Elton John vs. D&G: Was bleibt nach der Schlammschlacht?

Manchmal werden die aufregendsten Geschichten in der Fashion-Branche neben dem Laufsteg geschrieben. In dieser Woche ist ein Streit zwischen Elton John und Domenico Dolce – von Dolce&Gabbana – hochgekocht. Dabei geht es im ersten Moment gar nicht um Mode. Dolce hat sich in einem Zeitschrifteninterview gegen künstliche Befruchtung, Leihmutterschaft und “synthetische Babys” ausgesprochen. Der britische Barde fühlte sich dadurch persönlich und auch allgemein gekränkt und rief sofort zum Boykott von Mode aus dem Hause des italienischen Designer-Duos auf.

Selbstverständlich hat er auch umgehend prominente Mitstreiter gefunden. Ricky Martn, Courtney Love und Victoria Beckham sind nur einige von ihnen. Dolce, ebenso homosexuell wie Gabbana und John, hat die “klassische” Familienkonstellation – Vater, Mutter, Kinder – als eine Art Normalzustand bezeichnet und verfügt damit nun eher über ein konservatives Familienbild – und das passt nun gar nicht in das libertäre Menschenbild moderner Zeitgenossen. Er stamme aus einer traditionellen Familie – und das sei auch gut so, hat Dolce in etwa dazu gesagt. Er hat also seine Meinung und Einstellung kund getan.

Dolce und Gabbana sind geschäftlich ein Paar und waren es vor geraumer Zeit auch privat. Diese Verbindung ist kinderlos geblieben. Elton John und sein Lebensgefährte David Furnish haben zwei Söhne, die mittels künstlicher Befruchtung und Leihmutterschafft zur Welt gekommen sind. John warf Dolce und Gabbana in einem ersten Einwurf via Instagram vor, die beiden seien in ihren Einsichten so von gestern wie ihre Mode. D&G sei für ihn auf ewig tabu – und so sollten es doch bitte auch alle anderen handhaben (#boycottdolcegabbana). In den sozialen Netzwerken hat sich umgehend eine Kampagne gegen D&G aufgebaut, angeführt von Elton John und seinen prominenten Mitstreitern.

Die eine Seite des Kampfes auf Instagram.
Die eine Seite des Kampfes auf Instagram.

Der Empörung in der Promi-Gemeinde stellt sich nun die Gruppe derer entgegen, die Dolces Aussagen unterstützen oder zumindest gewisse Sympathien dafür hegen. Auf citizengo.org läuft eine Online-Petition unter dem Namen “Du wirst geboren und hast eine Mutter und einen Vater”, die bereits über 125.000 Unterstützer gefunden hat. Darin heißt es unter anderem: “Es ist jetzt von höchster Wichtigkeit, dass Personen des öffentlichen Lebens wie Domenico Dolce und Stefano Gabbana unsere Unterstützung und Solidarität für die Familie spüren und sich nicht von jenen alleingelassen und entmutigt fühlen, die ähnliche Werte teilen.”

Aber die Designer selbst wollen den Boykott-Aufruf so auch nicht stehen lassen und sind in die Schlammschlacht eingestiegen. Auch sie kreierten ein Hashtag mit #boycotteltonjohn. Und so findet der Streit mit zahlreichen Unterstützern nun in den sozialen Netzwerken statt. Noch haben die Elton John-Sympathisanten im Instagram-Hashtag-Slam klar die Nase vorn. Fortsetzung folgt.

Und die zweite des Kampfes auf Instagram.
Und die zweite des Kampfes auf Instagram.

Spannend ist wie immer die Frage: Was bleibt? Inhaltlich sind diese emotional aufgeladenen Themen natürlich Dauerbrenner und für die Sozialen Netzwerken das Schmiermittel, das sie am Laufen hält. Doch was wird aus der Mode von D&G, die bei Homosexuellen bisher äußerst hoch im Kurs stand? Vielleicht muss D&G davon abrücken, in den eigenen Werbelinien immer wieder vor allem die homosexuelle Kundschaft durch die verwendeten Motive anzusprechen. Möglicherweise stoßen in die vielleicht entstehende Lücke aber auch wieder neue Zielgruppen. Auf Dauer bleibt sicher nichts zurück. Das ist wie mit jeder übermäßigen Empörung, auch Shitstorm genannt. D&G und Elton John werden bleiben, das ändern auch Hashtags nicht.

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Jeremy Rifkin über die Zukunft der Arbeit, das Internet der Dinge und ein besseres Leben

Jeremy Rifkin ist ein kluger Mann, der viele gute Sachen sagt. Allein seine positiven Schlüsse sind mir ein wenig zu positiv. Gerne möchte ich im glauben.

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Mythos Multichannel – oder vom Wahnsinn, bei Tchibo Kaffee bestellen zu wollen

Ich habe etwas total Verrücktes gemacht. Ich habe bei Tchibo etwas im Internet bestellt. Und es wird noch verrückter. Ich habe Kaffee bei Tchibo bestellt. Wenn ich das meinem Therapeuten erzähle, müssen wir zwei Jahre zurückgehen und beim Stand von damals mit dem Assoziieren beginnen. Ich habe also tatsächlich unter anderem Kaffee bei Tchibo bestellt, Wahnsinn.

 

Klar, zuerst habe ich mir gar nicht viel dabei gedacht. Ich dachte, bestell deinen neuen Porzellanfilter, deine Papierfilter und deinen Kaffee doch einfach bei Tchibo. Klar, Tchibo hat ja sonst nichts mit Kaffee sowie Distanzhandel, E-Commerce und Multichannel zu tun, insofern könnte es sich bei einer solchen Entscheidung um ein echtes Online-Abenteuer handeln, von dem ich am Ende meinen Enkeln noch in 50 Jahren erzählen werde. Ursprünglich bin ich aber wirklich ganz unbedarft an das Thema herangegangen, ehrlich.

 

Früher, also damals in der Online-Steinzeit vor vielleicht 15 Jahren oder so, habe ich schon ein paar Mal bei Tchibo online eingekauft. TCM, wer kennt die Marke noch? Und jetzt habe ich mich an die guten alten Zeiten erinnert und meinen Warenkorb voll gemacht. Ich bin sogar extra auf den Marketing-Kniff, ab 20 Euro versandkostenfreie Lieferung, eingestiegen. Okay, ein guter Kunde bin ich damit noch lange nicht. Aber ich bin ein Kunde, und somit irgendwie auch nur ein Mensch, der Waren haben möchte und dafür bereit ist, sein verdientes Geld im Tausch dafür herzugeben. Und zwar in Echtzeit. Ich habe noch nicht einmal Rechnung gewählt. Dahinter stecken nämlich so ätzende Kunden, die das Bezahlen rauszögern und lieber auf die erste Mahnung warten, bis sie denn das Geld überweisen. Ich bin eher so ein PayPal-Typ. Also habe ich mich für diese Zahlungsweise entschieden.

 

Zugegeben, die Lieferzeit von bis zu fünf Werktagen hat mir nicht so zugesagt. Aber ich war vergangene Woche noch jung, entspannt und von dem Gedanken beseelt, dass in wenigen Tagen mein Kaffee durch das kleine Loch im Porzellan-Filterhalter in die Tasse tröpfelt und einen wunderbaren Duft in der ganzen Küche verströmt.

 

Bestellung abgeschickt – und in den Vorfreude-Modus geschaltet. So muss das sein. Einkaufen im unpersönlichen Internet als Erfahrung für alle Sinne – schön.

 

Das war am 5. November. PayPal hat rasch gemeldet, dass die Bezahlung erfolgte. Wertstellung 6. November, Buchung 7. November.

 

Okay, der Versand ist wohl erfolgt, dachte ich leichtsinnigerweise. Und leichtsinnigerweise hielt ich Tchibo für ein seriöses Unternehmen mit viel Erfahrung beim Kaffeeverkauf und im Distanzhandel.

 

Ein Blick ins Kundenkonto kann nicht schaden, dachte ich mir. Oh, die Bestellung steht auf „In Bearbeitung, Zahlung noch nicht erfolgt“. Das war schon einmal interessant. Welches Tchibo hat denn da schon mein PayPal- und mein Kreditkartenkonto belastet? Ich kenne das eigentlich so, dass die Faktura beim Versand angestoßen wird. Das klingt für mich sauber. Ist so wie im Laden, offline. Ich gehe durch den Checkout, vulgo Kasse, überführe die Ware aus dem Bestand des Ladens in meinen Bestand und in diesem Moment findet auch die monetäre Transaktion statt. Jetzt habe ich gelernt, dass online erstmal die Kohle verbucht wird und dann – jetzt kommt der Hammer – überhaupt erst jemand losgeht und schaut, ob das Produkt noch auf Lager ist.

 

Gestern nämlich erreichte mich die Nachricht, dass ausgerechnet der Kaffee, den ich bestellt habe, nicht mehr lagernd ist. In der automatisierten Mail heißt es: „Unser gutes Preis-Leistungs-Verhältnis erzielen wir vor allem dadurch, dass wir unsere Produkte speziell für unsere Kunden in begrenzten Mengen fertigen lassen. Besonders beliebte Artikel sind aus diesem Grund manchmal schnell vergriffen. Es tut uns sehr leid, dass wir Ihren Bestellwunsch diesmal nicht erfüllen können.“ Entschuldigung, aber hier handelt es sich um absolut sinnfreies, automatisch erstelltes Geschwafel – kundenfeindlich bis zum Abwinken. Ich habe einen Kaffee aus dem Standard-Sortiment bestellt, der in jedem Tchibo-Depot vorrätig ist und als Never Out of Stock-Ware im Normalfall ständig nachgeschoben wird, damit die Ware auf der Fläche bloß nicht ausgeht – und damit entsprechend die Umsätze nicht ausfallen. Innerhalb von fünf Tagen wäre es ein Leichtes die Bestände von der Einzelhandelsfläche aus auch im Distributionszentrum wieder aufzufüllen. Natürlich nur dann, wenn der Kunde etwas zählt.

 

Dieser Kaffee soll kurzfristig nicht lieferbar gewesen sein.
Dieser Kaffee soll kurzfristig nicht lieferbar gewesen sein.

 

Einen Hammer habe ich noch: Selbstverständlich habe ich überprüft, ob der Webshop den Kaffee noch führt. Leute, es gibt Computer und Warenwirtschaftssysteme, ist das nicht herrlich. Hallo, Ihr Tchibo-Verantwortlichen, habt Ihr davon schon etwas gehört? Selbstverständlich ist der Kaffee noch verfügbar. Seit vielen Jahren beschäftigen sich Unternehmen damit, die besten und teuersten Software-Systeme zu testen und einzukaufen. Als ich mich intensiver mit diesen Themen rund um Unternehmenssoftware, Schwerpunkt Warenwirtschaftssysteme, auseinandergesetzt habe, ist mir schon deutlich geworden: Versprochen wird viel, gekonnt wird wenig. Aber dass es heute immer noch so katastrophal darum bestellt ist, ist mir erst heute wieder klar geworden.

 

Das Bisherige zusammengefasst: Tchibo kann kein Multichannel, die IT-Systeme sind grottig, die Geschäftsgebaren zweifelhaft.

 

Und jetzt kommt die Fortsetzung. Am Abend habe ich dann eine Mail vom Kundenservice bekommen. Sie sind verärgert, das können wir verstehen, heißt es dort. Es habe sich bei diesem Kaffee um einen kurzen Engpass gehandelt, der mittlerweile nicht mehr existiert. Der Kaffee kommt, separat. Paypal geht in einem solchen Fall aber nicht, es gibt eine Rechnung. Hallo Tchibo, meine Kreditkarte ist mit dem Gesamtbetrag belastet, obwohl Ihr selbst nicht wusstet, im Moment der Fakturierung, dass die Ware da ist. Eine Rücküberweisung ist nicht gemeldet. Eine halbe Stunde später kam dann auch die Versandbestätigung der Bestellung, ohne den Kaffee. Mal sehen, wann dieser sich auf den Weg macht, mit seiner Rechnung.

 

Wenn Ihr also mal etwas richtig Verrücktes machen wollt, dann bestellt euren Kaffee einfach bei Tchibo.

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Stationärer Handel – ein Problemfall, immer wieder

Bedarfskäufer werden vom Online-Handel bestens bedient. „Du weißt, was du willst bzw. was du brauchst, geh‘ online einkaufen.“ Das ist eine klare Formel. Ich bin Bedarfskäufer, ich bin ein Online-Shopper. Klares Bekenntnis.

Und trotzdem: Ich will dem stationären Handel immer wieder eine Chance geben. In unserem Dorf wird er sowieso unterstützt, manchmal aber auch in der City oder sogar in Einkaufstempeln, wie sie so eigentlich keiner braucht. Aber auch hier arbeiten Menschen und verdienen ihren Lebensunterhalt. Also ab ins Skyline Plaza, einen dieser Shopping-Tempel in Frankfurt, den wirklich keiner braucht.

Der Sohn hat Geburtstag, und ich könnte den Brazuca auch im Internet shoppen. Aber heute nutze ich mal meine frühe Mittagspause, um die Straßenseite zu wechseln und ein reales Einkaufserlebnis zu haben.

Totentanz im Skyline Plaza. Wenn nicht gerade zur Mittagszeit die Schlipsträger, so wie ich, und die Damen in ihren Hosenanzügen zum Mittagessen auf der Fressmeile (Foodcourt) einfallen, herrscht hier Totentanz. Das ist schon immer so.

Skyline Plaza
Das Frankfurter Skyline Plaza im Winter – gestern und heute.

Behende bewege ich mich durchs Center. Das Ziel Intersport Voswinkel. Brazuca Replika im Angebot für rund 30 Euro, sagt die Werbung. Im Netz bei anderen Anbietern gibt es ihn für 5 bis 10 Euro weniger. Was man nicht alles tut, um den stationären Handel zu unterstützen.

„Ich suche den Brazuca Replika, Größe 5.“ „Wir haben im Moment nur die Mini-Version. In dieser Woche sollen wieder welche reinkommen“, sagt der Kollege. Die Kollegin ergänzt: „Wir beten darum.“

Okay, es ist ja wirklich ein bisschen exotisch während der Fußball-WM, die Replika-Variante des offiziellen Spielballs kaufen zu wollen. Zu einem anderen Zeitpunkt gern, aber ausgerechnet jetzt.

Klar, die Nachfrage ist möglicherweise groß. Aber in Zeiten leistungsfähiger Warenwirtschaftssysteme mit der Möglichkeit automatischer Nachorder ist das schon ein Hammer. Wenn der Bestand unter ein bestimmtes Niveau fällt, wird Ware automatisch nachgezogen, um alle Umsätze, die realisierbar sind, auch zu realisieren. Ansonsten kannst du als Händler einpacken. Push ist tot, es geht um Pull. Der Kunde will die Ware, jetzt. Er kommt nicht wieder, um seinen Bedarf zu befriedigen. Dafür gibt es andere Möglichkeiten.

Es gibt Prognose-Software, Renner-Penner-Analysen, Daten ohne Ende, um Vorhersagen zu treffen. Es gibt Online-Ordersysteme für Händler von Lieferanten, um in kürzester Zeit den Kunden glücklich zu machen. Ich habe mich jahrelang mit solchen Systemen befasst. Ich kenne die Branche ein wenig. Gerade Intersport als Einkaufsverbund hat entsprechende Systeme, viel investiert. Um so mehr schockiert mich, wie wenig diese schöne neue Welt in das reale Leben eingezogen ist.

Der stationäre Handel fabuliert etwas vom Einkaufserlebnis, das so nur stationär erlebt werden kann. Dieses Einkaufserlebnis ist ein Mythos. Du wandelst durch menschenleere Konsumtempel, um in noch menschenleereren Stores nicht vernünftig versorgt zu werden. Wer braucht das? Niemand. Tolles Erlebnis.

Viele der Probleme des stationären Handels sind selbstgemacht. Gern schiebt man die Verantwortung auf die böse Welt drumherum. Der böse Online-Handel, die blöden Kunden, die kein Verständnis haben. Die Lieferanten, die nichts können.

Stationärer Handel, du bist ein Problemfall, immer wieder. Den Brazuca liefert jetzt die Post, 5 Euro habe ich auch noch gespart.

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Dann wandern Sie doch aus, Frau Weiguny!

Ich finde es wirklich großartig, wenn sich Akademiker dafür entscheiden, auch mal mehr als ein oder gar zwei Kinder in die Welt zu setzen. Ich finde es auch großartig, dass Bettina Weiguny von der FAS drei Kinder hat. Gefallen kann mir nicht, dass die FAZ seit Monaten, ja eigentlich seit Jahren, gegen das Elterngeld wettert.

Frau Weiguny lässt sich darüber aus, dass es Leute gibt, die sich mit den 3600 Euro (in einzelnen Fällen kommen übrigens noch Zulagen hinzu) zwei Monate Urlaub in weit entfernten Destinationen gönnen. Ich finde das auch nicht sinnhaft, allerdings hätte ich mir solche Eskapaden auch nicht leisten können. Normal verdienende Menschen mit einem spießigen Leben wie ich, müssen nämlich Rücklagen bilden. Dazu kommen noch die Gehaltseinbußen durch Reduzierung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld (falls vorhanden). Dem zu versteuernden Einkommen wird das Elterngeld auch noch hinzugerechnet, Frau Weiguny. Dann ist die Belastung für die armen Steuerzahler, die die Familien an dieser Stelle unterstützen, auch nicht mehr ganz so arg.

Natürlich haben wir unser drittes Kind nicht wegen des Elterngeldes bekommen. Da bin ich völlig bei der Autorin des FAS-Beitrags „Elterngeld zeugt keine Kinder“. Wenn das Elterngeld aber dazu beiträgt, dass das Klima pro Kind in unserer Gesellschaft besser wird, dann lohnt es sich allemal. Es ist doch immer noch so, dass der Großteil der Arbeitgeber es nicht so gern sieht, wenn seine männliche Fachkraft um die Auszeit bittet. In der Wirtschaft, die ein Spiegelbild der Gesellschaft ist, herrscht Familien- und Kinderfeindlichkeit. Wie kann man dieses Thema denn in den Griff bekommen, FAZ, FAS und Frau Weiguny?

Und dabei sind es gerade auch Menschen mit Familie, die eine große Leistungsbereitschaft haben und sehr produktiv sind. Leider kann man das nicht in Zahlen fassen wie das Elterngeld und die Kosten, die die arme Gesellschaft zu schultern hat, um etwas wie Familie zu fördern.

Frau Weiguny ist nicht mehr bereit, den gut Verdienenden ihren Urlaub nach Niederkunft zu finanzieren. Da bleibt nur Auswandern oder weiter Stimmung gegen das Elterngeld zu machen, bis sich eine Regierung findet, die es wieder abschafft. Ich glaube, wir haben andere, dringlichere Probleme

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Koch und BB

Am Ende seiner Regierungszeit ließ er mit Hilfe seiner Kommunikationsstrategen noch heftig dementieren, dass er an die Spitze des Baukonzern Bilfinger Berger wechseln werde, wenn er denn die Politik hinter sich lässt. Der Bild-Zeitung gelang damals dieser Scoop – wobei man da auch vorsichtig sein muss, schließlich kann sogar das Durchsickern der Information Teil der Strategie gewesen sein.

Heute ist nun klar, das der umstrittene Machtpolitiker der Union künftig Boss und Unternehmenslenker sein wird. Ganz spontan kommt einem die Frage: Was qualifiziert einen Spitzenpolitiker für ein solches Amt, außer seinen rhetorischen Fähigkeiten und dem Netzwerk, das er während seiner politischen Laufbahn geknüpft hat? Reicht das tatsächlich schon aus, um die Geschicke eines Unternehmens mit rund 10 Mrd. Euro Jahresumsatz und 68000 Mitarbeitern zu lenken? An der Börse wurde die Nachricht nicht sehr positiv beurteilt.

Das Ganze mutet doch sehr anrüchig an. Es ist kein Geheimnis, dass Bilfinger Berger von dem mit aller Macht von der Koch-Regierung vorangetriebenen Flughafenausbau in Frankfurt profitieren wird. Schäbig ist es allerdings, dass sich vor allem die Politiker anderer etablierter Parteien empören. Schließlich sind auch die Karrieren anderer politischer Spitzenkräfte in der Wirtschaft fortgesetzt worden, nachdem sie keine Lust mehr auf die immer gleichen Machtkämpfe auf der politischen Bühne hatten.

Den Medien tut sich hier ein schönes Feld auf, um diesen Fall und künftige, ähnlich gelagerte Fälle zu beleuchten und zu analysieren. Also Qualitätsjournalismus, jetzt musst Du ran!

Vielleicht wird man allerdings zu dem Ergebnis kommen, dass das Zusammenwachsen von Politik und Wirtschaft – nicht nur durch auf den ersten Blick unsichtbaren Lobbyismus – integraler, systemimmanenter Teil unserer Gesellschaft, unserer Demokratie ist. Das mag man finden, wie man will. Möglicherweise lässt sich dieser Trend aber auch nicht stoppen. Und dann?

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Gelesen 14

Nein, nicht schon wieder Managementliteratur. Das hunderttausendste Buch, das mit erhobenem Zeigefinger und apokalyptischen Drohgebärden Druck auf mich und meine Art, meine Leute und das Unternehmen zu führen, ausüben möchte. In Buchstaben gegossenes Besserwissertum, von Leuten (Beratern!), die keine Ahnung haben – und davon ziemlich viel. Ein Bombardement von markigen Sprüchen mit Gehirnwindungsverankerungspotenzial – die sich nach genauem Hinsehen als Worthülsen entlarven lassen.

Stopp. Genau das ist es nicht. „Nur Tote bleiben liegen“ von Anja Förster und Peter Kreuz wirkt da ganz anders – wenn die typischen Eigenschaften von Managementliteratur auch hier an einigen Stellen aufblitzen. Dieses Buch wirkt auf den Leser – Offenheit vorausgesetzt – wie ein reinigendes Gewitter. Die Autoren, als Berater sind sie regelmäßig für die ganz großen Unternehmen unterschiedlicher Branchen im Einsatz, machen nicht nur deutlich, dass in Unternehmen zahlreiche Fehler gemacht werden, und damit das Potenzial von Mitarbeitern und Organisation mit Füßen getreten aber sicher nicht realisiert wird. Die positive Stimmung überwiegt. Zahlreiche Beispiele von Unternehmen, die das Außergewöhnliche wagen und damit vom Unternehmensführungs-Mainstream abweichen, machen Mut, als Führungskraft/Entscheider eben auch einmal aus den engen Vorgaben überholter Methoden auszubrechen. Das Buch ist gut strukturiert, sehr gut gestaltet, leicht erfassbar. Also Manager: Es gibt keine Ausrede, die paar Stunden nicht zu investieren. Außerdem gibt es das Buch auch als Hörbuch. Auto-CD-Player, MP3-Player – ist ja alles schon erfunden.

Du bist kein Entscheider, bist aber irgendwie Teil der Wissensgesellschaft, und glaubst, dieses Buch ist nichts für Dich? Weit gefehlt. Die Autoren schaffen es in diesem Buch, dass sich offensichtlich an Manager richtet, die Relevanz bestimmter Strömungen in der Internet-Gesellschaft vom unternehmerischen Umfeld auf alle Bereiche des Lebens auszuweiten. Neue Theorien oder gesellschaftsanalytische Aspekte decken sie vielleicht nicht gerade auf. Es gelingt ihnen jedoch herausragend, solche Themen wie Schwarmintelligenz und Tipping Point so geschickt unter einen Hut zu bekommen, das die Horizonterweiterung beim Lesen ganz automatisch kommt. Sie zeigen, was eine Internet-Gesellschaft, für die es ganz normal ist, sich massenmedial mitzuteilen und für alle sichtbar mitzureden, auszeichnet. Sie zeigen, wie sich das auf Unternehmen und de Art der Mitarbeiterführung auswirkt. Und gleichzeitig stellen sie dar, wie sich die ganze Welt durch das – sagen wir abgedroschenerweise – Web 2.0 verändert. Man muss sich fragen: Wie ist in unserer Zeit Unternehmensführung möglich? Genauso: Wie ist Politik möglich? Wie ist überhaupt Gesellschaft möglich? Auf die erste Frage gibt es reichlich Antworten in dem Buch. Die beiden letzte Fragen sind nur durch Ableitung zu beantworten, aber natürlich nicht endgültig.

Der Wirbel um Stuttgart 21 ist für mich durch das Buch nochmal verständlicher geworden. Social Media spielt bei der Entwicklung dieses Themas eine riesige Rolle. Das lokale Ereignis gewinnt nicht nur mittels Berichterstattung in Tagesschau und Heute Journal eine überregionale Bedeutung. Die Macht der Vielen manifestiert sich nicht mehr nur an der Wahlurne. Politik muss umdenken. Politiker sollten dieses Buch lesen und sich spätestens dann Gedanken machen.

Mir persönlich gefallen die Gedanken in den ersten drei der elf Kapitel des Buches am besten. Hervorragend wird gezeigt, wie sich die Unternehmensführung zur Not auch von unten ändern wird. Die Führungskraft in einem Unternehmen der Wissensgesellschaft muss sich und seine Aufgabe neu definieren – das wird mit der Lektüre evident. Ein Mutmacher für einen wie mich ist das Buch allemal. Ziel erreicht.

„Nur Tote bleiben liegen“ von Anja Förster und Peter Kreuz erhält von mir 9 von 10 möglichen Punkten. Abstriche gibt es, weil es eben Managementliteratur ist, die ein besseres Bild vom Unternehmertum zeichnet, als es im Moment tatsächlich noch ist. Dabei schwingt die Angst mit, dass dieses Buch zu wenige Entscheider lesen. Und: Wenn es welche lesen, besteht immer noch die Gefahr, dass sie die Inhalte nicht verstehen, nicht an sich heranlassen oder sowieso der Meinung sind, dass sie genau so sind, wie es in dem Buch idealtypisch beschrieben wird – obwohl es keineswegs so ist.

Anja Förster und Peter Kreuz, Nur Tote bleiben liegen, Campus, 247 Seiten, 24,90 Euro

Da Transparenz alles ist, sei hier erwähnt, dass ich das Buch kostenlos erhalten habe, weil ich als einer von zehn Bloggern ausgewählt wurde, über dieses Buch zu schreiben.

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Der Glanz verblasst

Ganz interessant finde ich, dass sich im Moment die Zugriffe auf mein Blog vor allem deshalb erhöhen, weil einige User gezielt nach Berichten über Probleme mit dem iPhone suchen. Das Ganze fällt mit der Veröffentlichung des iPhone 4  und des neuen Betriebssystems iOS4 zusammen. Zudem mehren sich Berichte über Probleme mit dem neuen Betriebssystem auf den alten Geräten, allen voran dem iPhone 3G. Hier geht es zu einer Google-Suche zu dem Thema, eine Momentaufnahme.

Ich bekomme das Update beispielsweise gar nicht auf mein iPhone drauf – wenn man die Berichte im Netz liest, ist das wohl auch gut so. Die schlechteste Software aller Zeiten, iTunes, meldet nach etwa 10 Minuten des Ladens von iOS4, dass ich Netzwerkprobleme habe. Ehrlich gesagt will ich mir das nicht einreden lassen, schon gar nicht von iTunes bzw. Apple. Ich habe keine Netzwerkprobleme. Es funktioniert einfach nicht. Wahrscheinlich würde Steve Jobs in seiner arroganten Art sagen: Selbst Schuld, wenn Du keinen Mac sondern einen minderbemittelten PC nutzt.

Ein Bekannter, der das iPhone 3G hat, erzählte mir, dass die Geschwindigkeit des Geräts deutlich nachgelassen hat, seit er das Update durchgeführt hat. Das deckt sich mit anderen Berichten im Netz. Massen von Apps funktionieren nicht mehr. Das dürfte die entsprechenden Dienstleister freuen, die nun Folgeaufträge ihrer Kunden abarbeiten dürfen.

Noch setzt Apple Millionen seine Spielzeuge ab. Design und Kult sind massentauglich geworden. Es ist absehbar, dass die Begehrlichkeit abnehmen wird. Es wird Zeit, dass die Konkurrenz von Apple aus dem Tiefschlaf erwacht und wirklich innovative Geräte auf den Markt bringt. Offene Systeme sind gefragt. Leider spielen im Fall der Smartphones die Mobilfunknetzbetreiber auch eine wichtige Rolle in der ganzen Sache. Auch dort könnte mehr Offenheit nicht schaden.

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Beraten und verkauft

Dieser Tage ist mir interessanterweise wieder die Visitenkarte eines Finanzberaters in die Finger geraten, über den ich zuletzt häufiger nachdenken musste. Ich musste darüber nachdenken, dass ich mit Unterstützung mir nahe stehender Personen damals zum Glück die richtige Entscheidung getroffen habe.

Der Kollege, damals in Düsseldorf (ich spare mir die Nennung des Instituts, da alle Finanzberater/-optimierer vom gleichen Schlage sind – Gegenstimmen?), wollte mir eine Immobilienfinanzierung auf Basis einer Lebensversicherung aufschwätzen. Beraten wäre 100% der falsche Ausdruck. Die britischen Lebensversicherungen seien sensationell. Die dürften einen viel höheren Aktienanteil im Portfolio haben, als die deutschen Institute. Hier sei alles total überreguliert, totaler Mist.

Nach einigem Zögern meinerseits, zeigte er sein wahres Gesicht, machte deutlich, wie bescheuert man doch sein müsse, wenn man diese Form der Finanzierung nicht dem herkömmlichen Annuitätendarlehen vorziehen würde. Bescheuert, dumm, ahnungslos. Wenn die Leute Dein Geld wollen und bestimmte Ziele erreichen müssen, um ihren Audi TT oder VW Touareg fianzieren zu können, werden sie zu Tieren.

Wir wissen, was in den vergangenen Jahren passiert ist. Mir ist es zu müßig, nun ganz genau nachzurechnen, was geworden wäre, hätte ich mich damals falsch entschieden. Es wäre sicher nicht sehr gut um mich bestellt. Ich will gar nicht tiefer in die Details gehen. Ich könnte noch einige beleidigende Dinge sagen und sprachliche Attacken fahren. Ist mir aber zu gefährlich, Nichtbeachtung und das Warnen vor solchen typen soll genügen.

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Sag niemals nie

Loop5 Propeller

Zugegeben: Ich bin nicht der größter Shopper. Ich halte mich zwar ganz gern in und zwischen Geschäften auf – und ja: das gilt auch für Modeläden -, gebe aber nicht so gern Geld aus.

Insofern ist vielleicht ein Shoppingcenter der falsche Aufenthaltsort für mich. Aus verschiedenen Gründen habe ich mich am Samstag aber nun doch mit unseren beiden Jungs ins Auto geschwungen. Ziel: Die Mall Loop5 in Weiterstadt bei Darmstadt. Das Shoppingcenter hat im Herbst eröffnet – und ich war bislang noch nicht dort. Mein Fazit: Die negativen Eindrücke überwiegen.

Das hängt vor allem mit den mannigfaltigen Fehlplanungen zusammen, die sich ganz massiv in der Anlage des riesigen Parkhauses mit 3000 Stellplätzen manifestieren. Die Einfahrten sind zweispurig. Allerdings sind die Spuren so eng, dass unerfahrene 5-er BMW-Fahrer, von denen es offensichtlich viele gibt, grundsätzlich nicht die Spur halten können. So beginnt das Chaos schon vor der eigentlichen Parkplatzsuche. Und eigentlich beginnt es noch früher. Die Stadt Weiterstadt hat es nicht geschafft, eine sinnhafte Anbindung der Mall in dem Gewerbegebiet hin zu bekommen.

Loop5 in Bunt

Letzteres kombiniert mit der Unfähigkeit der Parkhausplaner führt dazu, dass man einen echten Loop machen muss, wenn man durch das Parkhaus hindurch fährt und in einer Reihe keinen Parkplätz mehr findet. Über die gesamte Länge gibt es keine Möglichkeit einen U-Turn zu machen, um die andere Parkreihe zu erreichen. Ganz am Ende gibt es eine schlecht kenntlich gemachte Möglichkeit. Wer diese verpasst, wird aus dem Parkhaus wieder ausgespuckt. Sollte der Kunde hartnäckig sein und nochmal zum Loop5 zurück wollen, muss er eine Strecke von rund 2 Kilometern in Kauf nehmen, um wieder ins Parkhaus einfahren zu können. Jeder Simcity-Planer würde ähnliches von der KI des Computers um die Ohren gehauen bekommen.

Dann sind die Parkebenen nicht mit den Zugängen zur Mall synchronisiert. Es gibt für die sieben oder acht Parkebenen nur drei Übergänge in die Mall. Wir haben auf der Ebene -1+ geparkt. Absurd. Im Treppenhaus gibt keine Hinweise auf die Übergänge in die Mall, in den viel zu kleinen Aufzügen schon. Verzweifelte Blicke habe ich gesehen. Wildes Gestikulieren. Unbeantwortete Fragen. Wir haben unser Auto am Ende aber wiedergefunden – mit ein bisschen Konzentration gelingt es dann doch.

Nach einem vogelwilden Auftakt, betritt man die Mall und lässt sich vom Thema Luftfahrt durchaus beeindrucken. Die Elemente wie von der Decke hängende Propeller und die Ruhezonen in Form von Flugzeugkabinen sind gut integriert und echte Hingucker, auch für die Kinder. Der Leerstand einiger Ladengeschäfte wird gut kaschiert – dennoch ist er nicht zu übersehen. Insgesamt gibt es natürlich genügend Einkaufsmöglichkeiten (insgesamt 175 Ladenlokale). Auffällig war aber, dass die höchste Frequenz auf der Fressmeile herrschte, obwohl die Mittagszeit schon deutlich vorbei war.

Ein Nachmittag im Loop5

Die Läden verfügen bis auf wenige Ausnahmen über kein Tageslicht. Der Aufenthalt in den Geschäften und im Center stresst tendenziell. Das mag an anderen Tagen anders sein. Ich habe ein Gespräch zwischen einer Kassiererin und einer Kundin belauscht, in dem die Kundin anmerkt, dass aber wenig los sei. Darauf sagte die Kassiererin, dass die Kundin einmal an einem Dienstagvormittag kommen solle. Dann könne man wirklich in Ruhe einkaufen, weil dann niemand in der Mall sei.

Neben der Architektur gefällt auch die Zusammenstellung der Stores. Hier finden sich viele Formate, die es so weit und breit und auch insgesamt nicht sehr oft gibt. Klar überwiegen Filialisten. Aber Stores von G-Star, Bench, Geox und anderen gibt es in Darmstadt eben nicht. Einige lokale Anbieter wie Dielmann (allerdings ebenfalls ein regionaler Filialist), Spielwaren Faix oder auch der Denim-Spezialist Myjeans ergänzen pflichtgemäß das Ganze. Supermärkte, ein Saturn und ein P & C sorgen für die Basisarbeit.

Die Querspangen, die die beiden Hauptteile der Mall miteinander verbinden, waren am schlechtesten frequentiert. Das interessante Kinder-Multimarken-Format „Son’s & Daughter’s“ (ja, die Apostrophe stehen wirklich im Logo) ist unter dem Dach auf verlorenem Posten. Der gut sortierte Bio-Supermarkt im Basement ebenso. Dafür pilgert das falsche Publikum in das Shoppingcenter.

Alles zusammen genommen überzeugt mich die Mall nicht. Fast wäre ich geneigt zu sagen, dass ich dorthin sicher nicht zurückkehren werde. Man fühlt sich denn doch nicht richtig wohl im Loop5. Aber: Sag niemals nie – und vielleicht gehöre ich eben einfach nicht zur Zielgruppe.

PS: Zum Fotografieren taugt sie ganz gut.

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