Stationärer Handel – ein Problemfall, immer wieder
Bedarfskäufer werden vom Online-Handel bestens bedient. „Du weißt, was du willst bzw. was du brauchst, geh‘ online einkaufen.“ Das ist eine klare Formel. Ich bin Bedarfskäufer, ich bin ein Online-Shopper. Klares Bekenntnis.
Und trotzdem: Ich will dem stationären Handel immer wieder eine Chance geben. In unserem Dorf wird er sowieso unterstützt, manchmal aber auch in der City oder sogar in Einkaufstempeln, wie sie so eigentlich keiner braucht. Aber auch hier arbeiten Menschen und verdienen ihren Lebensunterhalt. Also ab ins Skyline Plaza, einen dieser Shopping-Tempel in Frankfurt, den wirklich keiner braucht.
Der Sohn hat Geburtstag, und ich könnte den Brazuca auch im Internet shoppen. Aber heute nutze ich mal meine frühe Mittagspause, um die Straßenseite zu wechseln und ein reales Einkaufserlebnis zu haben.
Totentanz im Skyline Plaza. Wenn nicht gerade zur Mittagszeit die Schlipsträger, so wie ich, und die Damen in ihren Hosenanzügen zum Mittagessen auf der Fressmeile (Foodcourt) einfallen, herrscht hier Totentanz. Das ist schon immer so.
Behende bewege ich mich durchs Center. Das Ziel Intersport Voswinkel. Brazuca Replika im Angebot für rund 30 Euro, sagt die Werbung. Im Netz bei anderen Anbietern gibt es ihn für 5 bis 10 Euro weniger. Was man nicht alles tut, um den stationären Handel zu unterstützen.
„Ich suche den Brazuca Replika, Größe 5.“ „Wir haben im Moment nur die Mini-Version. In dieser Woche sollen wieder welche reinkommen“, sagt der Kollege. Die Kollegin ergänzt: „Wir beten darum.“
Okay, es ist ja wirklich ein bisschen exotisch während der Fußball-WM, die Replika-Variante des offiziellen Spielballs kaufen zu wollen. Zu einem anderen Zeitpunkt gern, aber ausgerechnet jetzt.
Klar, die Nachfrage ist möglicherweise groß. Aber in Zeiten leistungsfähiger Warenwirtschaftssysteme mit der Möglichkeit automatischer Nachorder ist das schon ein Hammer. Wenn der Bestand unter ein bestimmtes Niveau fällt, wird Ware automatisch nachgezogen, um alle Umsätze, die realisierbar sind, auch zu realisieren. Ansonsten kannst du als Händler einpacken. Push ist tot, es geht um Pull. Der Kunde will die Ware, jetzt. Er kommt nicht wieder, um seinen Bedarf zu befriedigen. Dafür gibt es andere Möglichkeiten.
Es gibt Prognose-Software, Renner-Penner-Analysen, Daten ohne Ende, um Vorhersagen zu treffen. Es gibt Online-Ordersysteme für Händler von Lieferanten, um in kürzester Zeit den Kunden glücklich zu machen. Ich habe mich jahrelang mit solchen Systemen befasst. Ich kenne die Branche ein wenig. Gerade Intersport als Einkaufsverbund hat entsprechende Systeme, viel investiert. Um so mehr schockiert mich, wie wenig diese schöne neue Welt in das reale Leben eingezogen ist.
Der stationäre Handel fabuliert etwas vom Einkaufserlebnis, das so nur stationär erlebt werden kann. Dieses Einkaufserlebnis ist ein Mythos. Du wandelst durch menschenleere Konsumtempel, um in noch menschenleereren Stores nicht vernünftig versorgt zu werden. Wer braucht das? Niemand. Tolles Erlebnis.
Viele der Probleme des stationären Handels sind selbstgemacht. Gern schiebt man die Verantwortung auf die böse Welt drumherum. Der böse Online-Handel, die blöden Kunden, die kein Verständnis haben. Die Lieferanten, die nichts können.
Stationärer Handel, du bist ein Problemfall, immer wieder. Den Brazuca liefert jetzt die Post, 5 Euro habe ich auch noch gespart.
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