Was ist los, Grüne Wiese?

Das Loop5, das Shoppingcenter in Weiterstadt, hat die ersten Monate hinter sich – und ist in der Realität angekommen. Der portugiesische Shoppingcenterentwickler und -betreiber Sonae Sierra gibt sich zwar Mühe, den Erfolg des neuen Hauses hervorzuheben, allerdings gelingt es ihm nur schwer.

Unter der Woche ist wohl Totentanz angesagt. Die Öffnungszeiten wurden beschnitten – eine Öffnung der Geschäfte bis 22 Uhr ist vom Tisch (21 Uhr ist meist Schluss, H&M macht gar um 20 Uhr Feierabend). Die Grüne Wiese rund um Darmstadt hat dann doch mehr Probleme, als zunächst von mir gedacht. Die Lage an der Pendlerautobahn A5 ist aus meiner Sicht herausragend, um die Pendler zu einem Einkehrschwung zu verführen. Offensichtlich wollen die Leute doch lieber schnell zur Arbeit und vor allem wieder nach Hause kommen, ohne Konsum an einer Zwischenstation.

Im Weihnachtsgeschäft war rund um die Anschlussstelle Weiterstadt der Teufel los, auch an den Wochenenden wird die Mall weiter eine gewisse Anziehungskraft haben. Dennoch fragt man sich, wie der Einzelhandel mittelfristig an solchen Standorten froh werden kann.

Auch ohne Winterschlussverkauf sind die Innenstädte schon voll von roten Preisen gewesen – bereits vor Weihnachten. Wenn man früher die Aufkleber mit dem WSV-Schriftzug gesetzlich vorgeschrieben nur von Ende Januar an für zwei Wochen in den Schaufenstern prangen sah, sind es heute Sale-Pickerl, die das Stadtbild und die Shoppingcenter prägen. Der Preis ist und bleibt das Verkaufsargument Nummer eins.

Zurück zum Loop5 und die Auswirkungen des Centers auf Darmstadt. Ein Gedankenspiel: Dass Kaufkraft aus der Darmstädter Innenstadt abgezogen wird ist klar (dazu tragen auch die horrenden Parkhausgebühren [Q-Park sei Dank] in der City bei). Wenn nun in drei oder fünf Jahren deutlich wird, dass das Loop5 keinen nachhaltigen Erfolg hat und bis dahin Einzelhändler in der Darmstädter Innenstadt ihre Läden geschlossen haben, dann haben wir es mit zwei, eigentlich drei Arten von Losern zu tun. 1. Die Einzelhändler in der Stadt, 2. Die Einzelhändler in der Mall und 3. Die Kunden, die nun im stationären Handel keine wirkliche Vielfalt mehr vorfinden. Gewinner ist der Entwickler eines solchen Projekts. Die Mietverträge laufen über zehn Jahre. Allerdings ist zu diesem Zeitpunkt das Investment bereits mehrfach verzinst. In der Regel hat sich, wenn man Experten glauben darf, deren Engagement bereits nach fünf Jahren gelohnt.

Ich habe hier ganz klar die regionale Brille auf. Mich würde einmal interessieren, was für Erfahrungen an anderen Standorten gemacht wurden. Vielleicht liest ja auch ein Händler aus dem Loop5 diese Zeilen. Wie sieht es denn dort im Inneren aus? Über Kommentare würde ich mich freuen.

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Produktivität erhöhen, bitte!

Ich habe da noch etwas nachzuholen, was mich eigentlich schon vor Weihnachten beschäftigt hat. Vor wenigen Wochen wurde mal wieder über das Thema Ladenöffnungszeiten diskutiert, im Zusammenhang mit den Sonntagsöffnungszeiten des Einzelhandels in Berlin. Ein Großteil der Unternehmen möchte die Regelungen weiter liberalisieren.

Nun lag Weihnachten diesmal so, dass die Massenhysterie, getrieben durch die Angst, an den Feiertagen vielleicht nichts mehr zu beißen im Haus zu haben, besonders groß war. Prognosen im Einzelhandel sind nicht ganz leicht zu erstellen. Das die Nachfrage allerdings in den zwei, drei Tagen vor Weihnachten besonders groß sein dürfte, musste man aber wissen, auch ohne Wahrsager und Computerprogramme.

Im Nachbarort gibt es einen gut sortierten und eigentlich auch gut geführten Edeka-Markt. Ich war am 22. Dezember am späten Nachmittag dort einkaufen und hatte rund 15 Positionen auf meiner Liste. Die Regale waren an den verdächtigen Stellen ordentlich geplündert. Drei der 15 Dinge ich kaufen wollte waren nicht im Regal.

Probleme in der Nachversorgung, entweder von der Zentrale aus oder innerhalb der Filiale. Das geht irgendwie nicht. Eine Hochrechnung meinerseits geht von etwa 2 bis 3% Umsatz aus, der im Weihnachtsgeschäft nicht realisiert werden konnte – in meinem persönlichen Fall lag der Wert darüber. Da liegen massig Potenziale. Der Einzelhandel muss diese künftig realisieren.

Interessant ist, dass man insgesamt lieber teure Arbeit an Wochenenden und in den Abendstunden bezahlen möchte, als intelligente Systeme anzuschaffen, die dafür sorgen, das die Produktivität in den vorhandenen Öffnungszeiten erhöht wird.

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Erwachen in Rüsselsheim

Es ist nicht ganz so eingetroffen, wie ich es vermutet hatte – aber eigentlich doch ganz ähnlich. Der Opel-Magna-Deal ist geplatzt. GM hat keine Lust mehr, seine Europa-Tochter zu verkaufen. Jetzt ist die Enttäuschung groß. Alles schimpft auf die bösen Amis. Die Politik, allen voran Angela Merkel, steht brüskiert da.

Es mag Zufall sein, dass GM die Entscheidung so lange herausgezögert hat. Allein mir fehlt der Glaube. Einige Wochen nach der Bundestagswahl ging die Bombe nun hoch. Bitteres Erwachen in Rüsselsheim.

Ich frage mich, ob die Politik wirklich geglaubt hat, dass sie etwas mitzuentscheiden hat, was schließlich das Thema eines Konzerns ist. Auch das glaube ich nicht. Der Großteil der Opel-Belegschaft und der Bürger hat es vielleicht geglaubt – und wurde nun herb enttäuscht.

Jetzt wird weiter gewettert: „Wir geben jetzt natürlich auch kein Geld mehr für die Sanierung her.“ Meines Wissens hat die EU zur Auflage gemacht, nicht nur einen Anbieter im Fall der Übernahmen finanziell zu unterstützen. Ich denke, das Geld wird bei Bedarf fließen müssen.

Die ganze emotionale Diskussion führt irgendwie nicht weiter. Es gibt in der Automobilbranche Überkapazitäten. Auch Opel hat Überkapazitäten – man spricht von 30%. Eine klare Umstrukturierung muss Stellenabbau und Standortschließungen in Betracht ziehen – sonst muss der Steuerzahler dem aus dem Geld geworfenen Fenster noch mehr hinterher werfen.

Unternehmen sind leider keine Wohlfahrtsinstitute. Jeder, auch die Opel-Mitarbeiter, genießt die Vorzüge des Kapitalismus und des Wirtschaftsliberalismus – dann muss man eben auch die Kröten schlucken.

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Quelle am Ende

Eine Erkenntnis bleibt: Die Millionen der Steuerzahler hätte man lieber in die Bildung – anstatt der maroden Quelle den Druck des wohl letzten dicken Katalogs zu finanzieren. Das Traditionsunternehmen wird abgewickelt. Das hat der Insolvenzverwalter von Arcandor gestern mitgeteilt.

Der Anfang vom Ende war der Zusammenschluss von Karstadt und Quelle. Ein wichtigen Sargnagel in die Ruhestätten der Handels-Titanen Quelle und Karstadt hat Thomas Middelhoff mit seiner Unternehmensführung eingeschlagen. Jetzt heißt es für Tausende Abschied nehmen von ihrem sinnstiftenden Arbeitgeber. Die Kunden müssen sich andere Versender aussuchen – sollte tatsächlich Neckermann.de nun noch eine Daseins-Berechtigung haben?

Quelle wird nun in irgendeiner Form zerteilt. Die Leichenfledderer dürften schon warten – so günstig wir jetzt sind einzelne Teile sonst nicht zu haben. Zum einen sind da die Marken wie Universum und Privileg, die es als Eigenmarken des Versenders zu einem beachtlichen Bekanntheitsgrad gebracht haben. Dann steht in Leipzig ein turbomodernes Logistikzentrum für die Abwicklung des Versandhandelsgeschäft. Das müsste doch auch auf Interesse stoßen.

Quelle wird es so also nicht mehr geben. Bei manchen Unternehmen kann man sich irgendwie gar nicht vorstellen, dass sie so einfach von der Bildfläche verschwinden. Nur: Quelle bleibt da wahrscheinlich nicht der einzige Name. Auch in anderen Bereichen wird es – wie man so schön euphemistisch sagt – zu einer Marktbereinigung kommen.

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Grüne Wiese vs. City

Vor den Toren Darmstadts kündigt sich schon seit Jahren Großes an. In Weiterstadt ist ein Shopping-Center riesigen Ausmaßes entstanden. Über 50.000 m² vermietbare Fläche, mehr als 170 Ladenlokale. Die Lage ist perfekt. Das Loop5 liegt direkt an der A5. Die Autobahn dort ist vierspurig – in jede Richtung. Das zeigt, wie hoch das Verkehrsaufkommen dort ist. Die A5 ist an dieser Stelle eine Pendlerpiste. Die Geschäfte im Loop5 habe täglich bis 22 Uhr geöffnet – da wird mancher eine Schleife drehen und seine Einkäufe abends dort erledigen, für die man sonst einen Samstagvormittag opfern muss.

Leidtragende werden die Einzelhändler in Darmstadts City sein. Während die Darmstädter, wenn sich nicht gerade Frankfurt-Pendler sind, noch in die City zum Einkaufen gehen werden, wird das Loop5 Kaufkraft aus dem Umland abschöpfen. Schließlich gibt es dort – genauso wie in der Noch-Einkaufsstadt Darmstadt – alles, was das Herz begehrt. In Zeiten knapperer Kassen spielt es durchaus eine Rolle, ob man für die angefangene 3/4-Stunde in einem Parkhaus 1,50 Euro berappen muss (wie in der City) oder 0 Euro (wie am Loop5). Ein Hoffnungsschimmer: Die Verkehrssituation direkt am Loop5 wird extrem chaotisch sein, weil man zu wenig Platz hat, um die Autos vernünftig an den Einkaufstempel zu führen.

Parkhaus-Betreiber Q-Park melkt die Kuh solange bis sie ausgedörrt auf der Weide – oder besser der Grünen Wiese liegt. Die Stadtmarketing-Gesellschaft hat schlecht verhandelt, der Einzelhandel in der Stadt wird das schon merken. Schneller als ihm lieb sein dürfte.

In den vergangenen Jahren haben sich die Häuser in der Stadt nochmals herausgeputzt, die Verantwortlichen haben ordentlich investiert. Man wollte ein Zeichen gegen das Loop5 setzen. Ist zwar alles ganz nett geworden, aber rechnen werden sich die Investitionen wohl nicht mehr.

Die Kunden können durchaus von dem größeren Angebot profitieren. Allerdings findet sich in Weiterstadt auch viel, was es auch schon in der Innenstadt gibt. Filialisten werden so vielleicht den Rückzug aus der Stadt antreten – wenn im Loop5 sowieso alles besser funktioniert.

Profitieren sollte auch die Lokalzeitung am Ort. Endlich werden die P&C-Beilagen auch über das Darmstädter Echo gestreut. Druckaufträge vom Center-Management hat man sicher auch schon in der Tasche. Die Abhängigkeit der Zeitung vom Einzelhandel wird so aber noch größer. Wirklich kritische Berichterstattung dürfte ausbleiben. Die Zeiten für die Medienbranche sind zu hart, als dass man sich für Qualitätsjournalismus das Anzeigengeschäft kaputt machen würde.

In Weiterstadt, einer 25000-Einwohner-Stadt, über die viele sagen, dort möchten sie nicht tot über dem Zaun hängen, freut man sich. Das ist verständlich. Die Gewerbesteuer fließt dort ganz erklecklich. Einkaufsmöglichkeiten gibt es dort auf der Grünen Wiese reichlich. Media Markt, Segmüller, Metro uvm. haben sich schon die perfekte Verkehrssituation zu Nutze gemacht. Jetzt also auch das Loop5.

Ich sehe das Ganze nicht moralisch. Es ist der Lauf der Dinge. Tatsächlich wurde aus Sicht Darmstadts vieles falsch gemacht. Jetzt kann man nur zusehen, was aus der einst lebendigen Einkaufsstadt wird.

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Bahn-Qualen

Im Moment muss man das Gefühl bekommen, dass die Bahn die Pendler fertig machen will. Sie kämpft an zwei Fronten.

Die zugegeben oftmals auch mutwillig traktierten und damit defekten Toiletten lässt sie nun wohl gar nicht reparieren. Das erkennt man daran, dass sie die temporären gelben Zettelchen mit dem Hinweis, die Toilette sei im Moment außer Betrieb, gegen selbstklebende und deutlich besser gestaltete Aufkleber ausgetauscht hat. Die Ankündigung, man sei um eine rasche Reparatur bemüht, klingt nicht wirklich ehrlich.

Zudem werden die Züge immer voller. Im Moment ist natürlich auch urlaubsfreie Zeit. Aber die Platzverhältnisse werden auf meiner Strecke immer dramatischer – an anderen Orten der Republik ist es sogar noch schlimmer. Es fahren nicht immer mehr Leute Zug, dafür kommen immer weniger Waggons zum Einsatz.

Also: Weitere Preiserhöhungen bei sinkendem Service – irgendwann muss sich das doch sehr gut rechnen. Dann ab an die Börse.

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Das Tal ist tief, breit und lang

Vor einigen Tagen habe ich mit dem Vorstandschef eines Modefilialisten in der Schweiz gesprochen. Es ging natürlich um die Wirtschaftskrise. Er war gut gelaunt und ist froh darüber, dass sein Unternehmen im Branchendurchschnitt besser dasteht als andere. Wir haben auch die Antwort auf die große Frage gesucht, wann es denn wohl wieder aufwärts gehen mag. Er sagte: „Frühestens in 18 Monaten. Das ist aber meine persönliche Meinung.“

Ich teile diese Einschätzung, vorausgesetzt es passieren nicht noch irgendwelche Katastrophen. Vor einigen Monaten gingen realistische Prognosen davon aus, dass es im Herbst 2010 so weit sein könnte. Die Entwicklung in den USA ziehen wir hier etwa ebenfalls 18 Monate später nach. Die Frage ist dabei: Ist in den USA die Talsohle schon durchschritten. Wahrscheinlich nicht.

Es wird zwar immer wieder im Einzelhandel beteuert, dass die Krise beim Konsum noch nicht angekommen ist. Irgendwie traut man dem Braten aber nicht. Zudem: Vielleicht wäre es besser, wenn man sie schon spüren würde, dann wäre vielleicht auch der Aufschwung näher.

Die Lufthansa kam gestern aus der Deckung und hat deutlich gemacht, dass man jetzt die Kosten ins Visier nehmen müsse. Flugzeuge werden stillgelegt, es werden keine neuen gekauft, die Mitarbeiter müssen sich auf Einschnitte einstellen. Diese Meldungen werden nicht abreißen in den kommenden Monaten. Leider.

Interessantes gibt es auch bei Arcandor. Denen ist der Generalbevollmächtigte Piepenburg abhanden gekommen. Er sah bei Sal. Oppenheim keine Bereitschaft, ins Risiko zu gehen. Da hat er jetzt auch keine Lust mehr, den Konzern auf eine Insolvenz in Eigenverwaltung vorzubereiten. Das ist ein schlechtes Signal aus und für Essen.

Alles zusammengenommen: Das Tal ist tief, breit und lang.

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Free for free

Das neue Buch von Wired-Chefredakteur Chris Anderson ist ab morgen erhältlich, physisch. „Free: The future of a radical Price“ ist als Hörbuch, also als Datei kostenlos im Netz zu bekommen. Das ist konsequent. War aber auch irgendwie zu erwarten. Das Werk wird sicher ebenso zu einem Standardwerk in der neuen Welt werden wie „The Long Tail“.

Ich habe es bei Amazon gerordert und werde mich gebührend dazu auslassen. Hier spricht aber erstmal der Meister persönlich:

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Autojammer

Noch profitieren einige Autohersteller von der Abwrackprämie – von den deutschen Herstellern sind es wohl nur Opel und VW -, und trotzdem fängt schon jetzt das öffentliche Gejammer an, dass die Abwrackprämie unter dem Strich keine große Hilfe für die Autobauer sein dürfte.

Ist ja toll: Experten haben von Anfang an auf die Problematik hingewiesen, dass eine künstliche Nachfrage generiert wird, die zu einer Enthaltsamkeit der Autokäufer in den kommenden Jahren führen wird. Das hätten Politik und Wirtschaft also schon früher in ihre Überlegungen mit einbeziehen können.

Ja, die Abwrackprämie ist keine große, nachhaltige Hilfe für die Autobauer. Beim einzelnen bleibt die Erkenntnis zurück, dass er dem Nachbarn mit seinen Steuergeldern die Anschaffung eines neuen Fahrzeugs finanziert hat. Ist ja wirklich toll.

Wirtschaftskrise hin oder her: Die Automobilbranche hat ein strukturelles Problem. Der Lauf der Dinge sieht vor, dass dieser Industriezweig weiter schrumpfen muss. Wenn Staaten keine Hilfen mehr ausspucken wollen oder können, ist es vorbei für den einen oder anderen Hersteller von Autos. Das müssen leider auch die Beschäftigten in diesem Wirtschaftszweig verstehen. Schließlich ist diese Branche nicht die einzige, die vor heftigen Umwälzungen steht.

Spannend bleibt die Frage, wer sich schließlich durchsetzen wird. Die Geschichte von Industrie und Technik zeigt, dass sich nicht immer die besten Produkte durchsetzen. Finanzkraft spielt neben anderen Dingen sicher ein große Rolle. Aber vielleicht – und das wäre zu hoffen – haben doch innovative Ansätze wie alternativen Antriebstechniken am Ende das zeug dazu, sich gegen schiere Größe durchzusetzen. Da sind Unternehmer und mutige Investoren gefragt. Dann haben vielleicht die Hersteller mit mutmaßlich zu geringen Stückzahlen doch noch eine Chance sich gegen die Großen der Branche durchzusetzen.

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Quelle von Strudel bedroht

Nach zähem Ringen hat sich die Politik nun doch dazu durchgerungen, dem Versandhaus Quelle einen Massekredit zu gewähren. Die 50 Millionen Euro seien notwendig gewesen, um den sofortigen Exitus zu verhindern, heißt es. Die EU hat dem Ganzen stattgegeben.

Okay, das rasche Ende ist verhindert – aber wie nachhaltig kann die Hilfe sein? Der Universalversand ist in der Krise. Das ist gar kein neues Phänomen. Alles unter einem Dach ist bei den Warenhäusern passé und bei den Versendern wahrscheinlich auch. Neckermann.de, schon vor geraumer Zeit aus dem Arcandor-Konzern faktisch herausgeschält, dümpelt vor sich hin. Überraschend war die Meldung, dass schon im nächsten Jahr schwarze Zahlen geschrieben werden sollen. Und jetzt Quelle.

Nennenswert ist in diesem Kanon eigentlich nur noch Otto. Die Otto-Gruppe steht vergleichsweise gut da. Mit dem Universalversand unter der Marke Otto hat das am wenigsten zu tun. Diversifikation ist eines der Stichworte. Der Konzern schreckt vor stationären Geschäften nicht zurück, geht Joint Ventures (in der Vergangenheit unter andere mit Zara) ein. Das Internet wird aktiv beackert. Zahllos sind die E-Commerce-Unternehmen, die zur Otto-Gruppe gehören. Entweder man macht es selbst (Yalook) oder man kauft hinzu (Limango ). Ebenfalls ein Schritt in eine erfolgversprechende Zukunft ist der Aufbau von Logistik-Dienstleistern unter der Dachmarke Hermes. So kann der Konzern auch davon profitieren, dass im E-Commerce andere erfolgreich – und vielleicht sogar erfolgreicher als die eigenen Töchter – sind. Das gilt für das Lagergeschäft wie für den Versand.

Universalversand und der Long Tail schließen sich quasi aus. Man versucht, sich als allumfassende Plattform zu etablieren, auf der auch andere ihren Waren anbieten können. Augenscheinlich funktioniert das nicht – und gefragt ist es vermutlich auch nicht. Vielmehr sind es die vielen Spezialisten mit ihren Spezial-Shops im Netz, die ihre Kundschaft finden und richtig ansprechen. Die Mega-Tanker aus der alten Welt, denen das Drucken der Kataloge so wichtig ist, haben nicht die richtigen Rezepte parat. Es fehlt auch an der richtigen Denke.

Ich muss leider wieder den Vergleich zu Medienwelt ziehen. Dort ist das Problem dasselbe. Die Bedrohung allerdings ist dort weit größer, da dort geistige bzw. mutmaßlich kreative Waren verkauft werden müssen. Sie sind viel flüchtiger und reproduzierbarer als Produkte, die man anfassen kann.

Die Zeit von Großkonzernen der alten Welt ist vorbei – das gilt ganz besonders für alle Bereiche der Wirtschaft, in denen das Internet ein besondere Rolle spielt. Und das ist im Handel zweifelsohne so.

Wie soll mit diesen Vorzeichen Quelle gerettet werden? Es ist quasi nicht möglich. Es kommt nicht von ungefähr, wenn Otto-Chef Hans-Otto Schrader davon spricht, dass Quelle nicht sanierungsfähig ist. Er hat kein Interesse an einer Übernahme. Aus den sogenannten Spezialversendern, die auch zum Arcandor-Konglomerat gehören, würde er sich gern die Rosinen rauspicken. Soweit ist es aber noch nicht. Das Phänomen Long Tail hat er auf jeden Fall verinnerlicht – das ist sein Vorteil. Auf jeden Fall hat er keine Lust, sich an Quelle zu vergiften.

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