Gelesen 13

Diese Lektüre hat mich beeindruckt. Mich hat beeindruckt, welche Strapazen der Autor auf sich genommen hat. Mich hat beeindruckt, wie stark der Wille oder auch der Druck ist, den die Menschen in Afrika, in krisengeschüttelten Staaten, haben oder verspüren, in das gelobte Land, nämlich nach Europa, zu kommen.

Dem italienischen Journalisten Fabrizio Gatti ist mit „Bilal“ ein ganz herausragendes Werk gelungen. Es dokumentiert – und ist dennoch in vielen Phasen so dicht und spannend wie ein Thriller. Gatti hat sich in mehreren Etappen auf die Schleuserroute in Afrika begeben, die zumindest in der Zeit, als er vor Ort unterwegs war, Tausende von Flüchtlingen täglich zurückgelegt haben.

Er ist zunächst im Senegal gestartet und bis nach Libyen gekommen. Auf diesem Teilabschnitt war er nicht undercover unterwegs, was ihn vor Folter und Tod bewahrt hat. Gatti beschreibt die Verhältniss an den unterschiedlichen Etappenzielen, wo immer wieder neue Schleuser den Flüchtlingen das Geld abknöpfen, ohne die Garantie, das gelobte Land jemals zu erreichen. Die Reise durch die Wüste erfolgt über unterschiedliche Routen. Wer von den Standardwegen abweicht, kann zwar Polizei und Armee entgehen, die den oft heimatlos geweordenen ein weiteres Mal Geld abpressen, allerdings ist man dort dem Tod auch noch näher als auf den normalen Routen.

In den großen Städten entlang des Weges gibt es so etwas wie Flüchtlinglager. Nicht nur dort kann von menschenwürdigen Umständen keine Rede sein. Gatti beschreibt die meisten Situationen ganz sachlich, trotzdem können die Darstellungen einen nicht kalt lassen. Für mich ist dieser Teil des Buches der spannendste.

Gatti denkt, an der Mittelmeerküste angekommen, offensichtlich ernsthaft darüber nach, per Schiff nach Lampedusa überzusetzen. Gespräche und der Blick auf die Realität überzeugen ihn schließlich, diese Reise in den sehr wahrscheinlichen Tod nicht aufzunehmen. Er kehrt konventionell nach Hause zurück – wo die persönlich-emotionale Komponente evident wird. Seine Partnerin kündigt die Geburt des gemeinsamen Nachwuchses an. Ein bisschen habe ich das Gefühl, dass sein Lektor ihn dazu genötigt hat, diese private Dimension mit aufzunehmen. Ich bin mir nicht sicher, ob Gatti selbst auf diese Idee gekommen ist. Tatsächlich verdichtet dieses Wissen den zweiten großen Teil des Werkes ein wenig. Der Leser ist emotional involviert.

Tatsächlich ist die Undercover-Ermittlung im Flüchtlingslager auf der Insel Lampedusa der wahrscheinlich noch gefährlichere Teil seines Abenteuers, auf das er sich lange vorbereitet hat. Als Bilal lässt sich aus dem Meer fischen und internieren. Die Verhältnisse in dem Lager sind sehr übel. Die Toiletten sind stets übergelaufen. Wer seine Notdurft verrichten will, steht nach Gattis Aussagen bis zu den Knöcheln in Kot und Urin. Das Personal zeichnet sich duch Willkür und unmenschliches Verhalten aus. Gatti baut in seiner Schilderung Distanz zu dem Protagonisten auf, indem er in der dritten Person von sich und seinen Erlebnissen berichtet.

In einem dritten Teil geht es zurück an eines der Etappenziele, Agadez, eine Stadt im Niger (einem der ärmsten Länder der Erde, in dem übrigens auch kürzlich eine dramatische Flut viele Opfer gefordert, Obdachlose produziert und die Landwirtschaft in Mitleidenschaft gezogen hat). Dort trifft er einige der Männer, mit denen er unterwegs Freundschaft geschlossen hat. Alle haben es nicht geschafft zu überleben. Für Europa hat es schon gar nicht gereicht.

Die Recherchen Gattis fallen in jene Zeit, als Berlusconi dem Dikatator Gaddafi geholfen hat, wieder Anerkennung in der Welt zu finden. Bilateral hat man sich auf die „Lösung“ des Flüchtlingsthemas geeinigt. Libyen fängt heute mit italienischen Schnellbooten die Flüchtlingsschiffe ab. Im besten Fall werden die Flüchtenden in ihre Herkunfts- oder an diese vermeintlich sicheren angrenzenden Ländern abgeschoben. Was in Libyen wirklich passiert, weiß niemand so genau. Das Lager auf Lampedusa ist geschlossen, so effektiv ist der Einsatz der Schnellboote.

Gatti hat ein hochbrisantes und interessantes Thema aufgegriffen. Ein Thema, das uns nicht so nahe steht. Aber es gut, über die Lektüre eines solchen Buches gezeigt zu bekommen, wie es in der Welt draußen aussieht. Das rückt die eigenen Probleme an die Stelle zurück, wo sie hingehören.

8 von 10 Punkten kann ich allemal vergeben. Die emotionale Komponente ist etwas störend und am Ende fehlt mir ein wenig die Spannung.

Fabrizio Gatti, Bilal – Als illegaler auf dem Weg nach Europa, Kunstmann, 457 Seiten, 24,90 Euro

Anmerkung: Ich danke an dieser Stelle bilandia.de. Ich habe unter anderem dieses Buch bei einer Facebook-Aktion dieses gut gemachten Social-Commerce-Online-Buchshops gewonnen. Ich hätte es wahrscheinlich nicht gekauft. Jetzt weiß ich, dass es mich bereichert hat.

Flattr this!

Von Lecks und Flüssen

Abgesehen von den ungünstigen Umständen einzelner Lebensbereiche, war dieser Tag ganz nach meinem Geschmack. Ein schöner Nachrichtentag mit einer mutmaßlich guten Nachricht, oder vielleicht doch ein vermeintlichen guten Nachricht?

Roland Koch tritt von all seinen politischen Ämtern zurück, alles noch in diesem Jahr. Die Wochen seiner Amtszeit als hessischer Ministerpräsident sind gezählt. Ende August ist es soweit. Angela Merkel habe bereits seit einem Jahr davon gewusst, dass er sich zurückziehen will. Sehr ungewöhnlich – vor allem, dass die Medien nicht durch entsprechendes Leck davon erfahren haben.

Koch hat heute in einer Pressekonferenz erläutert, was ihn bewogen hat, diesen Schritt zu gehen. Er soll sehr gelassen und selbstbewusst aufgetreten sein. Es gebe noch eine Leben jenseits der Politik. Ein Lebensabschnitt sei vorbei. Jetzt kommt der nächste. Seine Beweggründe sind obscur. Raum für Spekulationen.

Ein Gerücht: Er wird in der Wirtschaft wieder auftauchen, wenn er seine mehrmonatige Pause hinter sich hat. Was passt zu Koch? Fraport. RWE. Irgendeine Bank. Ein guter Lobbyist wäre er allemal, egal in welcher Branche.

Nummer zwei: Er verabschiedet sich aus der Politik, bevor die staatliche Schuldenmacherei den verantwortlichen um die Ohren fliegt. Das wäre dann ein weiser Schritt.

Nummer drei: Angela Merkel ist Machtpolitikerin und duldet keine Machtpolitiker in den eigenen Reihen, die sich womöglich auch noch anschicken, ihr die Posten als Parteichefin und Bundeskanzlerin streitig zu machen. Ergo hat sie dem armen Roland solange zugesetzt, bis er sich an den heimischen Herd zurückwünschte. Alles in allem unwahrscheinlich.

Nummer vier: Es gibt persönliche Motive – außer einem angestrebten Wechsel in die Wirtschaft -, die Koch partout nicht verraten möchte. Religion, Krankheit, Ausstiegsgelüste.

Nummer fünf: Er strebt einen Wechsel in die Piratenpartei an. Vielleicht auch in die FDP. Vielleicht will er eine eigene Partei gründen (zusammen mit Schill?).

Nummer sechs und abschließend das perfideste Motiv: Er will seinem treuen Weggefährten Volker Bouffier den Vortritt lassen, diesem einmal vermitteln, was es bedeutet, Landesvater zu sein. Vielleicht will er auch nur, dass Bouffier wegen seiner umstrittenen Machenschaften, nicht nur von einem Ministerposten, sondern sogar vom Ministerpräsidentenposten zurücktreten muss. Das entspricht einem höheren Fall und sollte deshalb schmerzhafter sein.

Der letzte Punkt ist es, der den Rücktritt von Koch zu einer vermeintlich guten Nachricht machen könnte. Wenn Bouffier wirklich Nachfolger Kochs werden sollte, dann wäre das ein Grund, das Bundesland zu verlassen. Einen Politiker kann man für das mögen, was er politisch erreicht hat. man kann ihn aber auch einfach nur sympathisch finden und ihn für einen guten Typ halten, dem man vertrauen kann. Mit beidem habe ich – sehr zurückhaltend ausgedrückt – meine Schwierigkeiten. Vielleicht traut sich ja jemand, Partei für Bouffier zu ergreifen. Ich möchte schon gern jemanden kennenlernen, der den hessischen Innenminister so richtig sympathisch findet.

Medienmäßig wird nun die Aufbereitung der Causa Koch recht interessant werden. Den Scoop hat heute ja offensichtlich das ZDF gelandet. Ich denke Peter Hahn könnte Volker Bouffier sympathisch finden. Vielleicht war das ja das Leck – und ganz uneigennützig wäre ein solcher Informationsfluss ja auch nicht gewesen.

Flattr this!

Kranke Intransparenz

Das Gesundheitssystem ist durch und durch faul. Man muss sich wirklich fragen, warum die Politik es nicht schafft, hier zu einem radikalen Umbau zu gelangen. Der Argumente für die These vom Anfang gibt es viele. Hier mal wieder ein Beispiel aus meinem Alltag.

Kurz vor dem Jahreswechsel musste ich zur Vertretung von meinem Allergologen. Drittes Jahr Desensibilisierung, um dem Heuschnupfen endlich Herr zu werden. Nun hat die Praxis des HNO-Arztes vergessen, mit eine Überweisung mitzugeben. Ich musste also die 10 Euro Praxisgebühr erneut berappen. Die Hoffnung, das Geld wieder zu bekommen, musste in mir gar nicht aufkeimen. Zwar hatte ich die Quittung für das vierte Quartal dabei – nur hat diese Null-Relevanz. Das Geld hätte ich nur bekommen, wenn ich den Überweisungsschein vor Ablauf des Quartals hätte nachreichen können. Das ist am 30. Dezember schlecht möglich, wenn die Praxen, die diesen Schein hätten ausstellen können, Urlaub machen.

Anruf bei der Krankenkasse: Dort heißt es, dass es kulante Ärzte gebe, die die 10 Euro nicht nochmals einziehen würden. Das Problem: Wenn die KV das herausbekommt, dann wird der Arzt in Regress genommen oder muss begründen, warum er die Praxisgebühr nicht eingefordert hat. Auf beides hat er verständlicherweise keine Lust. Die Krankenkasse bekäme nur einen Teil der Praxisgebühr, heißt es. Damit kann man auch nicht auf eine Erstattung durch die Kasse hoffen. Ich frage mich, wo bleibt das Geld dann, und zwar ganz detailliert. Die KV streicht wohl für ihre entbehrliche Tätigkeit auch Geld ein. Dafür, dass durch sie eine unvorstellbare Intransparenz entsteht. Das ist ja ein tolles System.

Also, liebe Politiker: Schafft Ordnung im Gesundheitssystem. Dort wird Geld ohne Ende verbrannt – das ist alles, was man darüber ganz genau weiß. Weg mit den KVen, weniger gesetzliche Krankenkassen, am besten nur eine, und mehr Transparenz, damit die ärztliche Versorgung der Bürger wieder wirklich gut werden kann. Ach ja: Weniger Sonntagsreden zu dem Thema und dafür mehr Umsetzung wären natürlich auch großartig.

Flattr this!

Demontage eines Ministers

Eines dürfte spätestens jetzt klar sein: Das Verteidigungsressort ist das schlechteste Regierungsamt, das man in einer Bundesregierung inne haben kann. Das bekommt nach sehr kurzer Amtszeit nun Karl-Theodor zu Guttenberg zu spüren. Er galt noch vor wenigen Monaten als der politische Shootingstar auf der Berliner Bühne.

Als Verteidigungsminister ist man für einen Bereich verantwortlich, auf den man nur über Umwege einen Zugriff hat. Das Berichtswesen dürfte nirgends eine so wichtige Rolle spielen wie in diesem Ressort. Die Abhängigkeit von anderen ist immens. Ich glaube, ein Verteidigungsminister hat grundsätzlich nie etwas unter Kontrolle, außer die Beamten in seinem Ministerium vielleicht. Wenn dann so etwas wie in Afghanistan passiert, dann ist das Ende der politischen Laufbahn auf höchster Ebene schnell erreicht.

Der Spiegel titelt heute mit Bezug auf zu Guttenberg „Der Entzauberte“. Ich glaube, die Demontage war geplant. Eine Medienkampagne ist das in erster Linie nicht. Angela Merkel ist Machtpolitikerin – das muss sie in ihrem Amt auch sein. Sie hat in zu Guttenberg einen ernst zu nehmenden Konkurrenten sehen müssen – nach den Sympathiewerten, die er sich als Wirtschaftsminister erarbeitet hatte. Merkel will zu Guttenberg schwächen. Dessen Vorgänger Franz Josef Jung galt schon immer als Pfeife in der Regierung. Er war eben der Quotenhesse. Auch er hat in der vergangenen Legislaturperiode schon den Schleudersessel bekommen, um möglicherweise schon früher abserviert zu werden. Er hat bis vor wenigen Wochen durchgehalten – Verteidigungsminister war er da schon nicht mehr. Aber der Schatten von Kundus ist lang.

Zu Guttenberg hat heute nochmal beteuert, er wolle im Amt bleiben. Das wird ihm wahrscheinlich nicht gelingen. Es ist wie beim „Mensch ärgere Dich nicht“: Wenn Du rausfliegst, fängst Du wieder von vorne an. Merkel hätte sicher Spaß daran. Von ihr hört man im Moment so gar nichts. Sie könnte sich ja auch für ihre Minister stark machen. Aber zu Guttenberg soll mal lieber wieder schön in seinen Stall zurückkehren und warten, bis er eine sechs würfelt. Dann darf er vielleicht wieder auf der politischen Bühne auftauchen. Er ist ja noch jung.

Flattr this!

Herdprämien-Fail

Diese CDU hat Probleme: Eltern, die ihre Kinder zu Hause betreuen und nicht in eine Kita schicken, sollen ein Betreuungsgeld (Herdprämie)erhalten, weil die Abschiebe-Eltern einen totalen Vorteil haben, da sie die Betreuungskosten steuerlich geltend machen können.

Der Koalitionspartner FDP hat dazu keine Lust – und agiert damit ausnahmsweise einmal korrekt. Da man nicht schon wieder die frische Koalition belasten möchte, zeigen sich die Christdemokraten kompromissbereit. Die Zuwendungen sollen in schweren Fällen – Familie ist beim Jugendamt einschlägig bekannt – in Form von Gutscheinen erfolgen. In unbedenklichen Fällen soll das Geld direkt ausbezahlt werden. So einen Schwachsinn, der politisch denkenden Hirnen entspringt, muss man erstmal verdauen – da kann einem schon schwindlig werden.

Auf der einen Seite hat man erkannt, dass es durchaus Sinn macht, die Kinder früh in ein integriertes Bildungssystem einzuschleusen. Auf der anderen Seite will man den vermeintlich bestraften Eltern eine Belohnung dafür geben, dass sie ihre Kinder diesem Bildungssystem vorenthalten.

Wie löst man dieses Dilemma? Man schafft ein bürokratisches Konstrukt, das in jedem Fall mehr kostet als es bringt. Liebe Politiker in Berlin: Steckt die Kohle lieber in das Bildungswesen. Die Schulen brauchen mehr Geld, der Lehrerberuf muss wieder attraktiver werden, die Klassen müssen kleiner werden, mehr Männer müssen als Erzieher in die Kitas und als Lehrer in die Grundschulen. Das sind die drängenden Probleme. Hohles Gelderverschieben bringt da gar nichts. Nachhaltigkeit gibt es in der Politik in der Regel nur in Sonntagsreden -schade. Vielleicht sollten die Partner der verantwortlichen Politiker ein Betreuungsgeld dafür erhalten, dass sie letztere nicht auf die politische Bühne lassen und in der Küche einsperren.

Flattr this!

Erwachen in Rüsselsheim

Es ist nicht ganz so eingetroffen, wie ich es vermutet hatte – aber eigentlich doch ganz ähnlich. Der Opel-Magna-Deal ist geplatzt. GM hat keine Lust mehr, seine Europa-Tochter zu verkaufen. Jetzt ist die Enttäuschung groß. Alles schimpft auf die bösen Amis. Die Politik, allen voran Angela Merkel, steht brüskiert da.

Es mag Zufall sein, dass GM die Entscheidung so lange herausgezögert hat. Allein mir fehlt der Glaube. Einige Wochen nach der Bundestagswahl ging die Bombe nun hoch. Bitteres Erwachen in Rüsselsheim.

Ich frage mich, ob die Politik wirklich geglaubt hat, dass sie etwas mitzuentscheiden hat, was schließlich das Thema eines Konzerns ist. Auch das glaube ich nicht. Der Großteil der Opel-Belegschaft und der Bürger hat es vielleicht geglaubt – und wurde nun herb enttäuscht.

Jetzt wird weiter gewettert: „Wir geben jetzt natürlich auch kein Geld mehr für die Sanierung her.“ Meines Wissens hat die EU zur Auflage gemacht, nicht nur einen Anbieter im Fall der Übernahmen finanziell zu unterstützen. Ich denke, das Geld wird bei Bedarf fließen müssen.

Die ganze emotionale Diskussion führt irgendwie nicht weiter. Es gibt in der Automobilbranche Überkapazitäten. Auch Opel hat Überkapazitäten – man spricht von 30%. Eine klare Umstrukturierung muss Stellenabbau und Standortschließungen in Betracht ziehen – sonst muss der Steuerzahler dem aus dem Geld geworfenen Fenster noch mehr hinterher werfen.

Unternehmen sind leider keine Wohlfahrtsinstitute. Jeder, auch die Opel-Mitarbeiter, genießt die Vorzüge des Kapitalismus und des Wirtschaftsliberalismus – dann muss man eben auch die Kröten schlucken.

Flattr this!

Peinlicher Kommissar

Ausgerechnet Oettinger! Günther Oettinger ist zweifellos eine der Witz-Figuren der deutschen Politik. Ausgerechnet er soll nun nach Brüssel gehen, um auf EU-Ebene zu wirken.

Ich habe wirklich nichts gegen Schwaben. Aber: wer nicht in Ansätzen in der Lage ist, einen hochsprachlichen Satz herauszubekommen, der kann das entsprechende Land nicht im Ausland oder auf europäischer Ebene vertreten. Das ist zum einen ein schlechtes Vorbild. Zum anderen wird es irgendwann ein Integrationsproblem.

Hier manifestiert sich auch eine Tatsache, die zur Politikverdrossenheit einen nicht unentscheidenden Teil beträgt. Posten werden verschachtert. Wer lange genug geknechtet hat, der darf auch mal ran. Und erinnern wir uns: Mit Wofgang Schäuble war ebenfalls ein Baden-Württemberger für die EU-Kommission vorgesehen, er wird nun Finanziminster (auch so eine Entscheidung, die man nicht inhaltlich nachvollziehen kann).

Der eine Schwabe wird’s nicht, dann wird’s eben ein anderer. Ein Christdemokrat aus dem Südwesten musste es sein – darauf haben sich die Pateioberen schon vor geraumer Zeit verständigt. Leistung spielt leider keine Rolle.

Flattr this!

Liberale Lügen

Die alte Bundesregierung habe finanzmäßig einen Scherbenhaufen hinterlassen, sagt Hermann-Otto Solms. Er sorgt damit für den ersten liberalen Dumpfsinn der wahrscheinlich neuen Regierung. War da was? haben wir da so etwas wie eine Finanz- und Wirtschaftskrise? Wurden da nicht Milliarden über Milliarden in marode Banken und andere Unternehmen gepumpt? Die Liberalen waren wohl auf Urlaub. So eine blödes Gerede eines Politikers, der möglicherweise Finanzminster wird, ist unerträglich.

Liebe FDP-Wähler: Wie steht Ihr zu einem solchen Geheuchel und Dummgestelle? Jetzt bekennt doch bitte Farbe. Würdet ihr die Westerwelle-Truppe nach dieser ersten von wahrscheinlich vielen Entgleisungen immer noch wählen?

Natürlich kommt es jetzt nicht zu den erhofften Steuergeschenken – normal denkende Menschen wussten das allerdings schon vorher. Nur die FDP-Wähler haben da irgendwie anders gedacht. Komisch eigentlich, dürften sie doch tendenziell aus einigermaßen gebildeten Milieus stammen. Das reicht offensichtlich nicht.

Die Bürgerrechts-Partei wird ihre Quittung sicher bekommen. Zum Glück sind Menschen lernfähig – die meisten wenigstens.

Flattr this!

Roter Wirbel

Bei der SPD geht es nach dem Wahldebakel vom Sonntag ordentlich zur Sache. Das ist kein Wunder – und es ist wohl auch ganz richtig so. So schlecht schneidet man bei einer Bundestagswahl nicht alle Tage ab.

Steinmeier darf den Fraktionsvorsitz übernehmen, verzichtet aber auf den Parteivorsitz. Generalsekretär Hubertus Heil geht wieder auf die Jagd. Franz Müntefering kann sich in Zukunft auch wieder mehr um seine junge Freundin kümmern.

Heißester Kandidat auf das höchste Parteiamt ist jetzt der Hannoveraner Kugelblitz Sigmar Gabriel. Andrea Nahles wird als Generalsekretärin gehandelt. Gabriel muss keine schlechte Wahl sein, die Nahles-Idee kommentiere ich besser nicht. Insgesamt zeigt sich, wie dünn die Personaldecken der Parteien sind. Auch die CDU wird für die Regierungsmannschaft einige No-Names aus dem Hut zaubern müssen.

Für die SPD bricht nun aber auch die Zeit an, sich mit solchen Wahlergebnissen auf Dauer abzufinden. Die Parteienlandschaft ist segmentiert, wird es in Zukunft vielleicht sogar noch stärker werden. CDU und CSU haben eben ein Alleinstellungsmerkmal, außer der FDP kann ihnen im Moment niemand die Wähler wegfischen.

FDP ist das Stichwort. Ziemlich lächerlich finde ich die vermeintlich ernsthafte Debatte über die Englischkenntnisse von Guido Westerwelle – mit der satirischen Auseinandersetzung kann man hingegen sehr gut leben. Wie wäre es, wenn man sich inhaltlich mit der FDP und ihrem Chef beschäftigen würde. Westerwelle steht inhaltlich aus meiner Sicht für nichts. Er ist nur kompetent in Politikmachen – Fach- oder Sachkenntnisse zeichnen ihn nicht gerade aus. Im Moment kursiert wohl das Gerücht, er könnte Superminister werden, für Finanzen und Wirtschaft. Das würde uns den regelmäßigen Blick auf den peinlichen Bart Hermann-Otto Solms ersparen.

Alles in allem hat das Wahlergebnis ein bisschen Bewegung in die Politik gebracht. Das finde ich grundsätzlich gut. Es wird auch sehr spannend sein, die Geschehnisse in Berlin in den kommenden Wochen, Monate und Jahre zu beobachten und kommentieren.

Flattr this!

Nach-Wahl-Verzweiflung

Verzweiflung: Das war der Gemütszustand am Anfang des Wahlkampfs – und am Ende, also nach der Wahl, ist es genauso. Das größte Kopfzerbrechen macht mir dabei das hervorragende Abschneiden der FDP. Im Prinzip stehen die Freidemokraten für nichts Gutes. Ihre Weltsicht hat zur Finanzkrise geführt, die Deutschland an den Rand des Bankrotts gebracht hat. Und jetzt strömen die Anhänger zu den Urnen und machen ein Kreuzchen bei ihnen. Wer kann mir das erklären?

Natürlich waren es vor allem taktische Überlegungen bei den Wählern der FDP. Sie wollten die Sozialdemokraten aus der Regierungsverantwortung drängen – das will ich gar nicht werten. Aber dann hätten sie doch Merkels CDU wählen können. Die Christdemokraten haben nun auch ein schlechteres Wahlergebnis als vor vier Jahren. Eine Katastrophe wie bei der SPD ist es allerdings nicht geworden. Das sind wohl Effekte, die auf eine Große Koalition folgen.

Die Hornissenkoalition hat nun das Rennen gemacht. Sie steht zumindest nach Wahlversprechen für Steuersenkungen. Irgendwie kann man sich die Situation nur schwer schön rechnen. Schließlich ist mit der Neuverschuldung durch die Finanzkrise der Schuldenberg so hoch, dass unsere Kinder und Enkel noch Spaß damit haben werden. Jetzt sollen auch noch die Steuern runter – wird dann mal wieder bei der Bildung gespart?

Nein, sagen die Gewählten. Man darf gespannt sein, welcher Etat zusammengestrichen wird. Vielleicht werden es einfach die Länder und Kommunen sein, auf die die Lasten abgewälzt werden. Da sollten die Macher auf Landes- und Kommunalebene ihren Parteikollegen ordentlich auf die Finger schauen, damit ihnen nicht das Nachsehen bleibt.

Eine Tendenz ist aber auch deutlich geworden: Die Zeit der überragenden Wahlergebnisse ist vorbei. Die Vielfalt der Gesellschaft nimmt zu. Sie wollen auch politisch mundgerechter bedient werden. FDP, Linke, Grüne – so stark wie nie. Ein Achtungserfolg für die Piraten. An Bedeutung insgesamt verlieren die Rechtsradikalen und die Nationalisten – das ist gut so. So ist in Brandenburg die DVU aus dem Parlament rausgeflogen.

Das wirklich Gute am Wahlergebnis: Die nächsten Jahre werden politisch spannend. Die Wahlversprechen werden sich wieder einmal zu Wahllügen verwandeln. Die Oppositionsparteien sind stark vertreten und können so Politik mitgestalten. Jetzt warten wir auf das Ausschwärmen der Hornissen und ihre ersten Taten.

Flattr this!