n-tv läuft Amok

Heute Abend, 21 Uhr, SWR3-Nachrichten. Es wird eine Eilmeldung verlesen. Der Nachrichtensender n-tv habe gemeldet, dass sich in der Nähe von Hannover ein Amoklauf ereignet hat. Es habe mehrere Tote und Verletzte gegeben. Tatsächlich hat ein Mann seine Frau und eines seiner Kinder umgebracht, weitere Kinder erlitten Schussverletzungen. Am Ende hat sich der Mann offensichtlich selbst gerichtet. Der Mann hat gemordet, ist er deshalb ein Amokläufer?

n-tv hat einen massiven Fehler gemacht, der sicherlich Konsequenzen haben wird. Das Wort Amoklauf ist nur eine Woche nach den Ereignissen von Winnenden und Waiblingen mit besonderer Vorsicht zu gebrauchen. Ganz automatisch zuckt man zusammen.

Ich weiß nur zu gut, wie hoch der Druck ist, möglichst schnell mit einer Nachricht am Markt zu sein. Der Übermut im von n-tv praktizierten Beispiel schadet dem Image der Medien nur noch mehr. Mehr Fingerspitzengefühl wäre angesagt, zumal mit der Schweigeminute und der Aktuellen Stunde im Bundestag der Amoklauf von Winnenden heute noch einmal besonders im Fokus gestanden hat.

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Böse Botschaft

Ich bin nun wirklich kein Moralapostel. Wenn man allerdings die Geschehnisse der Woche noch verarbeiten muss (Winnenden), dann ist es schockierend, wenn einem am Bahnhof gleich mehrfach ein Werbeplakat für einen Thriller von RoRoRo den Spruch „Heute ist der Tag, an dem Du stirbst…“ entgegenwirft. (Das Foto habe ich am Freitag schnell mit dem Foto-Handy gemacht.)

Das Plakat muss weg. Ich finde, dass man umgehend hätte reagieren müssen – sowohl von Seiten des Verlages, aber auch von Seiten des Außenwerbers. Man kann nur hoffen, dass keines der Opfer von dem Amoklauf am Mittwoch dieses Plakat am Tag der Tat gesehen hat. Auch die Angehörigen sollten eigentlich vor dieser Werbebotschaft geschützt werden.

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Neue Welt

Irgendwie ist es einigermaßen befremdlich, dass nach dem Amoklauf von Winnenden im Moment das wichtigste Thema die vermeintliche Ankündigung der Tat in einem Chat gewesen ist. Der Polizei wird vorgehalten, sie habe einen Ermittlungsfehler begangen, indem sie einen Chat-Eintrag ohne ausreichende Validierung für bare Münze genommen hat.

Tatsächlich werden die Ermittlungen von allen versierten Internet-Nutzern getrieben. Ist es nämlich ein Surfer, der zuerst die Indizien und Informationen im Netz findet, ist die Polizei ein Verein von Losern. Sitzt sie einem Fake auf, ist sie es auch. In modernen Zeiten muss eben alles sehr schnell gehen. Es gibt viele Hobby-Ermittler da draußen. An dieser Stelle bringt es nicht, der Polizei irgendeine virtuelle Schuld in die Schuhe zu schieben.

An vorderster Front kämpfen die Journalisten, die sich durch das mächtige Internet auch ganz weit vorn wähnen. Lustig sind nun die gegenseitigen Anschuldigungen, das eine oder das andere Medium hätte zu früh irgendwelche zu einem bestimmten Zeitpunkt noch ungesicherte Informationen rausgehauen. Sie zeigen mit Fingern aufeinander – und sitzen doch alle in demselben Boot.

Fakt ist: Wir – nicht nur die Polizei und die Medien – leben eben in einer neuen Welt. Sie bietet viel Fortschritt aber auch Gefahren und Fallstricke. Alle Beteiligten müssen sich noch daran gewöhnen.

Befremdlich ist in einer Situation wie dieser, dass doch vielmehr das Gedenken an die Opfer und ihre Angehörigen im Mittelpunkt stehen muss. Dass man sie in ihrer Trauer und ihrem Schmerz allein lässt, ist gut und richtig. Das Medienereignis davon abzukoppeln ist falsch. Die skurrilen Diskussionen darüber zu führen, dass man eben bei der Recherche im Netz aufpassen muss, ziehen das Ganze ins Lächerlich. Jene Fortschritts-Feinde, die nun triumphieren, weil sie schon immer gesagt haben, das Internet sein Teufelszeug, werden sich noch umschauen.

Ein offener Umgang mit dem Hier und Jetzt ist wichtig, damit unsere Gesellschaft die Herausforderungen der Zukunft angehen kann.

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Winnenden

Viel schreiben kann man dazu eigentlich nicht. Ein junger Mann hat 16 Menschen – zehn Schüler, drei Lehrer und drei Passanten – erschossen. In der Schießerei, die er sich mit der Polizei in Waiblingen lieferte, wurde er selbst getötet. Die Medien berichten, dass der junge Mann unauffällig gewesen sei. Sein Vater ist im Schützenverein und offensichtlich ein Waffennarr. Denn auch ein Mitglied eines Schützenvereins braucht sicher keine 16 oder 18 Waffen, wie es in den unterschiedlichen Medien kolportiert wird.

Schuld gesprochen werden sicher wieder Gewaltvideos und Shooter, also Actionspiele für PC oder Konsole. Das ist falsch. Diese Medien liefern Verhaltensmuster, nichts mehr. Bewusstseinsverändernd sind sie sicher nicht – auch Persönlichkeitsstörungen werden nicht produziert. Diese sind schon vorher da – und da ist mit dem Täter das direkte Umfeld in der Verantwortung.

Mehr kann und will ich jetzt auch gar nicht schreiben. Ich bin in Gedanken bei den unschuldigen Opfern und ihren Angehörigen. Irgendwie schlimm…da wird auch die Wirtschaftskrise ganz klein.

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