Bürgernah

Die Medien machen schwere Zeiten durch. Die Wirtschaftkrise hat die allgemeine Krise der klassischen Medien noch verschärft. Die Abo-Zahlen der regionalen Tageszeitungen – um die soll es hier vor allem gehen – sind seit Jahren rückläufig. Jetzt erhöht sich der Druck auch noch auf der Anzeigenseite. Vetriebserlöse gehen zurück, Anzeigenerlöse gehen zurück. Die Unternehmen suchen neue Geschäftsmodelle (Post-Alternativen) und sparen im Kerngeschäft. Gleichzeitig haben sie wenig Mut, das Kerngeschäft zu modernisieren – Innovationen, auch unter Einbeziehung des neuen Vertriebskanals Internet, sind Mangelware.

Dabei wäre es manchmal so einfach. Klar, Leser sind tendenziell unzufrieden mit den Inhalten „ihrer“ Tageszeitung – trotzdem ist die Treue noch überraschend groß. Auch Fehler, hier meine ich vor allem Rechtschreibfehler und ähnliches, sind menschlich. Sie stören mich nicht so sehr, da ich selbst Teil des Medienbetriebs bin und weiß, dass unter den derzeitigen Produktionsbedingungen ein fehlerfreies Produkt heute kaum in den Druck geht.

Richtig ärgerlich wird es aus meiner Sicht, wenn die vermeintlichen Kernkompetenzen aus dem Auge verloren werden. Ein kleines Beispiel: In meiner Heimatkommune Bickenbach findet gerade das Volksfest statt, das eigentlich unter dem Namen Bachgassenfest bekannt ist. Ein kleiner Festplatz – sicher nicht der Kern der Veranstaltung – befindet sich hinter dem alten Rathaus. In der Berichterstattung des Darmstädter Echo, der Zeitung am Ort, muss man in der Unterzeile lesen, dass sich das Volksfest vor dem alten Rathaus abspielt. In dem Text wird mehr als deutlich, dass es eigentlich um das Treiben in der Bachgasse geht, und der Festplatz nur schmückendes Beiwerk ist.

Das ist wirklich ein sehr kleines Beispiel, zeigt aber, dass die Tageszeitung offenbar eine wichtige Eigenschaft nicht mehr hat: Sie ist nicht bürgernah. Die Redakteure sind zwar Mitglied einer Lokalredaktion, kennen sich aber mit den Verhältnissen vor Ort nicht aus. das ist peinlich. Der Text hätte zehn Rechtschreibfehler haben dürfen, aber inhaltlich derart daneben darf er nicht sein.

Was soll aus einer regionalen Tageszeitung werden, die ihre Stärken wie die Kompetenz für die Themen vor Ort gar nicht mehr haben? Man sollte weniger Post verteilen, dafür mehr sehen, wofür man eigentlich steht. Es kann natürlich auch sein, dass man in den Verlagshäusern schon kapituliert hat und das eigentliche Geschäft lieber anderen überlässt. Dann wird man irgendwann eben nur noch Post verteilen – und zwar ganz bürgernah, wahrscheinlich.

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Gute Millionäre

Da haben doch 23 Millionäre eine Erklärung unterschrieben, die sie verpflichtet, eine Abgabe für Reiche zu entrichten. Sie gehen noch weiter und wünschen sich die Vermögensabgabe (5%) für alle, die über ein Vermögen über 500.000 Euro oder ein Betriebsvermögen über 3 Millionen Euro verfügen. Sie soll in den Jahren 2009 und 2010 entrichtet werden. Mit dem Geld sollen die Folgen der Wirtschaftskrise gemildert werde. Initiator ist Bruno Haas, Philosoph und Miterbe eines Familienunternehmens. Das Geld soll nach seinen Aussagen beispielsweise für Bildung und Klimaschutz eingesetzt werden. „Geld ist nicht alles“, sagt Haas. Es gebe auch eine soziale Rendite.

Dieser Vorstoß ist bemerkenswert, passt aber irgendwie in die Zeit. Es geht um die Themen Freiwilligkeit und Verantwortung. Meiner Ansicht nach nimmt beispielsweise die Bereitschaft zu, freiwillig für etwas zu zahlen, das einen echten Gegenwert darstellt. So kann Wikipedia mit einem ständigen Geldzufluss rechnen. Auch Entwickler von Themes – zum Beispiel für WordPress – setzten auf das Freiwilligekeitsprinzip und hoffen auf Spenden. Auch Medien können das Instrument einsetzen. Da ist Brand Eins ein gutes Beispiel. Das Wirtschaftsmagazin packt alle Inhalter aus dem Heft zeitnah in das Volltextarchiv ins Netz. Wer die Inhalte gut findet, der wird sich trotzdem das Heft kaufen oder ein Abo bestellen. Allerdings sind die Verlagshäuser im allgemeinen zu konservativ und ängstlich, um Vorstöße in diese Richtung zu wagen. Es ist zu stark Controller gesteuert.

Aber zurück: Immerhin haben sich 23 Reiche nun schon einmal bereit erklärt, die Abgabe zu entrichten. Das könnte Schule machen. Eine Verpflichtung wäre kontraproduktiv – aber eine Liste mit jenen, die sich dazu bereit erklären im Netz öffentlich zu machen, könnte eine Sogwirkung haben.

Man traut der Öffentlichen Hand nicht zu, Gelder zielgerichtet einzusetzen. Das wird viele davon abhalten, sich zu beteiligen. Es sollte aber ohne einen zu großen Wasserkopf möglich sein, die Einnahmen entsprechend zu verwenden. Es ist gut, dass die Politik sich bei diesem Thema eher bedeckt hält – bis auf die Grünen und die Linken. So ist der Weg frei für eine eigendynmische Entwicklung.

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Politisch korrekt

Die Schweinegrippe beschäftigt die Medien noch immer – nun ist die Berichterstattung aber weit sachlicher und nüchterner, nachdem klar geworden ist, dass die Krankheit doch nicht so schlimm ist wie zunächst befürchtet.

Ein Thema war zuletzt der Name. Der deutsche Bauernverband hat darum gebeten, die Grippe nicht Schweinegrippe sondern mexikanische Grippe zu nennen, um das Schwein vor einem schlechten Image zu schützen. Was sollen jetzt aber die Mexikaner sagen?

Auf Englisch heißt die Krankheit übrigens swine flu und nicht pig flu. Eine Kollegin, die Halb-Amerikanerin ist, hat ihren Vater gefragt, warum das so ist. Ein Grund: swine klingt wohl besser. Auf leo.org wird das Thema auch diskutiert. Außer den üblichen Beschimpfungen und Anfeindungen der Diskutanten untereinander gibt es nach meinem Kenntinsstand dort noch kein Ergebnis.

Zwei Dinge werden von mir heiß erwartet: Dass keine Menschen mehr an der Schweinegrippe erkranken und die Medien sich dann noch intensiver um die wirklich wichtigen Themen kümmern.

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Schweinegrippe

Ich bin wirklich der letzte, der den Medien eine Macht zuschreibt, die sie wahrscheinlich gar nicht haben. Nichtsdestotrotz gibt es Medienthemen, die sich von der Realität sehr weit entfernen. Manchmal werden dann auch die so genannten Qualitätmedien ihrem Anspruch und Auftrag nicht gerecht, angemessen, hintergründig und umfassend zu informieren. Das hängt dann aber auch mit dem immensen Grundrauschen zusammen, dass alle Medien zusammen genommen erzeugen.

Ich finde die mexikanische Schweinegrippe ist so ein Fall. Erst einige Tage, nachdem das Thema so richtig hoch gekocht ist, wurde gemeldet, dass die Zahl der Opfer in Mexiko doch nicht so hoch war wie zunächst angegeben. Fast zeitgleich wurde berichtet, dass alle Erkrankungen außerhalb Mexikos einen relativ harmlosen Verlauf hatten. Das klingt irgendwie nach einer normalen Grippe. Jährlich sterben in Deutschland mehrere tausend Menschen an der herkömmlichen Grippe. In schlimmen Saisons, wie 1995/96, sind es auch schon einmal 30000.

Also: Die Grippe ist per se gefährlich. Im Moment herrscht Panik. Die Wirtschaftskrise hat Pause. Auch wenn Unternehmen nicht gerade rosige Zeiten erleben. Spaß dürfte im Moment der Pharmazeut Roche haben, der mit Tamiflu täglich in den Medien ist. Ich denke: Aufmerksamkeit hinsichtlich der Schweingrippe ist gut und richtig, Panikmache kann niemand gebrauchen.

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