Koch und BB

Am Ende seiner Regierungszeit ließ er mit Hilfe seiner Kommunikationsstrategen noch heftig dementieren, dass er an die Spitze des Baukonzern Bilfinger Berger wechseln werde, wenn er denn die Politik hinter sich lässt. Der Bild-Zeitung gelang damals dieser Scoop – wobei man da auch vorsichtig sein muss, schließlich kann sogar das Durchsickern der Information Teil der Strategie gewesen sein.

Heute ist nun klar, das der umstrittene Machtpolitiker der Union künftig Boss und Unternehmenslenker sein wird. Ganz spontan kommt einem die Frage: Was qualifiziert einen Spitzenpolitiker für ein solches Amt, außer seinen rhetorischen Fähigkeiten und dem Netzwerk, das er während seiner politischen Laufbahn geknüpft hat? Reicht das tatsächlich schon aus, um die Geschicke eines Unternehmens mit rund 10 Mrd. Euro Jahresumsatz und 68000 Mitarbeitern zu lenken? An der Börse wurde die Nachricht nicht sehr positiv beurteilt.

Das Ganze mutet doch sehr anrüchig an. Es ist kein Geheimnis, dass Bilfinger Berger von dem mit aller Macht von der Koch-Regierung vorangetriebenen Flughafenausbau in Frankfurt profitieren wird. Schäbig ist es allerdings, dass sich vor allem die Politiker anderer etablierter Parteien empören. Schließlich sind auch die Karrieren anderer politischer Spitzenkräfte in der Wirtschaft fortgesetzt worden, nachdem sie keine Lust mehr auf die immer gleichen Machtkämpfe auf der politischen Bühne hatten.

Den Medien tut sich hier ein schönes Feld auf, um diesen Fall und künftige, ähnlich gelagerte Fälle zu beleuchten und zu analysieren. Also Qualitätsjournalismus, jetzt musst Du ran!

Vielleicht wird man allerdings zu dem Ergebnis kommen, dass das Zusammenwachsen von Politik und Wirtschaft – nicht nur durch auf den ersten Blick unsichtbaren Lobbyismus – integraler, systemimmanenter Teil unserer Gesellschaft, unserer Demokratie ist. Das mag man finden, wie man will. Möglicherweise lässt sich dieser Trend aber auch nicht stoppen. Und dann?

Flattr this!

Lesen, Schreiben, Lesen

Nur zwei Stunden war ich auf der Buchmesse in Frankfurt unterwegs. Und es war wahnsinnig inspirierend. Großartige Bücher werden dort regelmäßig großartig präsentiert. Die Atmosphäre gefällt mir immer sehr gut. Kreative treffen auf Neugierige, die ihren Wissensdurst mit Hilfe des – noch immer meist – gedruckten Wortes befriedigen wollen. Und natürlich auf Händler, die ich hier nicht unterschlagen möchte.

Besonders viel Spaß haben mir die Kinderbuchverlage gemacht. Bücher für Kinder sind etwas Wunderbares. Heute lese ich noch sehr viel vor. In wenigen Jahren werden die wissbegierigen Kleinen hoffentlich vornehmlich Bücher (oder auch digitale Endgeräte, auf denen Buchstaben und Illustrationen weiterleben werden) nutzen, um ihre Neugier und ihren Wissensdurst zu befriedigen.

Man sagt mir innerfamiliär nach, dass ich schon immer eine Leseratte gewesen bin. Objektiv betrachtet ist das nicht ganz richtig. Es gibt sicher Menschen, die noch viel mehr lesen und gelesen haben als ich. Dennoch halte ich mich für ein recht gutes Vorbild für meine Kinder. Fast schon peinlich ist es mir, dass es jemanden in meiner näheren Verwandschaft gibt, der geradezu stolz ist, nie auch nur ein einziges Buch gelesen zu haben bzw. sich nicht mehr daran erinnern zu können. Wie ist ein solches Leben möglich?

Nun gut. Das mit den Maßstäben ist so eine Sache. Neulich habe ich aber auch anderer Stelle etwas gehört, was mich damals nachdenklich gemacht hat und nach dem Besuch der Messe wieder in mir hochgekommen ist. Es wurde in einem größeren Kreis darüber diskutiert, ob es sinnvoll ist, dass die Kinder so schreiben lernen, wie es im Moment modern ist. Also nach Gehör und mit Hilfe einer Buchstabentabelle ohne ein Korrektiv. Ein Vater sagte, dass es bei seinem größeren Sohn später nie mehr mit der Rechtschreibung geklappt habe. Die Pädagogen setzen unter anderem darauf, dass durch das Lesen Orthographie nebenbei gelernt wird. Er sagte, Lesen sei halt nicht das Ding des Jungen.

Bong, das hat gesessen und einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen. Das Heranführen an das Lesen, die Bücher, von mir aus auch an digitale Endgeräte ist doch in der Regel die Aufgabe der Eltern, allenfalls der Eltern in Kooperation mit der Schule und den Lehrern. Einfach die Lehrmethode zu hinterfragen und zu verurteilen, und dann noch seinen Anteil am Ganzen auszublenden, halte ich für schwierig.

Ich bin froh, wenn die Kinder den Spaß am Schreiben nicht schon in den ersten Monaten in der Schule verlieren. Ich schreibe gern, wenn das meinen Kindern genauso geht (sie müssen ja nicht gerade Schriftsteller oder Journalist werden), ist mir das sehr recht. Und lesen sollen sie auch – und zwar sollen sie mehr Zeit damit verbringen, als mit jeder anderen Indoor-Aktivität. Ich weiß, die positiven Effekte von Fernsehen, Computer/Internet und Videospielen zu schätzen. Doch den Wissensdurst stillt man immer noch am besten mit Lesen. Weitere positive Effekte nimmt man da doch gerne mit.

Also: Lesen, Schreiben, Lesen – und das mit Spaß und Begeisterung. Nur so können die Kinder auch Gefallen an Sprache und Schrift finden. Der Rest ist dann eigentlich egal.

Flattr this!

Gelesen 14

Nein, nicht schon wieder Managementliteratur. Das hunderttausendste Buch, das mit erhobenem Zeigefinger und apokalyptischen Drohgebärden Druck auf mich und meine Art, meine Leute und das Unternehmen zu führen, ausüben möchte. In Buchstaben gegossenes Besserwissertum, von Leuten (Beratern!), die keine Ahnung haben – und davon ziemlich viel. Ein Bombardement von markigen Sprüchen mit Gehirnwindungsverankerungspotenzial – die sich nach genauem Hinsehen als Worthülsen entlarven lassen.

Stopp. Genau das ist es nicht. „Nur Tote bleiben liegen“ von Anja Förster und Peter Kreuz wirkt da ganz anders – wenn die typischen Eigenschaften von Managementliteratur auch hier an einigen Stellen aufblitzen. Dieses Buch wirkt auf den Leser – Offenheit vorausgesetzt – wie ein reinigendes Gewitter. Die Autoren, als Berater sind sie regelmäßig für die ganz großen Unternehmen unterschiedlicher Branchen im Einsatz, machen nicht nur deutlich, dass in Unternehmen zahlreiche Fehler gemacht werden, und damit das Potenzial von Mitarbeitern und Organisation mit Füßen getreten aber sicher nicht realisiert wird. Die positive Stimmung überwiegt. Zahlreiche Beispiele von Unternehmen, die das Außergewöhnliche wagen und damit vom Unternehmensführungs-Mainstream abweichen, machen Mut, als Führungskraft/Entscheider eben auch einmal aus den engen Vorgaben überholter Methoden auszubrechen. Das Buch ist gut strukturiert, sehr gut gestaltet, leicht erfassbar. Also Manager: Es gibt keine Ausrede, die paar Stunden nicht zu investieren. Außerdem gibt es das Buch auch als Hörbuch. Auto-CD-Player, MP3-Player – ist ja alles schon erfunden.

Du bist kein Entscheider, bist aber irgendwie Teil der Wissensgesellschaft, und glaubst, dieses Buch ist nichts für Dich? Weit gefehlt. Die Autoren schaffen es in diesem Buch, dass sich offensichtlich an Manager richtet, die Relevanz bestimmter Strömungen in der Internet-Gesellschaft vom unternehmerischen Umfeld auf alle Bereiche des Lebens auszuweiten. Neue Theorien oder gesellschaftsanalytische Aspekte decken sie vielleicht nicht gerade auf. Es gelingt ihnen jedoch herausragend, solche Themen wie Schwarmintelligenz und Tipping Point so geschickt unter einen Hut zu bekommen, das die Horizonterweiterung beim Lesen ganz automatisch kommt. Sie zeigen, was eine Internet-Gesellschaft, für die es ganz normal ist, sich massenmedial mitzuteilen und für alle sichtbar mitzureden, auszeichnet. Sie zeigen, wie sich das auf Unternehmen und de Art der Mitarbeiterführung auswirkt. Und gleichzeitig stellen sie dar, wie sich die ganze Welt durch das – sagen wir abgedroschenerweise – Web 2.0 verändert. Man muss sich fragen: Wie ist in unserer Zeit Unternehmensführung möglich? Genauso: Wie ist Politik möglich? Wie ist überhaupt Gesellschaft möglich? Auf die erste Frage gibt es reichlich Antworten in dem Buch. Die beiden letzte Fragen sind nur durch Ableitung zu beantworten, aber natürlich nicht endgültig.

Der Wirbel um Stuttgart 21 ist für mich durch das Buch nochmal verständlicher geworden. Social Media spielt bei der Entwicklung dieses Themas eine riesige Rolle. Das lokale Ereignis gewinnt nicht nur mittels Berichterstattung in Tagesschau und Heute Journal eine überregionale Bedeutung. Die Macht der Vielen manifestiert sich nicht mehr nur an der Wahlurne. Politik muss umdenken. Politiker sollten dieses Buch lesen und sich spätestens dann Gedanken machen.

Mir persönlich gefallen die Gedanken in den ersten drei der elf Kapitel des Buches am besten. Hervorragend wird gezeigt, wie sich die Unternehmensführung zur Not auch von unten ändern wird. Die Führungskraft in einem Unternehmen der Wissensgesellschaft muss sich und seine Aufgabe neu definieren – das wird mit der Lektüre evident. Ein Mutmacher für einen wie mich ist das Buch allemal. Ziel erreicht.

„Nur Tote bleiben liegen“ von Anja Förster und Peter Kreuz erhält von mir 9 von 10 möglichen Punkten. Abstriche gibt es, weil es eben Managementliteratur ist, die ein besseres Bild vom Unternehmertum zeichnet, als es im Moment tatsächlich noch ist. Dabei schwingt die Angst mit, dass dieses Buch zu wenige Entscheider lesen. Und: Wenn es welche lesen, besteht immer noch die Gefahr, dass sie die Inhalte nicht verstehen, nicht an sich heranlassen oder sowieso der Meinung sind, dass sie genau so sind, wie es in dem Buch idealtypisch beschrieben wird – obwohl es keineswegs so ist.

Anja Förster und Peter Kreuz, Nur Tote bleiben liegen, Campus, 247 Seiten, 24,90 Euro

Da Transparenz alles ist, sei hier erwähnt, dass ich das Buch kostenlos erhalten habe, weil ich als einer von zehn Bloggern ausgewählt wurde, über dieses Buch zu schreiben.

Flattr this!