Qualitätsjournalismus, nächster Teil

Vor Kurzem saß ich mit einigen Kollegen vom Darmstädter Echo zusammen. Es stand wieder einmal ein Treffen der DJV-Ortsgruppe auf dem Plan. Es ging unter anderem um das Internet und dessen Auswirkungen auf den Journalismus. Konkret ging es um den Relaunch von www.echo-online.de. Dadurch ändert sich nochmal einiges an der Arbeitsweise der Kollegen. Die Erkenntnis des Abends: Klassische Printleute sehen im Internet große Gefahren für sich und den Qualitätsjournalismus.

Im Web 2.0 lauerten überall Gefahren. Keine Qualitätskriterien, üble Stimmungsmache, falsche Meinungen und Ansichten setzten sich durch. Nur echte Journalisten, die für ein echtes Medium arbeiten, stehen für echten Qualitätsjournalismus.

Dafür liefert das Darmstädter Echo heute wieder den Beweis. Der Ressortleiter der Lokalredaktion Darmstadt schreibt einen Artikel über einen altgedienten Kommunalpolitiker. Er feiert seinen 80. Geburtstag. Er heißt Willi Franz. Überrascht ist der Leser, als er zwischendurch auch einmal den Namen Willi Wagner liest.

Fehler passieren, das ist klar und verzeihlich. Wer allerdings das prachtvolle Ross Qualitätsjournalismus reitet und die Tageszeitung für die Manifestation dieses Begriffes hält, sollte da genauer sein – und besser als das Web 2.0. Schrott kann man in beidem lesen. Also: Runter vom hohen Ross, nicht nur von Qualitätsjournalismus reden, sondern auch welchen abliefern. Journalisten müssen ihre Arroganz ablegen, und die Verleger sollten Qualitätsjournalismus ermöglichen oder heute schon an die Abwicklung ihrer Unternehmen denken.

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Herdprämien-Fail

Diese CDU hat Probleme: Eltern, die ihre Kinder zu Hause betreuen und nicht in eine Kita schicken, sollen ein Betreuungsgeld (Herdprämie)erhalten, weil die Abschiebe-Eltern einen totalen Vorteil haben, da sie die Betreuungskosten steuerlich geltend machen können.

Der Koalitionspartner FDP hat dazu keine Lust – und agiert damit ausnahmsweise einmal korrekt. Da man nicht schon wieder die frische Koalition belasten möchte, zeigen sich die Christdemokraten kompromissbereit. Die Zuwendungen sollen in schweren Fällen – Familie ist beim Jugendamt einschlägig bekannt – in Form von Gutscheinen erfolgen. In unbedenklichen Fällen soll das Geld direkt ausbezahlt werden. So einen Schwachsinn, der politisch denkenden Hirnen entspringt, muss man erstmal verdauen – da kann einem schon schwindlig werden.

Auf der einen Seite hat man erkannt, dass es durchaus Sinn macht, die Kinder früh in ein integriertes Bildungssystem einzuschleusen. Auf der anderen Seite will man den vermeintlich bestraften Eltern eine Belohnung dafür geben, dass sie ihre Kinder diesem Bildungssystem vorenthalten.

Wie löst man dieses Dilemma? Man schafft ein bürokratisches Konstrukt, das in jedem Fall mehr kostet als es bringt. Liebe Politiker in Berlin: Steckt die Kohle lieber in das Bildungswesen. Die Schulen brauchen mehr Geld, der Lehrerberuf muss wieder attraktiver werden, die Klassen müssen kleiner werden, mehr Männer müssen als Erzieher in die Kitas und als Lehrer in die Grundschulen. Das sind die drängenden Probleme. Hohles Gelderverschieben bringt da gar nichts. Nachhaltigkeit gibt es in der Politik in der Regel nur in Sonntagsreden -schade. Vielleicht sollten die Partner der verantwortlichen Politiker ein Betreuungsgeld dafür erhalten, dass sie letztere nicht auf die politische Bühne lassen und in der Küche einsperren.

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Springer futurisiert

Grundsätzlich finde ich es ja gut, wenn sich Verlage etwas trauen. Der Axel Springer Verlag hat am vergangenen Sonntag erstmals sein WamS-EMag präsentiert. Paid Content. Im Moment kostet eine Ausgabe 1,50 Euro. Später soll es ein Abo-Modell geben.

In der Blogosphäre und der Web 2.0-Community ist die erste Ausgabe weitgehend durchgefallen. Es wurden zurecht zahlreiche technische Mängel festgestellt und diskutiert.

Das ist nur eine Seite des Themas – vieles von den technischen und strukturellen Unzulänglichkeiten ist zu beheben. Jeder, der schon einmal Webprojekte begleitet hat, weiß, dass das leider immer so ist. Was ist aber mit der strategischen Seite? Die Verlage wollen Paid Content wieder salonfähig machen. Das EMag ist nun ein Ansatz.

Wie gesagt, Mut sollte auch belohnt werden. Nur ist zu bezweifeln, dass das EMag monetär ein großer Erfolg werden wird. Bei diesem Projekt hat man zu wenig vom Nutzer aus gedacht. Will und braucht der Digital Native ein solches Produkt? Wie viele Abonnenten sollen mittelfristig das EMag konsumieren?

Unter dem Strich dürfte ein kleiner Haufen von Personen übrigbleiben, die sich vor allem professionell mit dem Thema Medien beschäftigen, die ein solches Produkt mehr oder weniger regelmäßig lesen. Ich bezweifle, dass eine breite Leserschaft gefunden werden kann. Und das hat dann sicher nichts mit den technischen Unzulänglichkeiten zu tun. Also Springer und Konsorten: Weiter denken!

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Impfstimmung

Heute waren wir zur familiären Massenimpfung in Sachen Neue Grippe bzw. Schweinegrippe bei unserer Kinderärztin. Eines vorweg: Nebenwirkungen, außer einem leichten Schmerz an der Einstichstelle, spüre ich noch nicht.

Ich persönlich glaube ja, dass die Schweinegrippe in ihrer existierenden Form nicht gefährlicher ist als die saisonale Grippe, die jährlich in Deutschland 8000 bis 11000 Opfer fordert. Opfer sind in der Regel geschwächte Personen bzw. Personen mit erheblichen Vorerkrankungen. Dennoch haben wir uns impfen lassen.

Hauptgrund: Wir wollen eine Art Schutzschirm um Nora aufbauen. Babys unter sieben Monaten dürfen nicht geimpft werden. Es scheint aber tatsächlich so zu sein, dass Kinder eher an der Neuen Grippe erkranken als Erwachsene – wenn auch in der Regel der Verlauf leicht sein dürfte. Wenn Nora erkrankt, könnte es aber auch ein schlimmerer Verlauf sein. Zudem wird wohl in den Krankenhäusern im Akutfall Tamiflu verabreicht, was für kleine Kinder auch nicht geeignet ist. Da wollen wir alles tun, um dies zu verhindern. Die Impfung ist unser Beitrag.

Lächerlich ist die emotionale Diskussion, für die vor allem Impfgegner verantwortlich sind. Ihre Argumente halten fast nie wissenschaftlichen Kriterien stand. Sie zitieren Studien, die ihnen in den Kram passen. Die anderen werden verschwiegen. Tatsache dürfte sein, dass in der Regel kein direkter Zusammenhang zwischen einer Impfung und einer vermeintlichen Folgeerscheinung – von schweren Krankheiten bis hin zum Tod – hergestellt werden kann. Das dürfte bei aller Unerforschtheit der Schweingrippe-Impfstoffe auch für diese gelten.

Gleichwohl muss man die Risiken abwägen, keine Frage. Eine Impfung ist ein Eingriff in die Prozesse des Körpers, wie eine Medikation. Aber sind es nicht die gleichen Leute, die die Zähne voller Quecksilber haben, die dem Laster Rauchen frönen, die sich mit Nahrungsergänzungsmitteln vollstopfen, die beim 1-Euro-Shop um die Ecke Kinderspielzeug kaufen und und und, die mit ihrem Halbwissen vor den Nebenwirkungen einer Impfung – und in diesem Fall der Impfung gegen die Neue Grippe – warnen?

Die Medien spielen in einer solchen Situation eine wichtige Rolle – ihrer Verantwortung werden sie leider systemimmanent nicht gerecht. Die Bild titelte heute halbseitig: Kind (1) stirbt nach Impfung. Im Kleingedruckten und im Internet kann man lesen, dass es an einem angeborenen Herz-Lungen-Fehler litt. In einer emotional aufgeladenen Gesellschaft kann eine solche Berichterstattung Hysterie auslösen.

Leider wird mit der steigenden Zahl der Geimpften auch die Zahl der Gestorbenen steigen, deren Ableben in Zusammenhang mit der Impfung gebracht werden. Klar, ließen sich alle Deutschen impfen, könnte theoretisch jeder Tote in Zusammenhang mit der Impfung gebracht werden. Das ist natürlich Schwachsinn – aber es laufen eben nicht nur Statistiker durch die Gegend, die von solchen Effekten wissen.

Außer unserem sehr persönlichen Motiv spricht noch etwas anderes für eine Impfung, selbst wenn man bei ihr von einem gewissen Risiko ausgeht. Dem Virus muss der Gar ausgemacht werden. Nur wenn wir als Wirt das Virus weitergeben, geraten Risikogruppen wirklich in Gefahr. Das hat etwas von sozialem Denken – dafür sind wir aber vielleicht zu individualisiert. Zudem würde eine rasche Ausrottung des Virus sein Mutieren zu einem vielleicht viel gefährlicheren Erreger verhindern helfen. Kann man ja einmal drüber nachdenken.

Unterm Strich bleibt es natürlich aber eine persönliche Entscheidung. Jene, die bislang nicht gar nicht wussten, dass sie Impfgegner sind, nun aber andere maßregeln und am Impfenlassen hindern wollen, sollten dies aber auch in angemessener Weise beherzigen.

PS: Eine Rundmail bezüglich des Golfkriegssyndroms als Folge der Impfung hat übrigens ihren Ursprung in der Praxis einer Privatärztin in Frankfurt. Ich will hier niemanden denunzieren. Auf der Website dieser Frau kann man auf jeden Fall lesen, dass die richtige Ernährung hilft, Aids zu bekämpfen.

Ach ja: Natürlich hoffe ich, dass dieser Beitrag zur Versachlichung des Ganzen beiträgt. Die herkömmlichen Medien sind in vielen Fällen nicht in der Lage dazu, glaube ich.

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Gelesen 8

Gerald Hüther ist ein herausragendes Buch gelungen. Der Neurobiologe beschreibt in dem Buch „Männer – Das schwache Geschlecht und sein Gehirn“ den Transformationsprozesse zum Mann. er macht deutlich, dass es nicht das Geschlechtsteil ist, was den Mann zum Mann macht. Vielmehr ist es das Gehirn, das wesentlich zum Mannsein führt.

Er räumt mit dem Mythos auf, das genetisch festgelegt ist, was für ein Mann ein Mann wird. Genetisch festgelegt ist das Geschlecht – und dann fängt die Arbeit des Umfeldes und des Subjektes selbst an. Wichtig ist der letzte Punkt. An einer Stelle im Buch heißt es: „Als Mann wird man nicht geboren und zum Mann wird man auch nicht gemacht.“ Die Mannwerdung ist eine Selbstkonstruktion, so wie eine Stufe vorher auch das Hirn sich selbst konstruiert.

Das Buch ist eine lohnende Lektüre für alle. Besonders interessant ist es aber vor allem für Väter von Jungen. Sie verstehen nach und nach, wie wichtig es ist, ein authentischer, liebender Vater zu sein, damit aus dem schwachen Geschlecht – aus Hüthers Sicht ist dieser Tatbestand auf das ungleiche 23 Chromosomenpaar zurückzuführen (Dem Mann fehlt hier ein Ersatzrad, wie Hüther schreibt) – ein genauso authentischer und liebender Mann werden kann. Nach dem Lesen dieses Buches kann niemand mehr sagen: „Es ist eben wie es ist.“ Für Frauen ist es ebenso interessant, versucht es doch das Herauszuarbeiten, was einen Mann ausmacht.

Im ersten Teil des Werkes geht es um die Natur des Männlichen. Erfrischend lakonisch wird Hüther gelegentlich, wenn er seine Beispiele aus der Welt der Einzeller und Tiere ausführt. Hier geht es sehr biologisch zu. Selten aber habe ich ein wissenschaftliches Buch gelesen, das derart lesbar ist. Das gibt es sonst leider nur im anglo-amerikanische Raum. Im Logbuch der männlichen Kursbestimmung hält er die Merksätze fest, die den unauthentischen Mann auf den Boden der Tatsachen zurück befördern.

Im zweiten Teil schildert den Prozess der Mannwerdung in zwölf Stationen. Er schreitet den Weg von der Zeugung bis zum Tod ab. Der Mann hat aus Sicht von Hüther mehr Antrieb und weniger Stabilität als die Frau. Das macht ihn anfällig für die Wahl falscher Vorbilder. Er bewegt sich auf einem schmalen Grad. Schon das Kleinkind braucht Orientierung, die ihm als Vorbild ein authentischer Mann als Vater gibt, der den kleinen Mann so annimmt wie er ist und ihm Freiräume lässt. Die beiden letzten Punkte sollten idealerweise auch die Mütter beherzigen.

Hüther schreibt in seinen Nachbemerkungen, das Verliebtheit ein Gefühl, Liebe jedoch eine aus der Verliebtheit geformte Haltung ist. Diese gilt es, der Partnerin und seinen Kindern entgegenzubringen. Dann findet der Mann sich in der Rolle, in der völlig ausgeglichen sein sollte. Eine Verdrängung durch übertriebenes Engagement im Job beispielsweise steht dem entgegen. Wer also will, dass seine Kinder die Chance haben, auf den richtigen Lebensweg einzuschwenken, sollte hier ganz genau sein Verhalten abwägen.

Gerald Hüthers „Männer – Das schwache Geschlecht und sein Gehirn“, Vandenhoeck & Rupprecht erhält von mir 10 von 10 Punkten. Um die Erkenntnisse zu verankern und ein noch authentischerer Mann zu werden, werde ich das Buch auch sicher noch einmal und noch einmal lesen.

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Erwachen in Rüsselsheim

Es ist nicht ganz so eingetroffen, wie ich es vermutet hatte – aber eigentlich doch ganz ähnlich. Der Opel-Magna-Deal ist geplatzt. GM hat keine Lust mehr, seine Europa-Tochter zu verkaufen. Jetzt ist die Enttäuschung groß. Alles schimpft auf die bösen Amis. Die Politik, allen voran Angela Merkel, steht brüskiert da.

Es mag Zufall sein, dass GM die Entscheidung so lange herausgezögert hat. Allein mir fehlt der Glaube. Einige Wochen nach der Bundestagswahl ging die Bombe nun hoch. Bitteres Erwachen in Rüsselsheim.

Ich frage mich, ob die Politik wirklich geglaubt hat, dass sie etwas mitzuentscheiden hat, was schließlich das Thema eines Konzerns ist. Auch das glaube ich nicht. Der Großteil der Opel-Belegschaft und der Bürger hat es vielleicht geglaubt – und wurde nun herb enttäuscht.

Jetzt wird weiter gewettert: „Wir geben jetzt natürlich auch kein Geld mehr für die Sanierung her.“ Meines Wissens hat die EU zur Auflage gemacht, nicht nur einen Anbieter im Fall der Übernahmen finanziell zu unterstützen. Ich denke, das Geld wird bei Bedarf fließen müssen.

Die ganze emotionale Diskussion führt irgendwie nicht weiter. Es gibt in der Automobilbranche Überkapazitäten. Auch Opel hat Überkapazitäten – man spricht von 30%. Eine klare Umstrukturierung muss Stellenabbau und Standortschließungen in Betracht ziehen – sonst muss der Steuerzahler dem aus dem Geld geworfenen Fenster noch mehr hinterher werfen.

Unternehmen sind leider keine Wohlfahrtsinstitute. Jeder, auch die Opel-Mitarbeiter, genießt die Vorzüge des Kapitalismus und des Wirtschaftsliberalismus – dann muss man eben auch die Kröten schlucken.

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