Quelle von Strudel bedroht

Nach zähem Ringen hat sich die Politik nun doch dazu durchgerungen, dem Versandhaus Quelle einen Massekredit zu gewähren. Die 50 Millionen Euro seien notwendig gewesen, um den sofortigen Exitus zu verhindern, heißt es. Die EU hat dem Ganzen stattgegeben.

Okay, das rasche Ende ist verhindert – aber wie nachhaltig kann die Hilfe sein? Der Universalversand ist in der Krise. Das ist gar kein neues Phänomen. Alles unter einem Dach ist bei den Warenhäusern passé und bei den Versendern wahrscheinlich auch. Neckermann.de, schon vor geraumer Zeit aus dem Arcandor-Konzern faktisch herausgeschält, dümpelt vor sich hin. Überraschend war die Meldung, dass schon im nächsten Jahr schwarze Zahlen geschrieben werden sollen. Und jetzt Quelle.

Nennenswert ist in diesem Kanon eigentlich nur noch Otto. Die Otto-Gruppe steht vergleichsweise gut da. Mit dem Universalversand unter der Marke Otto hat das am wenigsten zu tun. Diversifikation ist eines der Stichworte. Der Konzern schreckt vor stationären Geschäften nicht zurück, geht Joint Ventures (in der Vergangenheit unter andere mit Zara) ein. Das Internet wird aktiv beackert. Zahllos sind die E-Commerce-Unternehmen, die zur Otto-Gruppe gehören. Entweder man macht es selbst (Yalook) oder man kauft hinzu (Limango ). Ebenfalls ein Schritt in eine erfolgversprechende Zukunft ist der Aufbau von Logistik-Dienstleistern unter der Dachmarke Hermes. So kann der Konzern auch davon profitieren, dass im E-Commerce andere erfolgreich – und vielleicht sogar erfolgreicher als die eigenen Töchter – sind. Das gilt für das Lagergeschäft wie für den Versand.

Universalversand und der Long Tail schließen sich quasi aus. Man versucht, sich als allumfassende Plattform zu etablieren, auf der auch andere ihren Waren anbieten können. Augenscheinlich funktioniert das nicht – und gefragt ist es vermutlich auch nicht. Vielmehr sind es die vielen Spezialisten mit ihren Spezial-Shops im Netz, die ihre Kundschaft finden und richtig ansprechen. Die Mega-Tanker aus der alten Welt, denen das Drucken der Kataloge so wichtig ist, haben nicht die richtigen Rezepte parat. Es fehlt auch an der richtigen Denke.

Ich muss leider wieder den Vergleich zu Medienwelt ziehen. Dort ist das Problem dasselbe. Die Bedrohung allerdings ist dort weit größer, da dort geistige bzw. mutmaßlich kreative Waren verkauft werden müssen. Sie sind viel flüchtiger und reproduzierbarer als Produkte, die man anfassen kann.

Die Zeit von Großkonzernen der alten Welt ist vorbei – das gilt ganz besonders für alle Bereiche der Wirtschaft, in denen das Internet ein besondere Rolle spielt. Und das ist im Handel zweifelsohne so.

Wie soll mit diesen Vorzeichen Quelle gerettet werden? Es ist quasi nicht möglich. Es kommt nicht von ungefähr, wenn Otto-Chef Hans-Otto Schrader davon spricht, dass Quelle nicht sanierungsfähig ist. Er hat kein Interesse an einer Übernahme. Aus den sogenannten Spezialversendern, die auch zum Arcandor-Konglomerat gehören, würde er sich gern die Rosinen rauspicken. Soweit ist es aber noch nicht. Das Phänomen Long Tail hat er auf jeden Fall verinnerlicht – das ist sein Vorteil. Auf jeden Fall hat er keine Lust, sich an Quelle zu vergiften.

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Der King ist tot

Ja, der King of Pop ist tot. Ja, er hat eine Phase der Geschichte der Pop-Musik mitgeprägt. Ja, er hat einige ganz unterhaltsame Pop-Songs interpretiert. Punkt.

Michael Jackson ist gestorben – und die Medien laufen Amok. 50 Jahre alt ist er nur geworden. Es war ja noch so jung. Er war doch allein für die Erziehung seiner drei Kinder verantwortlich. Es ist alles so unerwartet.

Der Mann war krank. Psychisch, körperlich. Er hat Raubbau an seinem Körper getrieben. Jetzt sprechen die „Fachleute“ von einem unerwarteten Ereignis. Herzstillstand. Zuletzt hieß es, es könnte Medikamentenmissbrauch im Spiel sein. Das sagt doch schon alles. Wahrscheinlich ist er mit dem Stress nicht klar gekommen. Schließlich wollte er ein großes Comeback auf der Bühne feiern. Daraus wird jetzt nichts – und in einem Jahr findet das ach kaum einer noch schlimm.

Am meisten widert mich an, dass jetzt ein Mythos vom alleinerziehenden fürsorglichen Vater zusammengebastelt wird. Wer’s glaubt, wird selig. Ich sage nur Neverland-Ranch und Affenliebe.

Ich hoffe, dass das Thema schnell wieder aus den Medien verschwindet. Die Radiosender sollen ein paar mehr Jacko-Songs spielen und sich das Gelaber sparen.

Gestern hat sich auch an einer anderen Geschichte der Medien-Wahnsinn gezeigt. In allen Nachrichtensendungen stand der Verlust des Weterbetitels des Dresdner Elbtals ganz oben auf der Agenda. Das ist eigentlich nicht mehr als eine Nachricht. Aber ARD und ZDF haben daraus ein Drama gemacht. Lächerlich. Ein Ziel wurde erreicht: Harte Berichte wie zur Wirtschaftskrise oder der Lage in Iran wurden zugekleistert. Soviel zum Thema Agenda Setting.

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Shoppen in der alten und der neuen Welt

Ich war heute auf einem E-Commerce-Kongress. Kongresse und Messen sind im Moment eigentlich eher traurige Veranstaltungen. Die Wirtschaftskrise fordert ihren Tribut, die Stimmung ist meist schlecht. Wer an der nur vorgegaukelt unbeschadeteten Fassade kratzt, findet immer die gleiche Wahrheit vor: Alle Unternehmen haben es schwer.

Heute war das anders. E-Commerce ist in der schwächelnden Handelsbranche ein Wachstumsfeld. Wer sich mit dem Vertriebskanal Internet beschäftigt oder dort schon aktiv ist, ist bei diesem Thema in der Regel guter Laune. Die Dienstleister und IT-Anbieter haben auch ihren Spaß. Die Geschäfte brummen.

Klar ist aber auch, dass durch das stärker werden des Vertriebskanals Internet nicht unbedingt mehr Waren verkauft werden. Es handelt sich vielmehr um eine Verlagerung. Wer das erst mal begreift, stellt fest, das es sich hier nicht nur um irgendein neues Einkaufsverhalten handelt, sondern eine einschneidende Veränderung der Gesellschaft – beim Shoppen manifestiert sie sich genauso wie im Medienkonsum. Wir erleben eine Veränderung, die eine Welt schafft, in der nichts mehr so ist wie es einmal war.

Diese Veränderungen sind es auch, die das Ende der Warenhaus-Ära bewirken. Ich erinnere mich noch an den großen Start von Karstadt in den E-Commerce vor ungefähr zehn Jahren. Millionen wurden versenkt, um das Shopping-Portal My World einzuführen. Es ist gnadenlos gefloppt. War Karstadt etwa zu früh mit diesem Thema dran? Eigentlich nicht. Der Zeitpunkt war gut. Nur war es nicht ganz schlau, Konkurrenz beispielsweise zu den Unternehmens-Schwestern Quelle und Neckermann aufzubauen, in denen das Know-how des Distanzhandels gebündelt war. Das hat man vielleicht auch gemerkt und dann das Grab für My World geschaufelt. Millionen verbrannt? Na und!

Die großen Einzelhändler sind meiner Meinung nicht in der Lage, an dem E-Commerce-Boom zu partizipieren. Auch Galeria Kaufhof ist ja mit einem Online-Shop unterwegs. Ob das funktioniert, also rentabel ist, weiß man nicht. Möglicherweise sieht man das Ganze eher als Marketing-Maßnahme.

Fakt ist: Neben den Markenanbietern mit ihren eigenen Online-Shops sind zahlreiche neue Player auf den Markt gekommen – teilweise auch mit neuen und frischen Handels-Ideen. Die dicken Tanker der alten Offline-Shopping-Welt haben nicht die Innovationskraft, durch die Decke gehende neue Konzepte rentabel zu machen. Blockaden in Strukturen und Köpfen sind dafür verantwortlich. Auch hier gibt es übrigens wieder eine Analogie zur Verlagswelt.

Interessant ist, wie sich in dieser Gemengelage ein Versandhandelsriese wie Otto behaupten kann. Die Erfahrungen im Distanzhandel bilden eine gute Basis. Zudem sind Projekte wie der Online-Shop Yalook, der demnächst an den Start gehen wird, vielversprechend. Dieses Konzept wie auch smatch.com, das auch zur Otto Gruppe gehört, machen Hoffnung, dass dem Traditionsladen die Metamorphose gelingt.

Die Rolle des nicht- oder nur gering-filialisierten Facheinzelhandels in der neuen Shopping-Welt ist auch noch nicht endgültig definiert. Für die einen mag es sinnvoll sein, seine Marke über einen begrenzten Raum hinaus zu nutzen und Ware im Netz anzubieten. Für den anderen – und darunter dürfte der Großteil der Einzelhändler fallen – ist es wahrscheinlich sicherer, wenn er sich auf seine Kompetenzen besinnt und die Kunden in seinen Laden lotst und ihm dort das bestmögliche Einkaufserlebnis mit Beratung, Service und persönlicher Ansprache angedeihen lässt. Andererseits: Die Einstiegshürde in E-Commerce ist einigermaßen niedrig. Wer Spielgeld übrig hat, kann es versuchen und zur Not dann auch wieder einstellen.

Die Umwälzungen sind gigantisch. Wie schnell die Welt sich dreht, zeigt auch die neue Ausgabe des Time-Magazins, die ich nur wärmstens empfehlen kann. Die Doppelausgabe beschäftigt sich mit dem Jahr 1989. In der Rückschau wird deutlich, wieviele nachhaltige Entwicklungen damals ihren Anfang nahmen: Die Pulverisierung des Eisernen Vorhangs, die Erfindung des Internet oder das Ende der Apartheid.

In fünf oder zehn Jahren wird schon wieder vieles neu sein: Manifestieren wird sich das auch in der Art und Weise des Shoppens in der neuen Welt.

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Manifest der Männerbewegung

Dieses Sammelwerk hat das Zeug zu einem Manifest der Männerbewegung. Befreiungsbewegung für Männer: Auf dem Weg zur Geschlechterdemokratie, herausgegeben von Paul-Hermann Gruner und Eckhard Kuhla, liefert eine Bestandsaufnahme, wie es um die Männerbewegung in Deutschland bestellt ist – das Fazit ist keineswegs positiv. Viel zu sehr, so Gruner in seinem Auftaktaufsatz „Männer und die Mündigkeit zur Selbstbefreiung – Das Ende des weiblichen Geschlechtermonologs“ steckt der Mann in einer sozialen Zwangsjacke fest. Er gefällt sich in der Rolle des Feministen und kommt nicht aus dem Quark. Damit ist er allgemein akzeptiert: „Der Feminist ist der erlaubte Mann“, schreibt Gruner.

Paul-Hermann Gruner        Von passionpapa

Das Buch mit seinen Aufsätzen, Analysen und Essays hat einen kämpferischen Kern – bleibt aber dem ernsthaften Anliegen entsprechend sachlich. Als Autoren fungieren nicht nur bewegte Männer, auch Frauen kommen zu Wort. Das Ziel des Buches ist eine Neubewertung der Männerrolle. Erreicht werden soll es mit zahlreichen Erkenntnissen von unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen.

Die Herausgeber warnen davor, das opulente Werk einfach nur als Rezeptbuch für das Etablieren einer Männerbewegung zu verstehen. In einer kurzen EInführung heißt es: „Die Bewegung benötigt die Analyse einzelner wichtiger Bausteine des Gebäudes, die Ausleuchtung seiner wesentlichen Funktionsdefizite und Dunkelzonen sowie das Herausarbeiten von Reparaturmöglichkeiten, das Ausdeuten von Modulen oder Aggregaten, die im Gebäude ersetzt werden müssen, um damit dessen Wohn- und Lebensqualität maßgeblich zu erhöhen.“

Um diesem Anspruch gerecht zu werden, haben Gruner und Kuhla das Buch sinnhaft in vier große Kapitel gegliedert. In Teil I (Ideologiekritik und Männerperspektive(n)) zeigt Gregor Amendt „den Weg der weltanschaulichen Risiken und Nebenwirkungen auf, den der Feminismus in seiner ‚misandrischen Alltagsroutine‘ genommen hat. Karin Jäckel setzt unter anderem „die feministische Formel ‚Mein Bauch gehört mir‘ und den verfassungsrechtlich und gesetzlich abgesicherten Frauen- und Mutterschutz in Zusammenhang mit der Verherrlichung, ja Heroisierung der alleinerziehenden Mutter in unseren modernen Gesellschaften“. Karl-Heinz van Lier beschäftigt sich mit dem Phänomen und den Konsequenzen des Gender Mainstreaming, das für ihn schließlich nur ein Instrument der Diskriminierung ist. Susanne Kummer „befragt das Spannungsfeld von Psychologie und Biologie, von Natur und Kultur in Verknüpfung mit der Geschlechterfrage“. Astrid von Friesen nimmt sich der weiblichen Gefühllosigkeit gegenüber den in familienrechtlichen Streitfällen entsorgten Vätern an.

Auftakt zu Teil 2 (Macht & Ohnmacht) bildet ein Aufsatz von Arne Hoffmann, der die Mär von der Lohn- und Geschlechterungerechtigkeit am Arbeitsmarkt unter die Lupe nimmt und sie anhand zahlreicher Daten widerlegt. Im Gespräch mit Sozialforscher Klaus Hurrelmann steht die Gewaltneigung der von Benachteiligung betroffenen Jungs im Fokus. Einer seiner Lösungsansätze: Die Teilaufgabe der Koedukation und damit eine gezielte Jungen-Förderung. Beate Kricheldorf räumt mit dem Vorurteil auf, dass häusliche Gewalt einzig vom Mann ausgeht. Buchautorin Christine Bauer-Jelinek sagt im Gespräch, dass es dem Feminismus gelungen sei, sich als Weltanschauung durchzusetzen. In einem zweiten Aufsatz beschäftigt sich Arne Hoffmann mit der Verwechslung von natürlichem und grammatischem Geschlecht. Er wendet sich gegen solche scheindemokratischen Dopplungen wie Bürger und Bürgerinnen.

„Männer und Männlichkeiten“ ist der dritte Teil des Buches überschrieben. Dort widmet sich Matthias Stiehler zunächst den Themen Männergesundheit und Gesundheitsrisiken von Männern. Marc Luy hat das Phänomen untersucht, dass Mönche hinter ihren Klostermauern länger leben als Männer in der freien Wildbahn des normalen Lebens. Hans-Joachim Lenz beschäftigt sich in seinem Aufsatz unter anderem mit der kulturellen Verdrängung männlicher Verletzbarkeit. Psychotherapeut Wolfgang Schmidbauer berichtet aus der Praxis, wie Ehemänner an die ihnen im Zeitverlauf fremd werdenden Einheit Frau und Kind scheitern.

Um „Initiation, Initiative&Bewegung“ geht es im vierten und letzten Teil des Werkes. US-Männerrechtler Warren Farrell sieht die Gesellschaft „in einer Transitionsphase, einer Periode des labilen Übergangs in eine Zeit, die für beide Geschlechter bessere und befriedigendere Konstruktionsmerkmale bieten muss“, wie es in der Einleitung des Buches heißt. Claudia ischer weist daraf hin, dass die für männlichen Jugendlichen Initiationsrituale besonders wichtig wären, in unserer Zeit aber nicht mehr den gebührenden Platz einnehmen. Als Ersatz können sich beispielsweise Videospiele etablieren. Markus Theunert skizziert den Weg in eine andere, Männern gerechter werdende Rollenzunft. Psychologe Martin Verlinden rückt die Vaterschaft in den Fokus. Er betont vor allem auch ihre lustvollen und witzigen Seiten. Es geht ihm auch stark um das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Mitherausgeber Eckhard Kuhla liefert abschließend einen Einblick in die Niederungen des politischen Alltags. Mit seiner Idee der Frauenbeauftragten einer Kommune einen Männerbeauftragten zur Seite zu stellen erntete er nicht nur Verständnis.

Nach diesem ersten Überblick sollen in den kommenden Wochen einzelne Aspekte aus dem Buch hier noch genauer vorgestellt und dann hoffentlich auch diskutiert werden. Als nächstes steht ein Interview mit Mitherausgeber Paul-Hermann Gruner auf dem Plan.

„Befreiungsbewegung für Männer: Auf dem Weg zur Geschlechterdemokratie. Essays und Analysen.“, Paul-Hermann Gruner und Eckhard Kuhla (Hrsg.), 410 Seiten, ist im Psychosozial Verlag erschienen und kostet 29,90 Euro.

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Der Soundtrack zur Krise

Der Titel der Platte macht deutlich: Hier handelt es sich um einen Soundtrack zur Krise. „Black Clouds & Silver Linings“ heißt das neue Album der Progressive-Metal-Combo Dream Theater. Normalerweise ist das Quintett am besten, wenn es hart, schnell und komplex ist. Die beiden ersten Attribute sind in diesem Fall eher die Ausnahme.

Das mag man bedauern, aber man muss eben auch wieder einmal ganz genau hinhören, um die Stärken des Songwritings und der Arrangements zu entdecken. Die klassichen Einflüsse haben im Vergleich zu den Vorgänger-Alben meiner Meinung nach wieder zugenommen. Auffällig sind auch die Remineszenzen an Art Rock a la Yes und Pink Floyd (5 The Best of Times,6 The Count of Tuscany). Dazu kommen noch Zitate aus früheren Scheiben wie bei The Shattered Fortress (4).

Absolute Höhepunkte der Platte sind der Opener (A Nighmare to Remember) und The Shattered Fortress. Nummer 2 (A Rite of Passage) ist ein radiotauglicher Midtempo-Hammer. Wither (3) und The Best of Times lassen es eher ruhiger angehen. Dort erhält das Hymnische für meinen Geschmack etwas zu viel Raum. Der letzte Song (The Count of Tuscany) hat dann wieder das Epische und Abwechslungsreiche, was viele Dream Theater Fans an ihren Helden lieben.

Großartig ist aus meiner Sicht, dass neben der klassisch ausgebildten Stimme von James LaBrie, die auch schon einmal nerven kann, auch Drummer Mike Portnoy wieder ins Mikro gröhlen darf (Beispiel: Mittelteil von A Night to Remember). Das ergibt einen guten Kontrast und unterstützt die Wechsel von langsam und schnell, Moll und Dur, schräg und geradlinig.

Die Keyboards von Jordan Rudess sind ebenfalls wieder herausragend in Szene gesetzt. Die Klangteppiche dienen dem Zusammenhalt der Songstrukturen. Wenn er dann aber einmal losgelassen wird, dann zaubert er auch schon einmal ein derart abgefahrenes Solo aus den Boxen wie in A Rite of Passage. Mike Portnoy und Basser John Myung bilden eine Rhythmus-Einheit, wie sie sich West- und Ostdeutschland vielleicht wünschen, wahrscheinlich aber nie erreichen werden. Gitarrist John Petrucci kann zwar auch futteln – zum Großteil ordnet er sich aber brav den Songs unter. Auffällig sind die Gitarrensounds, die auch an die guten alten Zeiten des Hardrock und des Art Rock erinnern. Er kann’s auch bluesig.

Dass Dream Theater Anhänger dieser Musikrichtungen sind, wird besonders auf der zweiten Scheibe der 3 CD-Special-Edition deutlich. Sechs Cover-Songs hat das Quintett dort draufgepackt. Darunter Titel von Rainbow, Dixie Dregs, Queen und Iron Maiden. Dort manifestiert sich nochmals die ganze Spielfreude der Band, die auch nach 22 Jahren ungemindert scheint. Meine persönlichen Favoriten sind To Tame a Land von Iron Maiden und Stargazer von Rainbow. Die dritte Scheibe beinhaltet nochmal die Songs des neuen Albums als Instrumental-Versionen. Das dürfte vor allem jene freuen, denen James LaBrie und dessen Stimme irgendwann auf den Zeiger geht.

Bis auf Wither kommen die Songs wieder einmal smphonisch daher. Der Opener ist ein Gesamtkunstwerk in über 16 Minuten. The Count of Tuscany schafft es gar auf über 19 Minuten. Wer sich allein diese beiden Titel anhört, der merkt, dass die Krise nur ein Bestandteil des Lebens ist. Der Rest besteht aus Silberstreifen am Horizont.

Auf einer Skala von 1 (unterirdisch) bis 10 (intergalaktisch) bekommt die Scheibe 8 Punkte. Es fehlt mit etwas an Härte – und das Balladeske erhält zu viel Raum.

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Neue Väter

Die Hessenstiftung mit Sitz in Bensheim hat einen Entwurfwettbewerb ausgelobt, um ihr Anliegen einer besserern Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu untermauern. Als Zielgruppe für den Wettbewerb „Neue Väter“ wurde ein sehr junge Zielgruppe gewählt. Nachwuchsgrafiker aus Agenturen, Studierende von Universitäten und Fachhochschulen sowie Schülerinnen und Schüler an Berufsschulen und Gymnasien waren aufgerufen, ihre Entwürfe von engagierten Vätern und Männern in ungewohnten Rollen einzureichen.

Das ist ein guter Ansatz, so machen die jungen Leute, die ihren Lebensentwurf noch basteln und ihn dann umsetzen sollen und wollen, sich auch schon einmal mit diesem Thema vertraut. Gerade befindet sich die Wanderausstellung der zehn besten Entwürfe an ihrer ersten Station in Korbach. Ein sechsköpfige Jury hat die Auswahl getroffen.

Das beste der zehn Plakate gefällt auch mir am besten. Die Urheberin Katharina Elert besucht das Freiherr-von-Stein Gymnasium in Fulda. In ihrer Entwurfbeschreibung heißt es: „Ich beabsichtige, die väterliche Beteiligung an der Erziehung schmackhafter zu gestalten, indem ich auf humorvoller Basis eine Brücke zwischen männlichem Interesse und Kind aufzubauen versuche.“ Das Ganze hat etwa Appellatives. Grundannahme: Die Männer haben eigentlich nicht so richtig Lust aufs Vater sein.

Diesen Ansatz, der auch bei dem Werk von Elerts Schulkameradin Maria Blum aufscheint, werfe ich den jungen Künstlerinnen gar nicht vor. Die Motive sind und bleiben dennoch gut. Das Rollenverständnis der Männer befindet sich ja tatsächlich erst im Umbruch. Man bekommt häufig zu hören, dass die Männer keine Lust auf Familie haben. Sie sind sicher meist die Bremser, wenn das Thema Familienplanung auf dem Tisch liegt. Sind die Männer dann erstmal Väter, dann nehmen sie diese Rolle doch aber auch häufig und immer häufiger mit Freude an – davon bin ich fest überzeugt.

Das Bemühungen der Hessenstiftung im Bereich „Väter in Familie und Beruf“ kann man nur unterstützen. Mit ihrer Arbeit wie eben diesem Entwurfwettbewerb und der anschließenden Wanderausstellung können bespielsweise auch die Entscheider in Unternehmen erreicht werden, die meist mit den Themen Work-Life-Balance und modernem Vatersein nicht so recht vertraut sind – um es einmal einigermaßen wertfrei auszudrücken.

Hier sind die Plakate zu sehen:

Korbach noch bis zum 26. Juni

Eschwege 29. Juni bis 10. Juli

Fulda 13. bis 24. Juli

Bad Hersfeld 27. Juli bis 14. August

Villmar/Lahn 17. bis 28. August

Friedberg 8. bis 18. September

Langen 21. September bis 2. Oktober

Griesheim 5. bis 16. Oktober

Offenbach 19. bis 30. Oktober

Heppenheim 2. bis 13. November

Frankfurt-Höchst 16. bis 27. November

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Warenhäuser waren Häuser!?

Es vergeht keine Tag ohne eine Meldung zu Arcandor. Gestern hat das Unternehmen bekannt gegeben, keine Halbjahreszahlen veröffentlichen zu wollen. Heute wurde Insolvenz für 15 weitere Töchter angemeldet, großteils Servicegesellschaften der Versandhandelstochter Primondo. Sal.Oppenheim hat die direkt gehaltenen Anteile verkauft.

Trotzdem ist es irgendwie nach dem großen Gewitter um Staatshilfen und die Insolvenz ruhiger geworden. Jetzt steht noch ein Massekredit im Raum. Der Filialleiter des Lübecker Karstadt-Hauses hat getwittert, dass er und seine Kollegen diese Woche erstmals mit Insolvenzverwalter und wahrscheinlich auch Generalbevollmächtigtem zusammentreffen.

Klar, die Hoffnung der Betroffenen in den Filialen ist groß. Die Metro hält die Füße still. Im Raum steht das Interesse an 60 Karstadt-Häusern. Leider ist nicht bekannt, welche Häuser es sind.

Bei allen Fragen rund um Unternehmen wie Arcandor/Karstadt und Metro/Galeria Kaufhof: Wie sieht es eigentlich mit der Zukunft der Warenhäuser aus? Haben sie in der bestehenden Form überhaupt eine Zukunft?

Die Waren- oder auch Kaufhäuser sind schon seit Jahrzehnten in der Krise. Dereinst machten Hertie, Horten, Kaufring und Kaufhalle schlapp. Hertie hat es sogar geschafft, nochmal Pleite zu gehen. Viele ehemalige Kaufring-Häuser sind bereits oder bald am Ende. Warum sollten es Karstadt und Kaufhof schaffen?

Die Shoppingcenter haben zunächst die Grüne Wiese belagert, in den Innenstädten sind sie aber auch schon lange angekommen. Das ist einer der Sargnägel für die Betriebsform Warenhaus. Das Angebot in den Shoppingcentern ist fast so breit wie in den Warenhäusern. Selbst die Marken sind bis auf die Handelsmarken dieselben. Die Markenflächen in den Warenhäusern unterschieden sich aus Sicht des normalen Kunden nicht. Dazu kommt noch, dass die Läden der Marken in der Regel neuer und deshalb nicht so abgewirtschaftet wie die meisten Warenhäuser sind.

„Marken“ ist überhaupt ein Stichwort. Die Warenhäuser wollten die Eigenmarken stärken und die Fremdmarken zurückdrängen. Leider haben es weder Kaufhof noch Karstadt geschafft, ihre Marken begehrenswert zu machen. Immer wenn ich in den Läden bin, sind die Eigenmarken gnadenlos runtergezeichnet – gekauft werden sie trotzdem nicht.

Der dritte Sargnagel sind die hohen Kosten, vor allem für Mieten, die den Warenhäusern den Garaus machen. Die Mietpreise für Läden in bevorzugten Lagen steigen angeblich immer noch. Die Riesenflächen der Warenhäuser fressen entsprechend Substanz auf. Die Refinanzierung ist hart – und in vielen Fällen unerreichbar.

Exkurs: Überhaupt ist es erstaunlich, welche Mieten für Ladenlokale aufgerufen werden – auch und vor allem von den Shoppingcenter-Betreibern. Da bläht sich ordentlich etwas auf. Auch diese Blase wird platzen – und dann wird es wieder jammernde und weinende Unternehmen geben. Viele Läden von Marken dienen dem Marketing, werfen aber keine Renditen ab. In den USA ist das Shoppingcenter-Sterben recht weit fortgeschritten. Aber für die Betreiber ist das kein Problem: Ich vermute spätestens nach fünf, wahrscheinlich aber schon nach drei Jahren annähernder Vollvermietung geht das Geld verdienen los. Wenn also nach zehn, 15 oder 20 Jahren das Licht ausgeht, ist die Ernte schon längst eingeholt. Weinen werden dann übrigens auch die Kommunen, die sich die Ansiedlung von Shoppingcentern so sehr wünschen. Das führt nur zu einer kurzfristigen Befriedigung der Verwaltungschefs in den Rathäusern.

Massiven Druck übt natürlich auch das sich ändernde Einkaufsverhalten und der E-Commerce aus. Immer wieder hört man, dass es in der Innenstadt manche Dinge wie Kurzwaren nur noch im Warenhaus gibt. Hier kommt wieder der Long Tail um die Ecke. Im Netz gibt es alles, die kleinste Nische wird bedient. Dort gibt es auch Kurzwaren. Was es dort nicht gibt, ist das haptische Einkaufen. Das mögen jene vermissen, die damit noch groß geworden sind. In spätestens 15 Jahren ist der Großteil der Kunden anderes Einkaufsverhalten gewohnt. Dazu gehört dann vielleicht eine bessere Planung, das Bestellen unterschiedlicher Artikel zur Auswahl oder auch die Bindung zum Online-Shop des Vertauens. Man mag den guten alten Zeiten mit kompetenter Beratung und face-to-face-Kontakten dann nachtrauern. Das wird den Nostalgikern nur nichts mehr nützen. Von wegen Beratung und Service: Tatsache ist doch, dass auch diese Aspekte nur noch rudimentär in den Warenhäusern vorhanden sind. Die hohe Personaldichte ist ja bereits der Krise der vergangenen 20 Jahre zum Opfer gefallen.

Umstände und häufig auch Management haben dazu beigetragen, dass die Warenhäuser am Rande des Exitus sind – von dort gibt es kein zurück mehr. Warenhäuser waren Häuser!

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Kanzlerkandidaten-Exegese

Ich bleibe dabei: Man nimmt es ihm nicht ab. Frank-Walter Steinmeier hat beim SPD-Parteitag ein kämpferische Rede gehalten, wie es die Kommentatoren in Zeitung, Funk und Fernsehen dann immer nennen. Die Zeitungen sind voll von Kanzlerkandidaten-Exegese. „Ich will Kanzler aller Deutschen werden“ wird dann als Machtanspruch gedeutet. Ach so. Da hat also die SPD tatsächlich einen Kanzlerkandidaten gekürt, der Machtanspruch hat. Entschuldigung, aber so blöd können noch nicht einmal Sozialdemokraten sein, einen Kandidaten zu küren, der keine Lust auf das angestrebte Amt hat.

Steinmeier ist einfach kein richtiger Sozi. Eigentlich ist er auch kein guter Redner. Am Sonntag ist er tatsächlich über seinen Schatten gesprungen. Es ist wohl sogar so, dass er frei gesprochen hat. Augenzeugen zufolge sollen die Delegierten im Saal kurzzeitig tatsächlich gedacht haben, dass die SPD mit Blick auf die Bundestagswahl noch nicht geschlagen ist. Ein Traum in Rot.

Immerhin liegt jetzt einmal ein Wahlprogramm auf den Tisch, das durchaus einige Akzente setzt. Die Union ist das noch schuldig. Angesichts der Wirtschaftskrise müssen sicher langfristige Ziele nochmals überdacht werden. Mal sehen, was am Ende dabei herauskommt.

Auch bei der FDP darf man interessiert auf das fertige Papier warten. Die Liberalen stehen wie keine andere Partei für das „weiter so wie bisher“. Umso erstaunlicher ist es, dass die Liberalen sogar in Zeiten, in denen laut nach beispielsweise einer Regulierung des Finanzwesens gerufen wird, einen Erfolg nach dem anderen feiern. Wie können Liberale auf den Zug aufspringen und auch mehr Staat fordern, wenn alle – außer vielleicht den Liberalen selbst – der Meinung sind, dass der Kapitalismus in Reinform offensichtlich nicht das Modell der Zukunft ist, sondern eher irgendeine Spielart der sozialen Marktwirtschaft? Sie werden eine Lösung finden, die Westerwelles und Niebels.

Die Linken dürften da leichtes Spiel haben und den Einzug in den Bundestag erneut schaffen. Auch die Grünen werden sicher noch weiter profitieren. Irgendwie hat man das Gefühl, Grün könnte das neue Rot werden. Ich bleibe bei der Meinung, dass die Sozialdemokraten nachhaltig in einer Krise stecken. Es kommt zu einer neuen Ordnung. Aus heutiger Sicht wird nichts an der schwarz-gelben Regierung vorbeiführen. Die Union positioniert sich wieder als Partei, die für (christ-)soziale Marktwirtschaft steht. Die mögliche Rolle der FDP ist noch nicht ganz definiert.

Die nächsten Wochen und Monate werden interessant, nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der Politik – dieser Aussage kann sicher jeder zustimmen.

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Scanwiches

Was man mit Hamburgern, Cheeseburgern, Big Macs und Stullen aller Art so alles machen kann. Vor allem, wenn man ein Nerd ist.

Kreativität ist gefragt – und wenn sie antwortet, dann kann es passieren, dass sehr schöne Querschnittsbilder von Fast Food entstehen.

Fast Food, ein Scanner – der es einem nicht über nimmt, wenn Babecue-Soße über die Glasscheibe rinnt – und ein scharfes Messer genügen, um seinem Kreativitätsschub freien Lauf zu lassen.

Nachahmer braucht es wahrscheinlich nicht. Die Scanwiches sind perfekt. Ich bin froh, dass man Gerüche noch nicht übers Netz verschicken kann. Wenn das kommt, meide ich solche Websites – garantiert. Ich finde nämlich: Wenn man einen triefenden Hamburger und die dazu passenden Pommes mit Ketchup nicht selber schlotzt, gibt es kaum eine schlimmere Geruchsbelästigung im geschlossenen Räumen.

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