Erwachen in Rüsselsheim

Es ist nicht ganz so eingetroffen, wie ich es vermutet hatte – aber eigentlich doch ganz ähnlich. Der Opel-Magna-Deal ist geplatzt. GM hat keine Lust mehr, seine Europa-Tochter zu verkaufen. Jetzt ist die Enttäuschung groß. Alles schimpft auf die bösen Amis. Die Politik, allen voran Angela Merkel, steht brüskiert da.

Es mag Zufall sein, dass GM die Entscheidung so lange herausgezögert hat. Allein mir fehlt der Glaube. Einige Wochen nach der Bundestagswahl ging die Bombe nun hoch. Bitteres Erwachen in Rüsselsheim.

Ich frage mich, ob die Politik wirklich geglaubt hat, dass sie etwas mitzuentscheiden hat, was schließlich das Thema eines Konzerns ist. Auch das glaube ich nicht. Der Großteil der Opel-Belegschaft und der Bürger hat es vielleicht geglaubt – und wurde nun herb enttäuscht.

Jetzt wird weiter gewettert: „Wir geben jetzt natürlich auch kein Geld mehr für die Sanierung her.“ Meines Wissens hat die EU zur Auflage gemacht, nicht nur einen Anbieter im Fall der Übernahmen finanziell zu unterstützen. Ich denke, das Geld wird bei Bedarf fließen müssen.

Die ganze emotionale Diskussion führt irgendwie nicht weiter. Es gibt in der Automobilbranche Überkapazitäten. Auch Opel hat Überkapazitäten – man spricht von 30%. Eine klare Umstrukturierung muss Stellenabbau und Standortschließungen in Betracht ziehen – sonst muss der Steuerzahler dem aus dem Geld geworfenen Fenster noch mehr hinterher werfen.

Unternehmen sind leider keine Wohlfahrtsinstitute. Jeder, auch die Opel-Mitarbeiter, genießt die Vorzüge des Kapitalismus und des Wirtschaftsliberalismus – dann muss man eben auch die Kröten schlucken.

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Leidensgenossen

Es gibt sie doch, die Leidensgenossen, die wahl-verzweifelt sind. Claudius Seidl hat in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung im Feuilleton einen Aufsatz darüber verfasst, dass die Bürger keine Lust mehr haben, sich im Vorfeld der Wahl von fiktiven Gestalten irgendetwas erzählen zu lassen. Die Wähler wollen ernst genommen werden. Sein Fazit: Das gelingt keinem der Spitzenpolitiker.

Sein Tipp: Politiker, schmeißt Eure Berater und PR-Experten raus, bvor es zu spät ist. Das ist ein guter Ratschlag. Mit Wahllügen und hohlem Gerede wird die Realität verkleistert. In der Politik wird kurzfristig gedacht. Das ist kein neues Phänomen. Das macht es aber nicht besser. In Zeiten, in denen alles transparenter wird, ist es sinnvoll, einen Paradigmenwechsel zu vollziehen. Parteipolitik muss hintan gestellt werden. Es geht um nichts mehr und nichts weniger als die Zukunft unserer Gesellschaft – egal, ob wir damit die deutsche oder die europäische Gesellschaft meinen.

Gut, dass nicht nur im Internet solche Dinge diskutiert werden. Die klassischen Medien können hier Unabhängigkeit von politischen Parteien beweisen und als wichtiges Regulativ wirken. Das stärkt Glaubwürdigkeit und Qualität – dann müssen sich auch einige Printtitel keine Sorgen um die Zukunft machen.

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20 minus

Muss man die SPD nicht fast schon wieder bedauern? Die aktuelle Sonntagsfrage von Forsa und Stern zeigt, dass die Sozialdemokraten sich immer weiter in Richtung dritte oder vierte Kraft im Lande entwickeln. 20 Prozent der Wähler wurden noch ihr Kreuzchen bei der SPD machen, drei Prozentpunkte weniger als in der Woche zuvor. Gerade hat Steinmeier mit seinen quantitativ starken Kompetenzteam zum Wahlkampf geblasen.

Das muss den Außenminister hart treffen. Ich bin sicher, dass er zwar auch schon vor der Umfrage nicht mehr an einen Wahlsieg in irgendeiner Form geglaubt hat. Jetzt muss ihm Angst und Bange werden, das FDP, Grüne und Linke den Sozialdemokraten nicht zu sehr auf den Pelz rücken – oder noch schlimmer: sie gar überholen.

Die Union kann noch 37 Prozent der Wählerstimmen in der Umfrage überzeugen. Hier fragt man sich aber auch: Womit eigentlich? Steuersenkungen verspricht man. Völlig illusorisch ist das. Die Wahllüge ist möglicherweise schon eingepreist in die Einschätzung der Wähler – das wäre dann allerdings noch schlimmer.

Sind eigentlich nicht auch andere wahl-verzweifelt? Wem soll man denn nun seine Stimme geben? Was sollten die Entscheidungskriterien sein? Ich habe keine Antwort drauf. Ehrlich gesagt sind für mich auch die Piraten keine Alternative. Wer kann das Vakuum füllen?

Im Moment sieht es ja noch nach einer bürgerlichen Koalition aus. Aber auch da ist der Vorsprung nur dünn. Bei den Liberalen muss sich nur einer der bekannten Politiker die Hände an irgendeiner geschichte verbrennen, schon sieht das ganz anders aus. Auch die Union muss natürlich mit ihren Versprechen noch bis zur Wahl in gut acht Wochen durchhalten. Auch da darf keiner ausscheren und die Wahrheit auf den Tisch legen. Eigentlich dürften gerade Familien – schließlich werden unsere Kinder und Enkel noch lange für Abwrackprämie sowie Banken- und Opel-Rettung zahlen müssen – Abstand vom Kreuzchen bei der Union nehmen. Aber die Wählerschaft ist noch resistenter gegen Vernunft als die der Sozialdemokraten, so scheint es.

Der Wahlkampf wird Fahrt aufnehmen. Spannend dürfte es dann werden, wenn irgendwelche Leichen aus dem Keller geholt werden, um die anderen schlecht zu reden. Die sachliche Auseinandersetzung sollte auch reichen – aber sind einige ehrliche Dinge doch eher schädlich für das Wahlergebnis. Dann bleibt man lieber bei haltlosen Versprechen und dem Werfen von Schmutz. Das versteht das Wahlvolk leider besser.

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Ab und auf

Der Ifo-Geschäftsklimaindex nährt die Hoffnung auf ein Ende der Talfahrt. Erstmals ist er nach einer langen Durststrecke wieder leicht nach oben gewandert. Von einer Trendwende kann man aber erst sprechen, wenn drei Monate hintereinander ein Plus erreicht wird. So weit ist es noch nicht.

Aber auch die Börse als Frühindikator hat sich recht positiv entwickelt. Ob man wirklich schon durchatmen kann, ist fraglich. Die Finanzwirtschaft steht auf wackligen Beinen und dokumentiert dies mit einer rigiden Kreditvergabepolitik. Die Wirtschaft kann nur den Vorwärtsgang einlegen, wenn sie ordentlich geschmiert wird. Die kommenden Monate sind entscheidend. Das System ist gefordert.

Für einige namhafte Unternehmen ist dieser Zeithorizont zu weit gesteckt. Für Opel dürfte morgen ein wichtiger Tag werden. Fiat und Magna haben als potenzielle Übernehmer ihre Angebote nachgebessert. Sie wollten zunächst zu viel Geld vom Staat und im Gegenzug zu viele Stellen abbauen. Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg spricht laut von einer Insolvenz von Opel, die nicht nur schlecht sein muss. Das dürfte ein taktischer Schachzug sein, um General Motors unter Druck zu setzen. Branchenkenner und Frank-Walter Steinmeier halten das „Gerede“ über eine Insolvenz des Autobauers für gefährlich. Da ist er wieder, der Wahlkampf.

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Steuern senken?

Die Steuerschätzung ist mehr als ernüchternd. Bis 2013 soll es Steuerausfälle bis zu 316 Mrd. Euro geben. Und weil diese Zahl sowieso schon unvorstellbar groß ist, stellt die CSU – und in ihrem Schlepptau auch die große Schwester CDU – zudem noch Steuersenkungen in Aussicht.

Die Medien sprechen offen von Realitätsverlust. Gerade die CSU muss ihren Weg aus einem tiefen Tal erst noch finden. Und sie hat es eilig. Am 7. Juni sind Europawahlen. Und um Bayern in Straßburg vertreten zu können müssen Seehofer und Co eine Menge Stimmen klar machen.

Die SPD warnt vor solchen Versprechen und Vorhaben – verkehrte Welt irgendwie. Unter dem Strich kann es sich wirklich nur um Wahltaktik der Union handeln. Nach der Europawahl steigen im September die nächsten Wahlpartys, dann in Berlin. Spätestens danach ist Schluss mit lustig. Die Krise ist noch lange nicht überwunden. Die neue Regierung wird Wunden lecken – und mit ihr alle.

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