Die Brigitte setzt an und kämpft

Deutschlands noch beliebteste Frauenzeitschrift Brigitte will die Magermodels aus dem Heft verbannen. Die Begründung der PR-Abteilung ist doch klar: Man wolle dem Schlankheitswahn, der Bulemie, der Anorexie keinen Vorschub mehr leisten. Das klingt für Frauenbewegte, Gutmenschen und/oder Frauenversteher ja wirklich gut – ist das aber die Wahrheit?

Wenn Schlankheitswahn vermarktbar ist, dann erhält er auch ein Podium. Das scheint nun bei der Brigitte nicht mehr der Fall zu sein.

Sehen wir es doch realistisch. Zwei Gründe liegen doch auf der Hand, warum man leichten Herzens die Fotoshooting mit dürren Damen aufgibt.

1. Die Leserinnenschaft der Brigitte schrumpft kontinuierlich fast schon auf dramatischem Niveau. Und warum? Die jungen Leserinnen bleiben aus, die jungen Frauen mit Konfektionsgröße 34. Die Brigitte altert mit ihren Leserinnen. Diese haben keinen Bock darauf, Mädels präsentiert zu bekommen, deren Maße schon lange nicht mehr mit dem normalen Leben kompatibel sind. So gesehen ist eine Kapitulation von Gruner + Jahr und Brigitte. Die Jungen wurden aufgegeben. Jetzt kann man noch froh sein, wenn man sich in der Lebensmitte behaupten kann und um solche Geschichten wie „Mein Leben als Oma“ herumkommt. Mal sehen, ob die Stories für Silver Ager zunehmen.

2. Mit der Ankündigung, jetzt doch auf den Modestrecken lieber Frauen mit den Konfektionsgrößen 38 bis 42 ablichten zu wollen, hat man auch vermeldet, die Leserinnen mehr ins Blatt bekommen zu wollen. Was steckt dahinter? Leserinnen-Blatt-Bindung und ein Senken der Kosten für die Shootings. Irgendwie haben es die Macher kapiert, dass teure Fotostrecken nichts nutzen, wenn es die Leserinnen frustiert, sowieso nicht so gut aussehen zu können wie die Profimodels.

Die Nachrichten aus Hamburg kann man so gesehen nicht wirklich bejubeln. Mit Moral haben sie in jedem Fall nichts zu tun. Es geht für die Brigitte wie für viele andere Medien ums blanke Überleben.

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Gelesen 5

Erst so langsam schaffe ich es, die wichtigsten Bücher für die neue Welt zu lesen. Kürzlich habe ich endlich einmal „Tipping Point – Wie kleine Dinge Großes bewirken können“ von Malcolm Gladwell zur Hand genommen. Der Autor schafft es, einigermaßen theoretischen Stoff und zahlreiche hauptsächlich psychologische Studien sehr unterhaltsam zu vermitteln. Noch besser: Er schafft die Verknüpfung zum wahren Leben und echten Phänomen, abseits von psychologischen Labors.

Er beschreibt das Phänomen, dass es oftmals nur kleine Eingriffe braucht, um entscheidende und nachhaltige Veränderungen in Gang zu bringen. Seine wichtigsten Beispiele: das Eindämmen der Kriminalität in New York durch das konsequente Tilgen von Graffitis und das Verändern eines Marken-Images am Beispiel der Schuhmarke Hush Puppies. Häufig benutzt er den Begriff Epidemien und schafft damit die Parallele zu der Verbreitung von ansteckenden Krankheiten. Auch hier führt er Beispiele auf, wie aus einer ansteckenden Krankheit ein Epidemie wird.

Das Fass zum Überlaufen bringen wäre eine weitere Beschreibung für das Phänomen, das ihn umtreibt. Er identifiziert drei Regeln des Tipping Points: das Gesetz der Wenigen, den Verankerungsfaktor und die Macht der Umstände. Wenn hier alles zusammenpasst, dann kann aus einer einfachen Maßnahme eine große Sache werden.

Gladwell präsentiert hier eine Gesellschaftstheorie, die nicht zuletzt hilft, viele Phänomene unserer Zeit zu begreifen. Darüberhinaus macht das Buch Mut, auch einmal selber etwas auszuprobieren. Gerade Unternehmer sollten dieses Werk einmal lesen und sich dadurch motivieren lassen, etwas zu wagen – und damit vielleicht den großen Wurf zu machen.

Das Buch bekommt von mir 8 von möglichen 10 Punkten.

Malcolm Gladwell, Tipping Point – Wie kleine Dinge Großes bewirken, 2002 (urspr. 2000 im Original), Goldmann, 316 Seiten

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