Manifest der Männerbewegung

Dieses Sammelwerk hat das Zeug zu einem Manifest der Männerbewegung. Befreiungsbewegung für Männer: Auf dem Weg zur Geschlechterdemokratie, herausgegeben von Paul-Hermann Gruner und Eckhard Kuhla, liefert eine Bestandsaufnahme, wie es um die Männerbewegung in Deutschland bestellt ist – das Fazit ist keineswegs positiv. Viel zu sehr, so Gruner in seinem Auftaktaufsatz „Männer und die Mündigkeit zur Selbstbefreiung – Das Ende des weiblichen Geschlechtermonologs“ steckt der Mann in einer sozialen Zwangsjacke fest. Er gefällt sich in der Rolle des Feministen und kommt nicht aus dem Quark. Damit ist er allgemein akzeptiert: „Der Feminist ist der erlaubte Mann“, schreibt Gruner.

Paul-Hermann Gruner        Von passionpapa

Das Buch mit seinen Aufsätzen, Analysen und Essays hat einen kämpferischen Kern – bleibt aber dem ernsthaften Anliegen entsprechend sachlich. Als Autoren fungieren nicht nur bewegte Männer, auch Frauen kommen zu Wort. Das Ziel des Buches ist eine Neubewertung der Männerrolle. Erreicht werden soll es mit zahlreichen Erkenntnissen von unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen.

Die Herausgeber warnen davor, das opulente Werk einfach nur als Rezeptbuch für das Etablieren einer Männerbewegung zu verstehen. In einer kurzen EInführung heißt es: „Die Bewegung benötigt die Analyse einzelner wichtiger Bausteine des Gebäudes, die Ausleuchtung seiner wesentlichen Funktionsdefizite und Dunkelzonen sowie das Herausarbeiten von Reparaturmöglichkeiten, das Ausdeuten von Modulen oder Aggregaten, die im Gebäude ersetzt werden müssen, um damit dessen Wohn- und Lebensqualität maßgeblich zu erhöhen.“

Um diesem Anspruch gerecht zu werden, haben Gruner und Kuhla das Buch sinnhaft in vier große Kapitel gegliedert. In Teil I (Ideologiekritik und Männerperspektive(n)) zeigt Gregor Amendt „den Weg der weltanschaulichen Risiken und Nebenwirkungen auf, den der Feminismus in seiner ‚misandrischen Alltagsroutine‘ genommen hat. Karin Jäckel setzt unter anderem „die feministische Formel ‚Mein Bauch gehört mir‘ und den verfassungsrechtlich und gesetzlich abgesicherten Frauen- und Mutterschutz in Zusammenhang mit der Verherrlichung, ja Heroisierung der alleinerziehenden Mutter in unseren modernen Gesellschaften“. Karl-Heinz van Lier beschäftigt sich mit dem Phänomen und den Konsequenzen des Gender Mainstreaming, das für ihn schließlich nur ein Instrument der Diskriminierung ist. Susanne Kummer „befragt das Spannungsfeld von Psychologie und Biologie, von Natur und Kultur in Verknüpfung mit der Geschlechterfrage“. Astrid von Friesen nimmt sich der weiblichen Gefühllosigkeit gegenüber den in familienrechtlichen Streitfällen entsorgten Vätern an.

Auftakt zu Teil 2 (Macht & Ohnmacht) bildet ein Aufsatz von Arne Hoffmann, der die Mär von der Lohn- und Geschlechterungerechtigkeit am Arbeitsmarkt unter die Lupe nimmt und sie anhand zahlreicher Daten widerlegt. Im Gespräch mit Sozialforscher Klaus Hurrelmann steht die Gewaltneigung der von Benachteiligung betroffenen Jungs im Fokus. Einer seiner Lösungsansätze: Die Teilaufgabe der Koedukation und damit eine gezielte Jungen-Förderung. Beate Kricheldorf räumt mit dem Vorurteil auf, dass häusliche Gewalt einzig vom Mann ausgeht. Buchautorin Christine Bauer-Jelinek sagt im Gespräch, dass es dem Feminismus gelungen sei, sich als Weltanschauung durchzusetzen. In einem zweiten Aufsatz beschäftigt sich Arne Hoffmann mit der Verwechslung von natürlichem und grammatischem Geschlecht. Er wendet sich gegen solche scheindemokratischen Dopplungen wie Bürger und Bürgerinnen.

„Männer und Männlichkeiten“ ist der dritte Teil des Buches überschrieben. Dort widmet sich Matthias Stiehler zunächst den Themen Männergesundheit und Gesundheitsrisiken von Männern. Marc Luy hat das Phänomen untersucht, dass Mönche hinter ihren Klostermauern länger leben als Männer in der freien Wildbahn des normalen Lebens. Hans-Joachim Lenz beschäftigt sich in seinem Aufsatz unter anderem mit der kulturellen Verdrängung männlicher Verletzbarkeit. Psychotherapeut Wolfgang Schmidbauer berichtet aus der Praxis, wie Ehemänner an die ihnen im Zeitverlauf fremd werdenden Einheit Frau und Kind scheitern.

Um „Initiation, Initiative&Bewegung“ geht es im vierten und letzten Teil des Werkes. US-Männerrechtler Warren Farrell sieht die Gesellschaft „in einer Transitionsphase, einer Periode des labilen Übergangs in eine Zeit, die für beide Geschlechter bessere und befriedigendere Konstruktionsmerkmale bieten muss“, wie es in der Einleitung des Buches heißt. Claudia ischer weist daraf hin, dass die für männlichen Jugendlichen Initiationsrituale besonders wichtig wären, in unserer Zeit aber nicht mehr den gebührenden Platz einnehmen. Als Ersatz können sich beispielsweise Videospiele etablieren. Markus Theunert skizziert den Weg in eine andere, Männern gerechter werdende Rollenzunft. Psychologe Martin Verlinden rückt die Vaterschaft in den Fokus. Er betont vor allem auch ihre lustvollen und witzigen Seiten. Es geht ihm auch stark um das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Mitherausgeber Eckhard Kuhla liefert abschließend einen Einblick in die Niederungen des politischen Alltags. Mit seiner Idee der Frauenbeauftragten einer Kommune einen Männerbeauftragten zur Seite zu stellen erntete er nicht nur Verständnis.

Nach diesem ersten Überblick sollen in den kommenden Wochen einzelne Aspekte aus dem Buch hier noch genauer vorgestellt und dann hoffentlich auch diskutiert werden. Als nächstes steht ein Interview mit Mitherausgeber Paul-Hermann Gruner auf dem Plan.

„Befreiungsbewegung für Männer: Auf dem Weg zur Geschlechterdemokratie. Essays und Analysen.“, Paul-Hermann Gruner und Eckhard Kuhla (Hrsg.), 410 Seiten, ist im Psychosozial Verlag erschienen und kostet 29,90 Euro.

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