkaufstempel zu führen.

Parkhaus-Betreiber Q-Park melkt die Kuh solange bis sie ausgedörrt auf der Weide – oder besser der Grünen Wiese liegt. Die Stadtmarketing-Gesellschaft hat schlecht verhandelt, der Einzelhandel in der Stadt wird das schon merken. Schneller als ihm lieb sein dürfte.

In den vergangenen Jahren haben sich die Häuser in der Stadt nochmals herausgeputzt, die Verantwortlichen haben ordentlich investiert. Man wollte ein Zeichen gegen das Loop5 setzen. Ist zwar alles ganz nett geworden, aber rechnen werden sich die Investitionen wohl nicht mehr.

Die Kunden können durchaus von dem größeren Angebot profitieren. Allerdings findet sich in Weiterstadt auch viel, was es auch schon in der Innenstadt gibt. Filialisten werden so vielleicht den Rückzug aus der Stadt antreten – wenn im Loop5 sowieso alles besser funktioniert.

Profitieren sollte auch die Lokalzeitung am Ort. Endlich werden die P&C-Beilagen auch über das Darmstädter Echo gestreut. Druckaufträge vom Center-Management hat man sicher auch schon in der Tasche. Die Abhängigkeit der Zeitung vom Einzelhandel wird so aber noch größer. Wirklich kritische Berichterstattung dürfte ausbleiben. Die Zeiten für die Medienbranche sind zu hart, als dass man sich für Qualitätsjournalismus das Anzeigengeschäft kaputt machen würde.

In Weiterstadt, einer 25000-Einwohner-Stadt, über die viele sagen, dort möchten sie nicht tot über dem Zaun hängen, freut man sich. Das ist verständlich. Die Gewerbesteuer fließt dort ganz erklecklich. Einkaufsmöglichkeiten gibt es dort auf der Grünen Wiese reichlich. Media Markt, Segmüller, Metro uvm. haben sich schon die perfekte Verkehrssituation zu Nutze gemacht. Jetzt also auch das Loop5.

Ich sehe das Ganze nicht moralisch. Es ist der Lauf der Dinge. Tatsächlich wurde aus Sicht Darmstadts vieles falsch gemacht. Jetzt kann man nur zusehen, was aus der einst lebendigen Einkaufsstadt wird.

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Die Brigitte setzt an und kämpft

Deutschlands noch beliebteste Frauenzeitschrift Brigitte will die Magermodels aus dem Heft verbannen. Die Begründung der PR-Abteilung ist doch klar: Man wolle dem Schlankheitswahn, der Bulemie, der Anorexie keinen Vorschub mehr leisten. Das klingt für Frauenbewegte, Gutmenschen und/oder Frauenversteher ja wirklich gut – ist das aber die Wahrheit?

Wenn Schlankheitswahn vermarktbar ist, dann erhält er auch ein Podium. Das scheint nun bei der Brigitte nicht mehr der Fall zu sein.

Sehen wir es doch realistisch. Zwei Gründe liegen doch auf der Hand, warum man leichten Herzens die Fotoshooting mit dürren Damen aufgibt.

1. Die Leserinnenschaft der Brigitte schrumpft kontinuierlich fast schon auf dramatischem Niveau. Und warum? Die jungen Leserinnen bleiben aus, die jungen Frauen mit Konfektionsgröße 34. Die Brigitte altert mit ihren Leserinnen. Diese haben keinen Bock darauf, Mädels präsentiert zu bekommen, deren Maße schon lange nicht mehr mit dem normalen Leben kompatibel sind. So gesehen ist eine Kapitulation von Gruner + Jahr und Brigitte. Die Jungen wurden aufgegeben. Jetzt kann man noch froh sein, wenn man sich in der Lebensmitte behaupten kann und um solche Geschichten wie „Mein Leben als Oma“ herumkommt. Mal sehen, ob die Stories für Silver Ager zunehmen.

2. Mit der Ankündigung, jetzt doch auf den Modestrecken lieber Frauen mit den Konfektionsgrößen 38 bis 42 ablichten zu wollen, hat man auch vermeldet, die Leserinnen mehr ins Blatt bekommen zu wollen. Was steckt dahinter? Leserinnen-Blatt-Bindung und ein Senken der Kosten für die Shootings. Irgendwie haben es die Macher kapiert, dass teure Fotostrecken nichts nutzen, wenn es die Leserinnen frustiert, sowieso nicht so gut aussehen zu können wie die Profimodels.

Die Nachrichten aus Hamburg kann man so gesehen nicht wirklich bejubeln. Mit Moral haben sie in jedem Fall nichts zu tun. Es geht für die Brigitte wie für viele andere Medien ums blanke Überleben.

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Leidensgenossen

Es gibt sie doch, die Leidensgenossen, die wahl-verzweifelt sind. Claudius Seidl hat in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung im Feuilleton einen Aufsatz darüber verfasst, dass die Bürger keine Lust mehr haben, sich im Vorfeld der Wahl von fiktiven Gestalten irgendetwas erzählen zu lassen. Die Wähler wollen ernst genommen werden. Sein Fazit: Das gelingt keinem der Spitzenpolitiker.

Sein Tipp: Politiker, schmeißt Eure Berater und PR-Experten raus, bvor es zu spät ist. Das ist ein guter Ratschlag. Mit Wahllügen und hohlem Gerede wird die Realität verkleistert. In der Politik wird kurzfristig gedacht. Das ist kein neues Phänomen. Das macht es aber nicht besser. In Zeiten, in denen alles transparenter wird, ist es sinnvoll, einen Paradigmenwechsel zu vollziehen. Parteipolitik muss hintan gestellt werden. Es geht um nichts mehr und nichts weniger als die Zukunft unserer Gesellschaft – egal, ob wir damit die deutsche oder die europäische Gesellschaft meinen.

Gut, dass nicht nur im Internet solche Dinge diskutiert werden. Die klassischen Medien können hier Unabhängigkeit von politischen Parteien beweisen und als wichtiges Regulativ wirken. Das stärkt Glaubwürdigkeit und Qualität – dann müssen sich auch einige Printtitel keine Sorgen um die Zukunft machen.

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Halbe Zeitungswahrheiten

Kürzlich hat die IVW die Auflagenzahlen der Tageszeitungen für das zweite Quartal veröffentlicht. Die Auflagen gehen im Prinzip seit Jahren zurück, ein Bodensatz ist nicht in Sicht. Interessant ist nach der Veröffentlichung der letzten Zahlen immer, wie sich die Medien jene Zahlen heraussuchen, die ihnen am besten in den Kram passen. Die überregionalen Zeitungen hauen sich gegenseitig auf die Nasen.

Aber auch die Regionalzeitungen spielen kräftig mit beim Schönfärben. Im Darmstädter Echo vom Wochenende war zu lesen, dass die Auflagen der großen Zeitungen im Schnitt erheblich zurückgehen. In einem separaten Text darunter hieß es, dass das Echo seine Marktführerschaft in Südhessen behält.

Aha. Dort fällt kein Wort darüber, dass auch die Auflage des Echo zurückgegangen ist. Die Druckauflage am Samstag fiel in der Kernregion Darmstadt und Darmstadt-Dieburg im Vergleich zum Vorquartal von 70867 auf 70095, um einfach einmal eine Zahl zu nennen. Wenn man nun weiß, dass das Echo ein Monopol in der Kernregion hat, dann kann es nicht verwundern, wenn die Marktführerschaft erhalten wurde. Schließlich hätte schon ein Phönix aus der Asche kommen müssen, um die Nummer eins in dieser Region zu werden.

Mich stört daran, dass es gerade im Kontext mit der Meldung darüber ein offenes Wort über den Rückgang der Auflage der eigenen Zeitung sicher nicht geschadet hätte. Schließlich sind die IVW-Zahlen für jeden einsehbar. Diese Vertuschung könnte also jedem auffallen. Gerade in diesen Zeiten ist das Bedürfnis nach Ehrlichkeit von Politik, Unternehmen und Medien besonders groß. Mich wundert, dass letztere nicht über ihren eigenen Schatten springen können und mit offenen Karten ihren Leser entgegentreten. Das verlangen die Medien ja auch von Politik und Wirtschaft beispielsweise.

Und zur allgemeinen Entwicklung: Wie tief dürfen die Auflagenzahlen der einzelnen Zeitungen maximal sinken, damit noch qualitativ hochwertige Zeitungen produziert und gedruckt werden können? Oder ist in einzelnen Fällen diese Grenze bereits überschritten?

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