Und wieder versagen die Medien

Ein Kreuzfahrtschiff musste auf Grund laufen, mindestens elf Menschen mussten sterben und in Kapitän Schettino musste ein neuer Sündenbock für alle Probleme der Welt gefunden werden – bis die Medien die Causa Wulff aus den Augen verloren haben.

Dieses Beispiel zeigt mal wieder, dass das Mediensystem und damit die Gesellschaft ein zutiefst internales, immanentes Problem hat. Die Sache entgleitet im Tsunami der Emotionen all zu leicht. Wenn sich ein neues Thema aufbaut, das die Gefühle hochkochen lässt, ist ein anderes vermeintlich weltbewegendes Thema schnell beim Agenda Setting auf einen der hinteren Plätze verbannt. Und dann sind die Medien schnell in der Gefahr, sich lächerlich zu machen. So wurde heute in den Radionachrichten berichtet, das berichtet wurde, Frau Wulff hätte ein Auto zu Sonderkonditionen geleast. Selbst wenn es so wäre. Ein solches Nachtreten ist peinlich und schadet dem Image der Medien und der Journalisten.

Das Thema Wulff sollten sie als Ganzes zur Seite legen. Der Rücktritt würde auch nichts bringen. Er hat sich und dem Amt, das er bekleidet, schwer geschadet. Das weiß heute fast jeder – und morgen? So hat jeder seine persönliche Entscheidung zu treffen. Und manche haben eben ein besseres Gedächtnis als andere. Und das weiß auch Wulff.

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Eine Mediengeschichte zum Jahresstart

Die Causa Wulff ist von Beginn an auch eine Mediengeschichte gewesen. Nicht in dem Sinne, wie es einige Politiker dargestellt haben. Die Medien sind nicht Schuld am Verhalten des Bundespräsidenten. Den Schuh muss einzig und allein er sich anziehen. Mittlerweile ist wohl klar, dass seine Tage gezählt sind. Wenn selbst die Freunde nicht mehr zu einem halten, dann ist wohl alles vorbei.

Wie so oft bei den ganz großen Scoops spielt die Bild-Zeitung eine ganz wichtige Rolle (es ist übrigens ganz lustig wie der Spiegel darstellt, dass seine investigativen Kräfte auch an der Geschichte mit dem Privatkredit dran gewesen sind). Ein Geschenk des Himmels war es dann am Ende noch, dass Wulff – nicht mehr ganz Herr seiner Emotionen – einen Wutanruf auf der Mobilbox von Bild-Chefredakteur Kai Diekmann hinterlassen hat.

Aber nochmal der Reihe nach. Am 13. Dezember hat sich die Welle in Bewegung gesetzt. Zu Anfang gab es noch reichlich Rückendeckung für den Bundespräsidenten. Nicht nur bei den Politikern. Auch in der Bevölkerung war alles noch ganz in Ordnung. Die Salamitaktik, das Rausschmeißen seines Sprechers und die unvollständige Transparenz haben die Skepsis und die Kritik angefeuert. Dass der letzte Kreditvertrag zu Normal-Mensch-Konditionen dann doch erst kurz vor Weihnachten unterzeichnet wurde, hat das Fass bis an den Rand der vollständigen Füllung gebracht. Sowohl die klassischen Medien als auch die Netzgemeinde waren zu diesem Zeitpunkt eher klar und sachlich. Für viele steht sowieso schon lange fest, das Christian Wulff nicht in seinem Amt bleiben kann. Das wurde auch unverblümt so dargestellt. Doch blieb die Häme weitgehend außen vor.

Doch dann kam es zur Instrumentalisierung von der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung und der Süddeutschen Zeitung durch die Bild-Zeitung. Am Wochenende wurde also bekannt, dass Wulff Diekmann angerufen hat, um ihm Drohungen auf das digitale Band zu diktieren. Seine Meinung zur Pressefreiheit hat Wulff implizit damit auch kundgetan. Das war eine nachhaltige Dummheit. Die Bild-Zeitung hat die Geschichte ausnahmsweise nicht selbst gebracht, sondern so genannte Qualitätsmedien mit der Information versorgt. Ein Geniestreich von Diekmann.

Spätestens jetzt war auch die Netzgemeinde in höchstem Maße aktiviert. Neben sachlicher Auseinandersetzung mit dem Thema kam nun noch ein riesiger Schwall Häme hinzu (dafür steht beispielhaft das hashtag #wulffilme auf Twitter). Das macht deutlich, dass das Amt beschädigt ist, der Respekt ist dahin – und es darf bezweifelt werden, das Christian Wulff der Mann ist, der diesen Respekt als Person und Amtsträger wieder herstellen kann.

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