Gelesen 19: Die Intelligenz des Schwarms

Peter Miller Die Intelligenz des Schwarms
Peter Miller Die Intelligenz des Schwarms

„In jedem Falle dienen wir der Gruppe am besten, wenn wir uns selbst treu bleiben.“ Diese Zitat aus dem Buch „Die Intelligenz des Schwarms“ von Peter Miller wird bei mir über den Tag hinaus wirken. Ich bin ein großer Freund des Schwarmtheorie-Ansatzes. Ich glaube, dass es tatsächlich so etwas wie Schwarmintelligenz auch beim Menschen geben kann. Manchmal funktioniert das Ganze automatisch. Manches Mal müssen aber auch die Bedingungen geschaffen werden, um das Potenzial des Schwarms entfalten zu können.

Miller gelingt es recht gut, Phänomene aus der Tierwelt – er fokussiert vor allem auf Ameisen, Bienen und Termiten – in den Alltag und das Wirtschaftsleben zu übertragen. Einige seiner Beispiele sind allerdings nicht unbedingt zwingend. Das Nutzen der Schwarmintelligenz bei Boeing zur Entwicklung des Dreamliners ist offensichtlich ein Versuch gewesen, der nicht zum Erfolg geführt hat.

Der Autor, der für den National Geographic arbeitet, zeigt zum Teil gewollt und zum Teil ungewollt, dass Schwarmintelligenz auch zu falschen Entscheidungen einer Gruppe führt. Sehr schön sind die Beispiele von Fischschwärmen, die sich von gefakten Fischen in die Irre leiten lassen. Auch die verheerenden Auswirkungen durch überbordende Heuschreckenpopulationen sind sehr anschaulich. Manchmal vergleicht er aber auch Phänomene, die meiner Ansicht nach nicht immer zusammenpassen. Er vermengt teilweise auch Erkenntnisse der klassischen Sozialpsychologie mit den neueren Ansätzen. Dadurch gehen manchmal die klare Linie und das eigentliche Thema unter. Andererseits zeigt es, dass natürlich auch der Schwarmintelligenz viel davon enthält, was in der Wissenschaft schon unter anderen Namen auf der Agenda steht oder stand.

Ich habe in jedem Fall sehr viel über staatenbildende Insekten gelernt. Besonders beeindruckt hat mich der Tanz der Bienen, der Voraussetzung für die Entscheidung für einen bestimmten Nestbauplatz ist.

„Die Intelligenz des Schwarms“ bekommt von mir 7 von 10 Punkten. Das Buch ist in jedem Fall unterhaltsam und lehrreich. Wer allerdings erwartet, konkrete Handlungsanweisungen für Alltag und Beruf zu erhalten wird enttäuscht sein. Ich habe übrigens die Variante der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Darmstadt gelesen. Es handelt sich um eine Lizenzausgabe des Buches aus dem Campus Verlag.

Peter Miller, Die Intelligenz des Schwarms, 2010, WBG, 271 Seiten, 15,90 Euro (Das Original aus dem Campus Verlag kostet 19,90 Euro)

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Gelesen 18: Porträtfotografie Style Guide

Porträtfotografie Styleguide
Porträtfotografie Style Guide

Das Fotografieren von Menschen – allein oder in ihrer Umwelt – ist die Königsklasse der Fotografie. In der Porträtfotografie geht es immer auch um die Beziehung von Fotograf und Model – um Kommunikation. Und das Foto ist schließlich das Ergebnis dieses Zusammenspiels. Wer als ambitionierter Fotograf Menschen nicht nur einfach ablichten möchte, sondern wirklich gute oder gar perfekte Porträts machen möchte, muss erfahrenen Fotografen (nicht unbedingt Profis) über die Schulter und auf die Displays schauen oder das eine oder andere Buch studieren.

Mit dem „Porträtfotografie Style Guide“ von Peter Travers und James Cheadle aus dem mitp Verlag ist jetzt ein Rezeptbuch erschienen, das verschiedene Porträtstile vorstellt und für insgesamt 60 Porträts beschreibt, wie sie entstanden sind, welche Bedingungen herrschten und welche Einstellungen an der Kamera vorgenommen wurden. 3D-Skizzen geben den Set-Aufbau wieder.

Das Buch ist in der Edition Profifoto erschienen. Das macht auch den Anspruch deutlich. Es können durchaus auch Profis noch etwas lernen – vor allem hinsichtlich des Themas Beleuchtung. Cheadle arbeitet gern mit Kunstlicht. Neben seinen Fotos sind u.a. auch Bilder von Bronia Stewart, Daniel Milnor, Ben Brain und Joe Giron vertreten – dann kommt auch mal die Freunde von Available Light zu ihrem Recht. Ambitionierte Hobby-Fotografen, die bereits über eine kleine Studioausrüstung (Blitzanlage, Leuchten und Hintergünde) verfügen oder bereit sind, sich in ein Studio einzumieten, finden in diesem Buch reichlich Inspiration. Eins-zu-eins kann man die Vorgaben dennoch nicht übernehmen, da die konkrete Einstellung von Blitzen und Leuchten nicht verraten wird. Das muss dann jeder individuell ausprobieren.

portraet23
Eine Doppelseite aus dem Buch Porträtfotografie Style Guide, Thema Fashion.

Die Fotos zeigen mehr oder weniger prominente Menschen. Es handelt sich in der Regel um konkrete Auftragsarbeiten. Obwohl die Texte sehr knapp gehalten sind, werden interessante Details zu den Bedingungen offen gelegt. Das bringt einem näher, wie es sich anfühlt, wenn man als Profi-Fotograf unterwegs ist. Cheadle vermittelt recht gut, wie er seine Erfahrung einsetzt und trotz aller widrigen Umstände zu einem perfekten Ergebnis kommt. Davon kann man auch als Hobby-Fotograf profitieren.

Den Abschluss des Buches bilden dann noch einige How-to-Kapitel, in denen es um Themen wie Belichtung, Schärfe, Messung, Studiobeleuchtung und auch die Auftragsvergabe geht. Einige Worte werden auch noch hinsichtlich der optimalen Ausrüstung verloren. Auch in den abschließenden Kapiteln sind die Texte kurz gehalten. Das führt dazu, dass es inhaltlich etwas oberflächlich bleibt.

Eine Doppelseite aus dem Buch Porträtfotografie Styleguide, Thema Fashion.
Eine Doppelseite aus dem Buch Porträtfotografie Style Guide, Thema Klassik.

„Porträtfotografie Style Guide“ von Peter Travers und James Cheadle bekommt von mir 8 von 10 möglichen Punkten. Manchmal wären etwas konkretere Informationen einfach doch noch besser für ein Rezeptbuch. Dennoch wird ein Füllhorn an Inspiration über den Leser des Buches ausgeschüttet. Anregungen zum Ausprobieren gibt es reichlich.

Peter Travers und James Cheadle, Porträtfotografie Style Guide – Rezepte für professionelle Porträt-Techniken, 2011, mitp, 176 Seiten, 34,95 Euro

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Gelesen 16

146514117 e2dae842a5Irgendwie passt das Buch zu Weihnachten. Engel spielen im Leben und entsprechend auch in den Memoiren von Modeschöpfer Harald Glööckler eine herausragende Rolle. Er glaubt an die Macht der Engel – in vielen Lebenssituationen standen sie ihm zur Seite und halfen dem Meister der Selbstinszenierung die richtige Entscheidung zu treffen.

Harald Glööckler stammt aus dem Maulbronner Ortsteil Zaiersweiher, schwäbische Provinz. Die Eltern seines Vaters hatten einen großen Bauernhof, sein Vater war Metzger und seine Mutter war seine erste große Liebe. Dramatischer Höhepunkt des ersten Kapitels ist der Tod seiner Mutter. Glaubt man der Darstellung Glööcklers, dem zum Verfassen des Buches die Autorin Christiane Stella Bongertz zur Seite stand, ist die Mutter im Alter von 39 Jahren an den Folgen eines Treppensturzes gestorben. Sein Vater habe sie in Rage und volltrunkenem Zustand die Treppe hinuntergestoßen, schreibt Glööckler.

Im weiteren Verlauf des Buches beschreibt der exaltierte Modeschöpfer das Auf und Ab seiner geschäftlichen Bemühungen, an denen von Beginn an sein Lebensgefährte Dieter Schroth beteilgt war und bis zum heutigen Tage ist. Deutlich mehr Aufwand betreibt er allerdings beim Beschreiben seiner aus seiner Sicht überschwänglichen Erfolge. Die harten Zeiten kommen oft nur beiläufig vor. Dennoch erfährt man viel über das System Glööckler und die Bedeutung von Show und Promis für seinen mutmaßlichen Erfolg. Es kann einem schon schwindlig werden, wenn man liest wie Glööckler um die Welt jettet, um Promis zu besuchen und seine Shows (die eher im näheren Umfeld) zu bestreiten. Dabei handelt es sich natürlich in der Regel um Frauen. Am liebsten hat er Gina Lollobrigida, Brigitte Nielsen und die Weather Girls. Zugegeben, seine Top-Stars hatten zu jener Zeit, als er sie zu seinen Shows bestellte, die besten Zeiten schon hinter sich. Offensichtlich hat das dem bunten Treiben von Harald Glööckler nicht geschadet.

Zufälle haben ihn immer wieder in die Arme von Leuten getrieben, die ihm mit Anerkennung begegneten und zu neuen Aufträgen und Aufgaben verholfen. Leute, die den selbst ernannten Modezar nicht schon seit 20 Jahren auf dem Schirm haben, werden ihn wohl hauptsächlich als Verkäufer in Teleshoppingsendern kennen. Schicksalhaft war seine Begegnung mit dem damaligen Chef von HSE 24, Dr. Konrad Hilbers. Er machte Glööckler zum Teleshoppingstar und brachte diesen seinem Traum ein bisschen näher, aus jeder Frau eine Prinzessin zu machen. Ab 2011 ist Glööckler bei QVC unter Vertrag. Seit Hilbers 2007 eine Aufgabe im damaligen HSE 24-Mutterkonzern Arcandor antrat, habe sich bei dem Ismaninger Unternehmen vieles zum Schlechten verändert, schreibt Glööckler ein wenig enttäuscht und verbittert. Jetzt geht er mit den Teilen seiner Pompöös-Kollektion beim Düsseldorfer Konkurrenten auf Sender. Im Klingel-Katalog ist er mittlerweile mit dem Label Glööckler präsent.

Die Autobiographie von Harald Glööckler ist insgesamt eine recht kurzweilige und unterhaltsame Lektüre. Er ist eine schillernde Figur in der Modeszene. Er ist umstritten und wird sicher nicht von allen geliebt. Viele seiner Kundinnen scheinen jedoch echte, hartgesottene Fans zu sein. Für alle, die an Engel glauben und den Protagonisten gut finden, ist dieses Buch eine Pflichtlektüre. Man muss allerdings stets beachten, dass die Grenze zwischen Realität und Fiktion nicht ganz klar ist, in Glööcklers Buch wie in seinem Leben.

Absolutes Manko: Es fehlen die Bilder im Buch. Gern würde man sehen, in welchen Outfits sich Glööckler bei seinen Shows und Partys präsentiert hat. Auch die Auftritte mit den Promis hätte ich gern dokumentiert bekommen. Genial hingegen ist der Schutzumschlag, der sich zu einem Poster auffalten lässt, mit großartigen Porträts des 45-Jährigen. Da ich nicht wirklich ein Glööckler-Fan bin, bekommt das in vielen Passagen etwas zu leicht daher kommende Buch 4 von 10 Punkten.

Harald Glööckler und Christiane Stella Bongertz, Harald Glööckler, Lübbe, 2010, 272 Seiten, 19,90 Euro.

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