FR – oder ein Niedergang in Raten

Selbstverständlich muss ich ein paar Zeilen zu der Pleite der Frankfurter Rundschau schreiben. Irgendwie hat man es ja vermutet bzw. gewusst, dass es schlecht um das Traditionsblatt bestellt ist. Negativer Höhepunkt war zuletzt die Zusammenlegung der Mantelredaktionen von Berliner Zeitung und FR in Berlin. Damit hat man die überregionale Kompetenz und Linie gänzlich an den Nagel gehängt. Und als Lokalblatt taugt die FR offensichtlich dann doch nicht.

Dabei gibt es ja richtige Ansätze. Die iPad-Ausgabe ist sehr ordentlich, bis auf die Bildunterschriften der Bilder des Tages, die offensichtlich vom Redaktionspraktikanten geschrieben werden. Eine Umstellung, bei gleichbedeutenden Kosten für die Redaktion auf eine iPad-Edition, ist eben nicht möglich. Schließlich können die 100.000 Abonnenten der Printausgabe nicht einfach auf Digital umgestellt werden, da es da doch ein kleines Zugangsproblem gibt. Sogar mein achtjähriger Sohn sagte zuletzt, nachdem er den Sportteil des Darmstädter Echo angeschaut hat, dass Papier ganz gut sei, da ja nicht jeder ein iPad hat.

In der Erklärung des Frankfurter Verlags heißt es, dass vor allem die sinkenden Anzeigenerlöse und die zu schlechte Auftragslage in der eigenen Druckerei die Hauptschuld an der angespannten finanziellen Situation tragen. Der Betrieb von Druckmaschinen wird in spätestens fünf Jahren ganz sicher bei keinem Zeitungsverlag mehreine Rolle spielen. Auch der physische Vertrieb von Zeitungsstapeln wird sich in den kommenden Jahren drastisch reduzieren. Das könnte die Verlage eigentlich freuen, denn auch die Logistik ist ein nicht unerheblicher Kostenfaktor.

Tragisch ist nur, dass diese Reduktion mit dem Schwund der Leserschaft und vor allem der so wichtigen Abonnenten zusammenhängen wird. Die Verlage haben die Entwicklung der vergangenen Jahre weitgehend verschlafen. Lamentieren statt Agieren oder eben blinder Aktionismus mit den entsprechenden Fehlentwicklungen waren und sind weitgehend zu beobachten. Zu Letzterem gehört das Ausdünnen und Auslagern der Redaktionen und der damit einhergehende Qualitätsverlust der Blätter.

Heute haben sich die Nachrichten aus der Medienlandschaft geballt. Der Jahreszeitenverlag hat angekündigt, die Print-Ausgabe des Prinz einzustellen. Im Prinzip bleibt nur die Online-Plattform erhalten. Auch das renommierte Stadtmagazin Meier aus Mannheim erscheint im Dezember zum letzten Mal. Kürzlich musste die Nachrichtenagentur dapd Insolvenz anmelden. Und bei meinem Ausbildungsverlag, dem Medienhaus Südhessen in Darmstadt mit dem Darmstädter Echo, sind auch drastische Einschnitte geplant. Gerade musste Chefredakteur Jörg Riebartsch das Haus verlassen.

Welche Möglichkeiten hat eine Tageszeitung heute noch? Wie lange werden sich vor allem die regionalen Gazetten noch halten? Welche Wandlung steht bevor? Wie ist Journalismus im Lokalen möglich? In den kommenden Jahren werden wir einige Antworten auf diese Fragen sehen. Leider werden sie in den wenigsten Fällen von einer vorausschauenden Strategie getragen sein. Das lässt die jüngere Vergangenheit befürchten.

Einige Ansätze: Die Tageszeitung muss Relevanz haben, sonst wird sie nicht gelesen – das ist das A und O. Ich glaube eine lokale Tageszeitung kann heute gar nicht mehr täglich Relevanz haben, zumindest keine, die irgendwie finanzierbar wäre. Selbstverständlich müssen die digitalen Vertriebswege gestärkt werden. Selbstverständlich muss es aber auch eine Übergangsphase geben, bis wir davon ausgehen können, dass Inhalte ausschließlich über technische Endgeräte konsumiert werden können. Drei gedruckte Ausgaben pro Woche reichen – Dienstag, Donnerstag, Samstag. Die Zeitungen müssen weg vom Terminjournalismus und dem Berichten über Ereignisse. Die Menschen wollen und müssen vorher wissen, wenn etwas ansteht. Nach Ereignissen braucht es Hintergründe, Analysen und Einordnung. Die Berichterstattung selbst muss online, am besten live erfolgen. Am Wochenende darf es dann etwas unterhaltender sein. Die einzelnen Ausgaben müssen inhaltliche Schwerpunkte aufweisen, noch besser wäre es, wenn man den Lesern bieten könnte, was sie wollen. Ich habe hier schon einmal von der Auflösung der Zeitungsbücher geschrieben. So etwas halte ich noch immer für sinnvoll.

Redakteure müssen sich und ihre Aufgaben neu definieren. Sie werden gebraucht als Spezialisten, die erklären und einordnen kann. Das geht nur mit viel Leidenschaft un Know-how. Diese Eigenschaften bringen zahlreiche Blogger mit. Überhaupt hat man weitgehend das gefühl, dass diese ihre Berufung häufig mehr leiben, als der gemeine Journalist seinen einigermaßen festen Job. Der Redakteur braucht Zeit für seine Top-Storys – noch ein Argument gegen den Terminwahn. Draußen sollen sich Reporter bewegen. Diese brauchen auch keinen festen Arbeitsplatz. Sie sollen unterwegs sein bei den Menschen, Präsenz zeigen. Wenn die Leser spüren, dass das lokale Medium bei ihnen und für sie da ist, dann klappt das auch mit der Relevanz. Und wenn die Relevanz da ist, dann haben auch die Werbetreibenden noch den einen oder anderen Cent für die Zeitung übrig.

Es gibt also viel zu tun. Ich bis sehr gespannt. Es braucht ein neues Denken, mehr Innovation. Der Wandel jedoch ist nicht zu stoppen. Allerdings geht es heute mehr denn je ums Agieren und nicht ums Reagieren.

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