Die Zeit erzieht

Im Zeit-Magazin dieser Woche wird ein interessantes Projekt versucht. Autoren der Zeit, die auch Eltern sind, beantworten Erziehungsfragen. Sie „antworten auf 55 Fragen der Erziehung“. Untertitel: „Unser Elternknigge in diesem Heft“. Flankiert wird das Ganze von einem Interview mit dem dänischen Familientherapeuten Jesper Juul, dessen Buch „Das kompetente Kind“ auch bei uns als Erziehungsratgeber bekannt und auch ganz beliebt ist.

Tatsächlich ist Juul ein Provokateur, der ganz genau weiß, dass seine Ansichten und Meinungen nicht nur auf vorbehaltlose Zustimmung treffen. Bei manch einer Aussage muss „modernen“ Eltern der Atem stocken. Man hat das gefühl, er setzt seine Nadelstiche ganz gezielt. So beobachtet man sich bei der Lektüre dabei, wie sich heftigste Ablehnung in einem aufbaut. Wenn der erste Schock verdaut ist, fängt man dann doch mit dem Denken an. Man hinterfragt sein Tun und seine Einstellungen.

Ein paar interessante Zitate und Aussagen diesmal:

Auf die Frage: „Was ist daran so schlimm, ein Kind in die Krippe zu geben?“ sagt Juul:“Dänische Forschungen haben ergeben, dass es bis zum Alter von zwei Jahren tatsächlich bei 15 bis 20% der Kinder schädlich für das Gehirn der Kinder ist – der Stress der Trennungsangst greift es an.“

„Auch Belohnung, die postmoderne Version von Bestrafung, sollte man verbannen.“

„Lob schüttet Lusthormone aus, und danach werden Kinder süchtig.“

„Wenn man ein Kind will, das einfach nur funktioniert, ohne nachzudenken, ist Lob eine praktische Sache.“

„Seid nicht so perfektionistisch. Bis man wirklich gut ist im Erziehen, muss man mindestens vier Kinder haben.“

Auch bei der Lektüre des Buches „Das kompetente Kind“ ging es mir so ähnlich wie nach dem Lesen dieses Interviews. Mir fehlten die Handlungsanweisungen, wie ich es denn nun besser oder richtig machen kann. Juul laviert sich ein wenig um Konkretes herum. Allerdings könnte auch das zu seiner Masche gehören. Unter dem Strich ist klar, dass Juul authentische Eltern will, die den Kindern Vorbild sind. Und: Man darf Fehler machen, nur sollten diese nicht zum System werden. Wenn man das irgendwie umsetzt, dann sollte auch die richtige Bahn erreichbar sein.

Die 55 Fragen auf Erziehungsfragen lesen sich übrigens sehr unterhaltsam. Das Ganze erinnert mich ein wenig an das großartige US-Magazin Wired und die Rubrik „Mr. Know it all“. Das Zeit-Magazin ist (bis auf die Würdigung Johannes B. Kerners mit einem langen Interview) mit seinem Schwerpunktthema rundum gelungen. Danke dafür.

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