Roter Wirbel

Bei der SPD geht es nach dem Wahldebakel vom Sonntag ordentlich zur Sache. Das ist kein Wunder – und es ist wohl auch ganz richtig so. So schlecht schneidet man bei einer Bundestagswahl nicht alle Tage ab.

Steinmeier darf den Fraktionsvorsitz übernehmen, verzichtet aber auf den Parteivorsitz. Generalsekretär Hubertus Heil geht wieder auf die Jagd. Franz Müntefering kann sich in Zukunft auch wieder mehr um seine junge Freundin kümmern.

Heißester Kandidat auf das höchste Parteiamt ist jetzt der Hannoveraner Kugelblitz Sigmar Gabriel. Andrea Nahles wird als Generalsekretärin gehandelt. Gabriel muss keine schlechte Wahl sein, die Nahles-Idee kommentiere ich besser nicht. Insgesamt zeigt sich, wie dünn die Personaldecken der Parteien sind. Auch die CDU wird für die Regierungsmannschaft einige No-Names aus dem Hut zaubern müssen.

Für die SPD bricht nun aber auch die Zeit an, sich mit solchen Wahlergebnissen auf Dauer abzufinden. Die Parteienlandschaft ist segmentiert, wird es in Zukunft vielleicht sogar noch stärker werden. CDU und CSU haben eben ein Alleinstellungsmerkmal, außer der FDP kann ihnen im Moment niemand die Wähler wegfischen.

FDP ist das Stichwort. Ziemlich lächerlich finde ich die vermeintlich ernsthafte Debatte über die Englischkenntnisse von Guido Westerwelle – mit der satirischen Auseinandersetzung kann man hingegen sehr gut leben. Wie wäre es, wenn man sich inhaltlich mit der FDP und ihrem Chef beschäftigen würde. Westerwelle steht inhaltlich aus meiner Sicht für nichts. Er ist nur kompetent in Politikmachen – Fach- oder Sachkenntnisse zeichnen ihn nicht gerade aus. Im Moment kursiert wohl das Gerücht, er könnte Superminister werden, für Finanzen und Wirtschaft. Das würde uns den regelmäßigen Blick auf den peinlichen Bart Hermann-Otto Solms ersparen.

Alles in allem hat das Wahlergebnis ein bisschen Bewegung in die Politik gebracht. Das finde ich grundsätzlich gut. Es wird auch sehr spannend sein, die Geschehnisse in Berlin in den kommenden Wochen, Monate und Jahre zu beobachten und kommentieren.

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Wahl-Verzweiflung

Frank-Walter Steinmeier hat sein Team für die Bundestagswahl vorgestellt. Wahlkampfstart. Steinmeier setzt auf Quantität, von Qualität kann man jetzt noch nicht sprechen – selbst bei den bekannten Gesichtern, leider.

18 Personen – wenn Ulla Schmidt aus der Schusslinie verschwunden ist 19 – sollen die Hoffnungsträger der Sozialdemokraten sein. Es gibt einen leichten Frauenüberschuss. Steinmeier selbst wirkt so, als habe sein Rendezvous mit der Realität ihn tatsächlich im Hier und Jetzt abgesetzt. Er weiß, dass er nur verlieren kann. Mit einiges Aussagen hat er auch irgendwie schon klar gemacht, dass er auch als Juniorpartner in einer neuerlichen „großen“ Koalition Spaß hätte. Er warnt vor Schwarz-Gelb, soll heißen: Bürger, nehmt lieber Schwarz-Rot.

Das will aber keiner mehr. Und die Sozialdemokraten müssen froh sein, wenn sie überhaupt noch zweite Kraft werden. Wer nicht gerade Mitglied in einer Partei ist, hat es mit seiner Wahlentscheidung in diesem Jahr so schwer wie nie. Entsprechend wird es viel Wählerwanderung geben. Davon bin ich überzeugt.

Ehrlich gesagt: Ich bin wirklich ein politisch interessierter Mensch. Wählen gehen ist eine Pflicht. Wir können froh sein, dass wir politisch mitwirken können. Eigentlich kann man dafür sogar dankbar sein. Und dennoch: Ich bin erstmals richtig wahl-verzweifelt. Ich sehe keine Partei, die auch nur zu 70% das will, was zu mir und meinem Leben sowie zu meinem Denken und meinen Visionen passt.

Ich glaube, dass in Deutschland gerade ein politisches Vakuum entsteht. Gespräche in meinem Umfeld, mit meinen Kollegen zeigen mir, dass es anderen ganz ähnlich geht. Dieses Parteiensystem scheint nicht mehr zeitgemäß. Wenn immer weniger Leute wählen gehen, weil sie nicht mehr wissen, wen sie wählen sollen und vielleicht sogar – noch schlimmer – warum, dann stimmt etwas nicht. Sollte man vielleicht die 5%-Hürde in Frage stellen? Dann würden vielleicht mehr Wähler kleine Parteien wählen. Im derzeitigen System wird ja viel taktisch gewählt. Ist das wirklich demokratisch?

Die Bundestagswahl im Herbst wird wegweisend sein – in vielerlei Hinsicht. Eines aber steht für mich schon jetzt fest: Die SPD wird zu den ganz großen Verlierern gehören.

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Rot ist tot

Es ist tatsächlich so: Die Deutschen trauen der SPD nicht zu, die richtigen Lösungen für ihr Land zu entwickeln. Die Sozialdemokraten wurden bei der Europawahl mit Missachtung bestraft. Es ist schwer zu sagen, ob die Haltung der SPD bei den Diskussionen um Staatshilfen für Opel und Arcandor mit ausschlaggebend waren. Möglicherweise haben vielleicht einfach auch die SPD-Anhänger noch nicht einmal mehr Lust auf ihre Genossen.

Frank-Walter Steinmeier ist wahrscheinlich zudem der falsche Mann für die Kanzlerkandidatur. Gerade im Wahlkampf kommt er besonders unglaubwürdig rüber. Die emotionalisierenden Sozi-Reden nimmt man ihm nicht ab. Dazu kommt noch für die etwas anders gepolten Sozialdemokraten, denen das Genossen-Gerede sowieso schon zu viel ist, und dennoch ihrer Partei die Stange halten, dass Steinmeier offensichtlich noch Nachholbedarf bei den Themen BWL und VWL hat. Das kommt in Zeiten wie diesen gar nicht gut.

Franz Müntefering muss sagen, dass die Wahlschlappe noch nicht zur Hochrechnung für die Bundestagswahl taugt. Er weiß selbst, dass das nicht stimmt. Die SPD wird sich von der Regierungsbank verabschieden. Das ist klar. In Deutschland wird Schwarz-Gelb das Ruder übernehmen.

Die Liberalen gehen gestärkt aus den Europawahlen hervor, obwohl sich ihre Spitzenkandidatin Silvana Koch-Mehrin ziemlich starkem Gegenwind wegen ihres mutmaßlichem Fernbleibens von Parlaments-Sitzungen und Auschuss-Treffen ausgesetzt sah. Gerichtliche Verfügungen haben Schlechtrednern die Grenzen aufgezeigt. Sie wird nun aber sicher unter genauerer Beobachtung stehen. Den Wählern war das Ganze aber augenscheinlich egal.

Auch die Grünen gehören zu den großen Gewinnern in Deutschland und manch anderen EU-Staaten. Tragisch: In vielen Ländern haben Rechtsradikale und -extreme den Einzug ins Europäische Parlament geschafft. Oft handelt es sich um EU-Gegner. Das wird die Arbeit im Abgeordnetenhaus sicher nicht leichter machen.

Insgesamt ist es für die Sozialdemokraten nicht so gut gelaufen. Aber das deutsche Ergebnis ist schon sehr speziell und zukunftweisend. Was soll der taumelnde Boxer SPD nun machen? Die Zeit ist knapp. Steinmeier hat vor allem in der Wirtschaft seinen Kredit verspielt. Müntefering wird einige schlaflose Nächte verbringen. Wie fühlt es sich an, wenn man mehr oder weniger tatenlos zusehen muss, dass die Niederlage naht, einen niederschmettern wird? Welches Wunder kann helfen? Nur etwas völlig Unvorhergesehenes kann der SPD noch helfen.

Erinnert sich eigentlich noch jemand an Andrea Ypsilanti und ihre peinlichen Gehversuche auf der großen politischen Bühne?

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